Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Dezember 2007
Kreuzwelts Ja-Knopf
von Lars Blumenroth

Es war zwar nicht das rote Telefon, aber immerhin ein schwarzes mit roter Signalleuchte, das seinen audio-visuellen Alarm durch die Laborräume schickte. Professor Kreuzwelt legte seine Arbeit hin und nahm den Hörer ab.
»Kreuzwelts Erfindungslaboratorien.«
»Herr Professor, hier spricht die Bundeskanzlerin.«
»Frau Makel, mit Ihnen habe ich ja nun gar nicht …«
»Machen wir es kurz, Professor Kreuzwelt: Wann sind Sie fertig?«
»Fertig? Ja, ähm …«
»Jetzt kommen Sie mir nicht mit Ausflüchten, Herr Professor. Morgen ist Stichtag!«
»Stichtag …«
»Sehr wohl! Und ich hoffe, Sie wissen, was das bedeutet!«
»Ich – ähm, natürlich …«
»Schön, wann kann ich also vorbeikommen?«
»Vorbei…«
»Jetzt tun Sie mal nicht so, Herr Professor. Selbstverständlich hole ich meine Bestellung persönlich ab. Bald schon ist Weihnachten und das Reich – also, das Volk – Sie wissen, was ich meine … Das Geschenk muss rechtzeitig fertig sein! Ich muss dieses Versprechen einhalten, sonst bekomme ich keine …«
»… keine achte Amtszeit«, vollendete Professor Kreuzwelt den Satz. Immerhin hatte er sich diesen in den letzten Monaten zur Genüge anhören dürfen. Bei Frau Makel ging es immer um die Amtszeit. Um die zweite, die dritte, die vierte, welche sie noch halbwegs selbst zustande gebracht hatte. Die fünfte Wahl dagegen hätte sie beinahe verloren, weil die BUILD-Zeitung einen Schnappschuss von ihr und dem Ipsy-Lala als Star-Schnitt veröffentlicht hatte. Die Bundeskanzlerin und der Führer von Tubeth – welch ein Skandal! Aber für Führer hatten die deutschen Mädels ja schon immer eine Schwäche, da nimmt sich auch die Kanzlerin nicht aus. Nach diesem Karriereknacks ging dann nichts mehr ohne Bestechungsgeschenke an das Volk. Zur sechsten Amtszeit war es das Kernenergieförderprogramm ›Deutschland strahlt – über alles in der Welt‹. Die siebte Amtszeit verlangte dann das Volks-Auto ›Deutschland rollt – über alles in der Welt‹. Und nun soll es eben etwas ganz Neues werden: Die Lösung aller Sorgen.
»Sie haben es erfasst, Professor«, flötete Frau Makel. »Weihnachten stelle ich mein Geschenk an Deutschland vor und damit ist mir der Sieg bei der nächsten Wahl sicher.«
»Aber …«
»Nichts aber! Im neuen Jahr geht dann die Massenproduktion los: Für jeden Haushalt eine eierlegende Wollmilchsau …«
»Aber …«
»Was wollen Sie denn immer, Herr Professor? Sie haben doch selbst gesagt, dass es im Bereich des Möglichen ist! Und nichts anderes will ich: das Mögliche, und zwar schnell!«
Professor Kreuzwelt schluckte. »Jawohl mein – meine Kanzlerin.«
»Fein, dann ist ja alles in Butter. Bis morgen dann, Herr Professor.«

Schweren Herzens legte der Professor auf und ging in sein Labor zurück. Dort lag sie, die eierlegende Wollmilchsau, betäubt auf dem Labortisch und sabberte vor sich hin. Noch hatte er es nicht geschafft, dieses Wunderwerk zahlloser Kreuzungen zu klonen. So oft er auch Stammzellen entnahm, irgendwie ließen sie sich niemals zu einem Duplikat formen. Die Erfindung blieb ein Einzelstück. Eine einzige eierlegende Wollmilchsau für ganz Deutschland. Das todsichere Karriereaus für die Kanzlerin … Weiter wollte sich der Professor dieses Szenario nicht vorstellen. Er musste sich zusammenreißen. Die eierlegende Wollmilchsau musste vervielfältigt werden, koste es was es wolle.
