Ganz schön bissig ...
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Februar 2008
Gleis Nummer sechs
von Regina Lange

Georg, Anfang dreißig und gut aussehend, hatte eine Vorliebe für einen geregelten Tagesablauf. Morgens verließ er pünktlich seine Wohnung, ging zum Bahnhof und fuhr täglich mit dem Zug ins Büro. Bevor er jedoch zum Gleis Nummer sechs ging, stoppte er jeden Morgen am Kiosk im Bahnhofsgebäude.
„Guten Morgen Georg!“
Eine Verkäuferin, Ende zwanzig, stand hinter dem Verkaufstresen und stellte einen Becher Kaffee darauf.
„Zum Kaffee ein Croissant und eine Zeitung?“, fragte sie.
„Natürlich, wie jeden Morgen“, antwortete er.
„Natürlich“, sagte sie und himmelte ihn an. Während sie das Croissant in eine Tüte packte, musterte sie ihn. Wie gut er wieder aussah in seinem Nadelstreifenanzug. Eine stattlich, gepflegte Erscheinung. Sie seufzte.
Nachdem Georg bezahlt hatte, nahm er die Zeitung und die Tüte mit dem Croissant an sich. Er schaute auf seine Armbanduhr. Noch zehn Minuten bis zur Abfahrt des Zuges.
„Wiedersehen bis morgen!“
Georg nickte nur und lief mit dem Kaffeebecher in der Hand zum Gleis Nummer sechs. Dort warteten bereits schon etliche Fahrgäste.
Er drängelte sich durch die Menge der wartenden Fahrgäste hindurch. Am Ende der wartenden Menschen blieb er stehen und stellte seinen Aktenkoffer auf dem Boden ab. Danach nippte er an seinem Kaffeebecher. Georg schaute sich auf dem Bahngleis um und entdeckte plötzlich eine junge Frau, die neben einer Litfasssäule stand. Er biss von seinem Croissant ab und der Bissen blieb ihm fast im Halse stecken, als er die junge Frau näher betrachtete. Sie war außergewöhnlich attraktiv und hatte eine tolle Figur. Sie hatte brünette schulterlange Haare und sah sehr gepflegt aus. Georg konnte den Blick von ihr nicht mehr abwenden. So hatte er sich immer seine Traumfrau vorgestellt. Im Geiste lief er bereits mit ihr Hand in Hand im Park spazieren und küsste sie zärtlich auf ihre wunderschönen Lippen.
„Junger Mann, wollen Sie mitfahren?“ Eine Georg unbekannte Stimme dröhnte in sein Ohr und entriss ihn aus seinen schönen Traum.
„Wie?“
„Der Zug fährt gleich ab. Träumen Sie?“ Der Schaffner schaute Georg kopfschüttelnd an und war gerade im Begriff die Waggontür zu schließen.
Georg griff rasch nach seinem Aktenkoffer und stieg in den Waggon ein. Er schaute sich um. Wo war seine Traumfrau geblieben? Er sah aus dem Fenster. Das Gleis Nummer sechs war menschenleer. Sie musste also schon im Zug sein. Er lief weiter und untersuchte einen Waggon nach dem anderen, doch seine Traumfrau war wie vom Erdboden verschluckt. Er setzte sich enttäuscht auf den nächst gelegenem freiem Sitzplatz und schlug seine Zeitung auf. Er versuchte zu lesen, doch es gelang ihm nicht sich auf die Wörter in der Zeitung zu konzentrieren. Georg hatte ständig das hübsche Gesicht der fremden Frau vor Augen. Er legte die Zeitung beiseite und blickte aus dem Fenster des fahrenden Zuges heraus. Ob er sie jemals wieder sehen würde?

Der Tag im Büro verlief ereignislos und er hatte nicht so Recht Lust zu arbeiten. Daher beschloss Georg, seine Überstunden abzubummeln und eher Feierabend zu machen.

