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Februar 2008
Au - eine große Liebe
von Barbara Peters

Es begann alles damit, dass der Dichter Theodor Tinte eine Geschichte über die kleine graue Maus Graumau erdachte.

„Graumau, die außergewöhnliche Maus, lebte in einem baufälligen aber sauberen Haus, direkt neben der Hütte der schlauen Frau Sau und des lauten Herrn Pfau. Eines Morgens ging Graumau hinaus auf die grüne Au, um sich den blauen Himmel anzuschauen ...“

Als der Dichter soweit geschrieben hatte, da war es bereits passiert. Das kleine u hatte Herzrasen. Es stand plötzlich so oft neben dem a, wie noch nie in seinem Leben. Mit leuchtenden Augen betrachtete u a. Wie schön a war, egal ob es als kleines „a“ oder als großes „A“ daherkam. Dieser elegante Bauch, diese freundlichen Rundungen oder die selbstbewusste Spitze! Und natürlich der wunderbare Klang! u wusste genau, dass es noch nie in seinem Leben neben einem schöneren Buchstaben gestanden hatte. Und freundlich und liebenswürdig war a außerdem. Es zwinkerte dem kleinen u lächelnd zu und fragte: „Hallo u, lange nicht gesehen. Wie geht’s?“
u brach der Schweiß aus. Es wurde rot und brachte vor Verlegenheit beinahe kein Wort heraus. Sein Herz klopfte ihm bis zum Hals. Verschämt schlug es die Augen nieder und flüsterte: „Danke – ganz gut!“
a lächelte und reichte u ein in graublaues Papier gewickeltes Kaugummi.
Gemeinsam kauten die beiden und a ließ ab und zu riesige Kaugummiblasen laut zerknallen.
Schönere Kaugummiblasen hatte u in seinem ganzen Leben noch nicht gesehen – u hatte sich bis über beide Ohren in a verliebt.

Theodor Tinte hatte keine Ahnung, was er mit Graumaus Geschichte anrichtete. Als kleine, spaßige Schreibübung hatte er begonnen, eine Erzählung zu schreiben, in der möglichst viele „au’s“ vorkamen. Vier Seiten lang schrieb er über Graumau, Frau Sau und Herrn Pfau und spickte seine Sätze mit au-Wörtern. Auto, außen, auf, außerdem, auch, Aula, laufen, kaufen und saufen, Schlaufe und Bauch waren nur einige der Wörter, die Theodor Tinte verwendete. Als er den letzten Satz geschrieben hatte und zufrieden den Stift beiseite legte, war es um u geschehen.
„Nie mehr will ich mein a verlassen!“, dachte es. „Ich will a begleiten, wo immer es auch hingehen wird. Ich will mit a zusammen sein, in guten und in schlechten Tagen, bis ein Radiergummi uns scheidet.“
Gedacht – getan. Von diesem Augenblick an tat u nichts anderes mehr, als aufzupassen, wo a sich befand, um sich sofort an seine Seite zu schmiegen. Das hatte natürlich ganz furchtbare Auswirkungen auf alles Geschriebene. So sollte zum Beispiel in einem ABC-Buch der Vers „Acht Affen aßen Ananas, das machte allen Achten Spaß“ stehen. Nachdem u sich heimlich neben sein geliebtes a geschummelt hatte, konnte kein Schüler den Vers mehr begreifen.
Was sollte wohl „Aucht Auffen außen Aunaunaus, daus mauchte aullen Auffen Spauß“ heißen?
Auch Marc-Phillip bekam Schwierigkeiten. Er hatte sich ein Gedicht ausgedacht und es in sein Schreibheft geschrieben. Doch als er es stolz seinen Eltern zeigte, wunderten die beiden sich sehr, denn sie verstanden kein Wort. In Marc-Phillips Heft stand nämlich:
„Aum Bauchraund laug ein launger Kauhn, daumit wollt’ Kaurl den Bauch befauhr’n.“
Da drehte sich a zu u um und sagte: „Ich finde es auch sehr schön, neben dir zu stehen, aber wir dürfen es nicht übertreiben. Sieh nur, wie traurig Marc-Phillip ist.“
u seufzte. Es wollte natürlich nicht, dass die Schulkinder Ärger mit dem Lesen und Schreiben bekamen, nur weil es sich wünschte neben a zu stehen.
„Sei froh, dass ich kein x bin!“, flüsterte a. „Dann würden wir uns fast nie sehen. – Aber so ... Es gibt doch eine ganze Menge Wörter mit au, in denen wir uns oft treffen können, meinst du nicht auch?“
u holte tief Atem und nickte. Schnell gab es seinem geliebten a einen kleinen Kuss. Dann schlich es heimlich zurück ins Alphabet, wo es geduldig darauf wartete, dass irgendwo auf der Welt „au“-Wörter gebraucht wurden.
Marc-Phillips strahlte. In seinem Schreibheft stand plötzlich wieder das richtige Gedicht.

Letzte Aktualisierung: 10.02.2008 - 15.21 Uhr
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