Hektisch griff der Professor zu dem Spritzbesteck, um erneut Stammzellen zu entnehmen. Dabei stieß er eine große Flasche Traumserum um, welche auf die Kante eines Tabletts mit unterschiedlichsten Lebenselexieren und Urflüssigkeiten aufschlug. Fläschchen und Phiolen wurden durch die Hebelwirkung in die Luft geschleudert. Kurz schwebten sie auf Augenhöhe vor dem Professor –, dann krachte alles zu Boden. Klirrend zersplitterte das feine Glas und verschiedenfarbige Dampfschwaden erhoben sich. Geschockt hielt der Professor die Luft an. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, dass soeben der Großteil seiner gesamten Arbeit am Boden zerschellt war. Dann taumelte er zurück. Ein farbenfroher Qualm folgte ihm schwerfällig. Hektisch hämmerte der Professor auf den Not-Schalter. Donnernd schoben sich die Sicherheitstüren zu und schlossen die Giftwolke ein – mitsamt seiner Erfindung, der einzigen eierlegenden Wollmilchsau. Jetzt hatte er nichts mehr, außer den zahllosen Fehlversuchen …
»Mööp-mööp«, machte einer dieser Fehlklone und schmiegte sich an Kreuzwelts Bein. Es war eine Art missglückter Wolpertinger. Hasenkörper, Taubenflügel, Hahnenschwanz, Hirschgeweih und klitzekleine, furchtbar scharfe …
»Ja, ich weiß«, sagte der Professor matt. »Ich fühle mich auch mööp-mööp.«
Das Tier senkte den Kopf und hoppelte gemächlich davon. Wie lieb diese kleinen Monster doch waren. Aber leider hatten sie so gar nichts mit einer eierlegenden Wollmilchsau gemein. Ein wahres Rätsel. Doch nach seinem Missgeschick heute würde er es wohl niemals lösen …
Da klopfte es plötzlich. Der Professor tauchte aus seinen trüben Gedanken auf. Klopfen? Wo bitte sollte jemand klopfen und vor allem wer?
Es klopfte erneut. Diesmal vernahm der Professor auch den Ursprung. Das Klopfen kam aus dem Inneren des Labors! Aber das war unmöglich, immerhin …
»Hallo?«, rief nun eine zarte Stimme.
Der Professor riss erschrocken die Augen auf. Eine Stimme? Verlor er nun seinen Verstand? Hatte er vielleicht doch etwas von diesen Dämpfen eingeatmet?
»Hallohallohallo!!!«, rief die Stimme drängend.
»Saperlot!«, schrie der Professor und riss die Labortür auf. Wenn dort jemand …
Und da stand sie vor ihm, die eierlegende Wollmilchsau. Das Fell schimmerte in allen erdenklichen Farben und die Augen … Das war der wache Blick eines intelligenten Wesens!
»Endlich bin ich da raus!«, sagte die eierlegende Wollmilchsau. »Das war ja schrecklich!«
»Aber …« Der Professor wich fassungslos zurück. »Du kannst … du bist … meine Güte!«
»Was denn?«
»Du kannst reden!«
»Ja, wunderbar, oder nicht?« Die eierlegende Wollmilchsau lachte auf. »Schon die ganze Zeit über wollte ich dir sagen, dass du mich endlich in Ruhe lassen sollst!«
Dem Professor wurde es nun heiß. »Ich … ähm, es tut mir …«
»Ach was, du bist nur ein kleiner Professor. Du konntest doch nicht wissen, dass ich einen Kopierschutz habe.«
»Einen Kopierschutz?«
»Ja, natürlich«, sagte die eierlegende Wollmilchsau, »oder was meinst du, weshalb du den Stall hier voller Wolpertinger hast?«
Der Professor sah sich um. Überall liefen diese missratenen Klonversuche herum und mööpten vor sich hin. So herrlich sie aussahen, so nutzlos waren sie. Und nun hatte er die Erklärung. Ein Kopierschutz! Und es hatte ihn fast zur Verzweiflung gebracht, die ersten Exemplare zu zähmen …
»So, und jetzt, da ich reden kann, will ich, dass du dieses ekelhafte Summen ausstellst! Das ist ja grausam!«, sagte die eierlegende Wollmilchsau.