Am nächsten Morgen verließ Georg früher als gewöhnlich seine Wohnung und ging zum Bahnhof.
„Sie sind ja früh dran heute Morgen“, sagte die Verkäuferin im Kiosk und reichte ihm den Kaffeebecher.
„Ja!“
Er hatte keine Lust auf Konversation mit dieser Verkäuferin, die ihn jeden Morgen anhimmelte. Sie war nicht sein Typ. Er nahm sein Croissant sowie die Zeitung und lief die Treppe zum Gleis Nummer sechs hinauf. Georg stellte sich an die Litfasssäule und ließ seinen Blick über den Bahnsteig schweifen. Keine Menschenseele war da. Nach einer Weile trafen die ersten Fahrgäste ein. Georg trank seinen Kaffee.
„Autsch, ist der heiß heute!“
Plötzlich hörte er Fußschritte, die nur von weiblichen Pumps verursacht werden konnten. Sein Blick war starr auf die Treppe gerichtet. Georg hörte vor Aufregung sein Herz in der Brust schneller pochen. Tatsächlich dort kam sie anmutig die Treppe hinauf und schritt an ihm vorbei. Georg war wie gelähmt und konnte sich nicht rühren.
„Vorsicht bei der Einfahrt des Eilzuges!“ Eine dunkle Stimme dröhnte aus dem Lautsprecher über dem Bahngleis.
Georgs Traumfrau ging zum Zug und stieg ein. Georg folgte ihr. Sie setzte sich auf einen freien Platz gegenüber einer alten Dame. Georg setzte sich in der gegenüberliegenden Sitzreihe auf einen freien Platz gegenüber einem Jungen, der seine Ohren mit Kopfhörer zugestöpselt hatte und sich scheinbar im Takt seiner Musik auf seine Oberschenkel klopfte.
Georg stellte seinen Kaffeebecher auf die Ablage am Fenster und versteckte sich hinter seiner Zeitung.
Der Zug begann zu rollen und Georg ließ die Zeitung ein wenig hinunter gleiten, damit er sie sehen konnte. Sie hatte ein Buch aufgeschlagen und las. Georg war fasziniert von ihrer Schönheit. Sie war elegant mit einem sehr modischen Kostüm bekleidet. Ihre Beine hatte sie übergeschlagen und die oberen Knöpfe ihrer Bluse hatte sie nicht zugeknöpft. Georg betrachtete ihre wohlgeformten Beine.
„Fahrkarten bitte!“
Georg erschrak und ließ seine Zeitung fallen.
„Ach, Sie wieder, der Tagträumer!“
Georg zeigte mit hochrotem Kopf dem Schaffner seine Fahrkarte und sammelte seine Zeitung auf. Dabei bemerkte er, dass er von ihr lächelnd beobachtet wurde.

Als der Zug stoppte verließ Georgs Traumfrau das Abteil und verschwand im Gedränge des Bahnhofes.
„Mist!“ Georg ärgerte sich über den Verlust seiner Traumfrau und machte sich geknickt auf den Weg ins Büro.

Am nächsten Morgen verließ Georg wieder rechtzeitig seine Wohnung und lief zum Bahnhof.
Die Verkäuferin im Kiosk wartete schon.
„Heute nur einen Kaffee und eine Zeitung!“, bestellte Georg knapp und legte das abgezählte Geld auf den Tresen.
Die Verkäuferin blickte ihn ungläubig an.
Georg verließ eilig den Kiosk und hetzte zum Gleis Nummer sechs.

