Das orangefarbene Licht der Straßenlampen zerfloss auf dem nassen Asphalt, aus den Kanalgittern in der Fahrbahnmitte quollen Dampfschwaden. Ich stand in der Garageneinfahrt, die der Bar gegenüberlag und zog die Jacke enger um mich, während ich wartete.
Die Nacht war kalt und feucht, für Anfang November nicht ungewöhnlich. Vielleicht wäre mir wärmer gewesen, wenn ich unter dem knielangen Dufflecoat mehr als ein Seidentop und halterlose Strümpfe getragen hätte. Egal. Heute wollte ich es wissen. Heute wollte ich ihn nicht länger aus der Ferne beobachten, heute wollte ich die Sache zwischen uns unwiderruflich klar machen.
Das Kreischen des Metallgitters in den rostigen Schienen hallte durch die Nacht, als Ritch die Bar abschloss. Er war gekleidet wie immer: Langer, schwarzer Ledermantel, Hosen aus schwarzem Leder, glänzende schwarze Stiefel. Die Spitze einer Zigarette glühte auf, der Mantel, den er trotz der Kälte nicht geschlossen hatte, wehte hinter ihm her, als er sich auf den Weg machte.
Hastig überquerte ich die Straße und folgte ihm. Mein Herz schlug bis zum Hals. Seit ich ihn das erste Mal gesehen hatte, wusste ich, dass wir verwandte Seelen waren. Dem Dunkel verpflichtet, nicht dem Licht. Wie sehr hasste ich die oberflächlichen Gespräche mit meinen Klassenkameraden, die pubertären, machohaften Pöbeleien der Jungs, das Geplapper der Mädchen, die sich nur um diese Jungs, Mode und Popgruppen drehten. Keiner von ihnen kannte den Namen Aleister Crowley oder Lord Samedi, keiner wusste, wozu man ein Pentagramm oder ein kabbalistisches Kreuz benutzte.
Hinter meinem Rücken tippten sie sich an die Stirn und lachten über mich. Sie sahen in mir nichts als die Klassenstreberin, weil mein Latein besser war als das meiner Lehrerin und ich chemische Formeln herunterbeten konnte wie andere die Songtexte von Robbie Williams. Sie verstanden weder meine Motive noch meine Ziele, und mir lag nichts daran, ihnen mein wahres Wesen zu offenbaren.
Ich war ein ...
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Geschichte gehört zu den Siegergeschichten und erscheint in unserer Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns nicht selbst Konkurrenz machen möchten, indem wir die Geschichte ebenfalls hier komplett veröffentlichen.
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Andreas Schröter
Letzte Aktualisierung: 01.03.2008 - 12.47 Uhr Dieser Text enthält 10145 Zeichen.