»Oh«, machte der Professor, »das ist leider unmöglich. Das ist der Nein-Summ.«
»Nein-Summ?«
»Ja«, sagte Kreuzwelt und erklärte, was es damit auf sich hatte. Danach erzählte er von Frau Makel und seinem Problem, nun nicht für jeden Haushalt in Deutschland eine eierlegende Wollmilchsau herstellen zu können.
Da grinste die eierlegende Wollmilchsau. »Wenn alles schief geht und nichts mehr so ist, wie es sein sollte, dann ist immer noch auf eines Verlass: die Dummheit der Regierung.«
Mit dieser Gewissheit legten sich der Professor Kreuzwelt und die eierlegende Wollmilchsau zur Ruhe und warteten auf den nächsten Tag.

Mit deutscher Pünktlichkeit klingelte Bundeskanzlerin Makel bei Kreuzwelts Erfindungslaboratorien. Der Professor öffnete.
»Guten Tag Frau Makel und …« Seine Augen weiteten sich. »Sie bringen ihr ganzes Kabinett mit?«
»Natürlich, es geht ja schließlich um die Lösung aller Probleme für Deutschland«, lachte Frau Makel und drängte an dem Professor vorbei ins Labor. »Nun, wo ist es denn, mein Geschenk für Deutschland? Zeigen Sie es mir schon! Und stellen sie dieses nervige Summen ab!«
Plötzlich schrie die Bundeskanzlerin auf: »Was ist denn das?« Sie zeigte auf einen der Wolpertinger.
»Das ist ein …«
»Ist das eigentlich gesetzeskonform, dass diese – Untiere – hier frei herumlaufen?«, kreischte Frau Zypern und zog sich den Sonnenhut tiefer in die Stirn.
»Wir müssen einen Sonderetat zur Erbauung von Käfigen bewilligen«, gab Herr Beinstück zurück.
Frau von den Leiden rief sofort: »Ach was, wir schenken diese kleinen Tierchen als Familienbonus an alleinerziehende Frauen, dann …«
»Ruhe!«, brüllte Kanzlerin Makel. »Ich will von diesen Viechern nichts mehr hören, ich will meine eierlegende Wollmilchsau, und zwar sofort! Und ich will, dass dieses Summen aufhört!«
»Das ist aber das Nein-Summ, das können wir unter keinen Umständen …«, fing der Professor an. Aber Frau Makel war schon längst in den Tiefen des Labors verschwunden. Ihr Kabinett trampelte hinterher.
Da kam die eierlegende Wollmilchsau aus ihrem Versteck. »Läuft doch alles wie am Schnürchen, was?«, sagte sie zu Kreuzwelt und kicherte.
»Was ist denn der Ja-Knopf?«, brüllte Frau Makel von irgendwo.
»Der stellt das Summen ab!«, rief die eierlegende Wollmilchsau und der Professor fügte hinzu: »Unter keinen Umständen drücken!«
Doch zu spät. Frau Makel hatte den Knopf bereits betätigt. Mit einem Schlag war es leise. Kein Summen mehr. Dafür stieg ein Knurren an. Hasenkörper, Taubenflügel, Hahnenschwanz, Hirschgeweih und klitzekleine, furchtbar scharfe Piranhazähnchen. Dazu ein Mordsmäßiger Fleischhunger, wenn sie nicht gerade durch das Nein-Summ beruhigt wurden.
Die eierlegende Wollmilchsau schob den Professor aus dem Labor und schloss die Tür hinter sich ab. Das Knurren wurde von gierigem MÄÄP-MÄÄP abgelöst, dazwischen die Todesschreie der Bundesregierung.
»Siehst du, zu etwas sind die kleinen Biester doch noch gut, wenn man ihnen nicht alles verbietet«, sagte die eierlegende Wollmilchsau.
»Fröhliche Weihnachten Deutschland«, sagte Professor Kreuzwelt.

Letzte Aktualisierung: 27.12.2007 - 14.21 Uhr
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