Er schaute sich um. Sie war noch nicht da. Er ging zur Litfasssäule und wartete.
„Vorsicht am Bahngleis Nummer sechs. Der Eilzug fährt ein!“ Der Lautsprecher ertönte in einem blechernen Ton.
Wo ist sie nur? Sie ist spät dran, dachte er.
Der Zug hielt an und Georg musste einsteigen. Er schaute sich noch einmal um, doch seine Traumfrau war nicht zu sehen. Enttäuscht setzte er sich auf einen freien Sitzplatz. Er nahm einen Schluck aus seinem Kaffeebecher. Der Zug begann schon anzufahren, da ging plötzlich die Tür zum Zugabteil auf.
„Ist der Platz noch frei?“, fragte eine weibliche, sanfte Stimme.
Georg sah auf und ließ vor Schreck seinen Kaffeebecher fallen. Der restliche Kaffee ergoss sich über seinen teueren Nadelstreifenanzug und hinterließ hässliche Flecken.
„Oh, nein!“, rief Georg und starrte auf seine Anzughose.
Zu seinem Glück war der Kaffee bereits abgekühlt, sonst hätte er wohl mit argen Verbrühungen ins nächste Krankenhaus gemusst.
„Nein? Schade!“, sagte sie.
„Doch, doch! Ich meine…, der Platz ist frei!“ Georg zeigte gestikulierend mit seiner Hand auf den freien Sitzplatz während er mit der anderen Hand und einem Taschentuch versuchte seine Hose zu trocknen.
„Danke!“
Georg konnte sein Glück kaum fassen. Seine Traumfrau saß ihm gegenüber.
„Die Kaffeeflecken sollten Sie versuchen mit Wasser auszureiben“, sagte sie freundlich.
„Ja?“
„Ich habe eine Flasche Mineralwasser dabei.“ Sie bückte sich, um aus ihrer Tasche eine kleine Flasche Mineralwasser heraus zu nehmen. Dabei näherte sie sich Georg und er konnte ihr Parfüm riechen.
Wie sie duftet, dachte er.
„Oh, nein! Das kann ich nicht annehmen. Ich möchte nicht das gute Mineralwasser zum Flecken entfernen verwenden!“
Außerdem, werde ich nicht hier im Zug, und noch dazu vor dieser Frau auf meiner Hose herum wischen, dachte er.
„ Gut, wie Sie meinen.“ Sie steckte die Flasche wieder in ihre Tasche. Sie nahm ihr Buch in die Hand und begann zu lesen.
Georg überlegte fieberhaft, wie er ein Gespräch beginnen sollte.
„Sie haben heute gar kein Croissant zum Kaffee! Haben Sie es vergessen?“, fragte sie plötzlich ohne sich von ihrem Buch abzuwenden.
Georg sah sie verdutzt an. „Nein. Ich war heute spät dran!“, log er.
„Oh, ich verstehe!“
Wieso wusste sie das mit dem Croissant und dem Kaffee? Georg war verwirrt.
„Ich habe Sie schon ein paar Mal am Bahngleis Nummer sechs gesehen“, sagte sie als wenn sie seine Gedanken lesen konnte.
„So? Oh, Sie fahren regelmäßig mit diesem Zug?“, fragte er eher beiläufig. Als ob er es nicht schon wüsste.
„Ja. Ich habe einen neuen Job!“, antwortete sie und schaute nachdenklich aus dem Fenster.
Plötzlich bremste der Zug ab und fuhr mit langsamer Geschwindigkeit in den Bahnhof hinein.
„Schon da?“
„Ja! Ich wünsche Ihnen einen schönen Arbeitstag und vielleicht bis morgen?“
Georg sah gebannt in ihre grünen Augen und hauchte nur:„Okay!“
Sie lächelte ihn an und verschwand aus dem Zug.

„Oh bin ich blöd. Ich habe weder ihren Namen noch eine Telefonnummer“, murmelte er zu sich selbst.
Er sprang aus dem Zug und versuchte ihr hinterherzulaufen. Leider zu spät, denn sie war bereits in der Menschenmenge im Bahnhof untergetaucht.
Enttäuscht über seine Dummheit, verließ er das Bahnhofsgebäude.
Georg betrachtete seine Hose, die übersät war mit hässlichen Kaffeeflecken. So konnte er unmöglich ins Büro gehen. Er steuerte geradewegs auf ein Kaufhaus zu. Dort kaufte er sich eine neue Hose und ging halbwegs zufrieden ins Büro.

Als er die Tür zu seinem Büro öffnete, wurde er von der Anwesenheit seines Chefs überrascht.
„Guten Morgen. Sie sind heute spät dran. Kennt’ man gar nicht von Ihnen!“
„Guten Morgen. Ich hatte ein wenig Pech“, antwortete Georg.
„Sie haben sich eine neue Hose gekauft.“ Georg hörte eine vertraute Stimme.
Er konnte es nicht fassen, denn in seinem Büro stand doch tatsächlich seine Traumfrau.
„Sie?“, staunte Georg mit offenem Mund.
„Sie kennen sich bereits?“, fragte Georgs Chef verdutzt.
„Nein. Ja. Ich meine….“, stammelte Georg.
„Ja was denn nun? Ist auch egal. Darf ich Ihnen Ihre neue Kollegin Sabrina Weiß vorstellen?“, sagte Georgs Chef.
Sabrina sah Georg mit ihrem bezaubernden Lächeln an und reichte ihm die Hand. Er schüttelte ungläubig ihre Hand und stotterte: „Georg. Ähm, ich meine Georg Sander!“
„Angenehm!“

Letzte Aktualisierung: 20.02.2008 - 16.32 Uhr
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