Ganz schön bissig ...
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März 2008
Rauchen kann tödlich sein
von Susanne Ruitenberg

Ellen warf das Geld in den Zigarettenautomaten und drückte die Taste für ihre Marke. Nichts geschah. „Scheißapparat!“ Sie schlug ein paar Mal mit der Faust dagegen. Keine Reaktion. Dann eben Geld zurück. Sie drückte auf den entsprechenden Knopf. Auch jetzt lieb der Apparat stumm. „Beschiss!“
Wo war der nächste? Sie sah sich nach allen Seiten um, als ob ein Hinweisschild aus dem Boden schießen müsste wie in einem Zeichentrickfilm: ‚Nächster Zigarettenautomat – gehen Sie einhundert Meter nach rechts’.
Beim Supermarkt an der Hauptstraße hing einer, oder täuschte ihre Erinnerung? Halt, da gab es noch den Kiosk an der Haltestelle. ‚Prolltränke‘ sagte Bernd immer, wenn sie an den traurigen Gestalten mit den Bierflaschen in der Hand vorbeigingen. Das war näher. Sie warf einen Blick zurück, auf ihr Haus, blaues Fachwerk eingerahmt von braunem und bordeauxrotem Fachwerk. Sollte sie es riskieren, ihn allein zu lassen? Er hatte fest geschlafen, als sie das letzte Mal hereingeschaut hatte. Die Alternative wäre, zu warten bis heute Abend Bernd endlich von der Arbeit – nein. Im Laufschritt eilte sie zum Kiosk. Geschlossen, auch das noch! Also doch zum Supermarkt. Gut, dass sie auf die Schnelle die Turnschuhe angezogen hatte, so konnte sie rennen. Völlig außer Atem kam sie am Supermarkt an. Sie sollte weniger rauchen, haha. Wo war jetzt der verfluchte Apparat? Dort, neben den Fahrradständern. Wenn der jetzt auch nicht funktionierte … sie öffnete ihr Portemonnaie. Kein Kleingeld mehr, das war ja klar! Ob man ihr im Supermarkt einen Schein wechseln … halt, der Automat nahm Geldkarte. Sie zog diese aus dem Kartenfach und steckte sie in den dafür vorgesehenen Schlitz. Vor ihrem inneren Auge sah sie schon ‚leer‘ oder ‚nicht lesbar‘ aufblitzen; das würde zum heutigen Tag passen. „Guthaben ausreichend“, erschien jedoch auf dem Display. Ein Seufzer der Erleichterung entwich ihr. Sie drückte auf den Knopf, der Apparat gab ratschende Geräusche von sich und eine Packung Zigaretten fiel in das Fach. Mit zittrigen Fingern entnahm sie die Schachtel und riss sie auf. Dann tastete sie in ihren Taschen – kein Feuerzeug. All die Anstrengung, und dann keine Belohnung!
„He, Ellen, was machst du denn am hellichten Tag hier im Dorf? Hast du frei?“
Ellen fuhr herum. „Moni, hallo. Nein, ich bin daheim, weil Léon-Alexander krank ist. Und du kennst ja meinen Göttergatten. ‚Ein krankes Kind braucht seine Mutter, Schatz.‘“ Monika schnaubte. „Typisch!“
Ellen nickte. „Genau. Übersetzt heißt das: ‚Ich habe keine Lust, mich damit zu befassen. Dabei hätte er alle Zeit der Welt als Selbständiger. Ich musste dafür ein Sales Meeting verschieben.“
Monika nickte. „Kenne ich von meinem. Spielen: ja. Windeln wechseln? Igittigitt. Johannes will auch immer nur die Sonnenseiten von allem genießen.“ Sie stellte die Bremse des Kinderwagens fest und zog ein Feuerzeug aus der Tasche. Ellen bot ihr eine Zigarette an, dann gab ihre Freundin beiden Feuer.
Ellen zog den Rauch tief ein und blies ihn durch die Nase wieder aus. „Danke, das habe ich jetzt gebraucht. Und natürlich bin ich ohne Feuerzeug losgedackelt.“
Monika grinste. „Kenne ich. Übrigens, hast du auch die Einladung vom Vereinsringsfritzen erhalten? Ich weiß nicht, ob ich hingehe, die letzten Sitzungen waren zum Einschlafen langweilig und herausgekommen ist auch nichts.“
„Ja. Ich gehe nicht, weil die über unseren Literaturverein immer lästern. Wenn es keine Viecher züchtet, glänzende Pokale einbringt, oder als anerkannte Ausrede zum Saufen fungieren kann, zählt es hier auf dem Land nicht. Die haben die Einladungen nur deshalb an alle e.V.s gesendet, weil sie es von der Satzung her müssen.“
Monika nickte. „Mit meinem Fotoverein können die auch nichts anfangen. ‚Wie, Sie können keine Fotos vom Feuerwehrball machen? Ich dachte Sie sind ein Fotoverein‘, hat er gesagt und dabei die Augenbrauen bis unter den Haaransatz gezogen. Dass wir Stillleben und Kunstfotos machen, geht nicht in seinen Landei-Schädel.“
Ellen lachte. „Ja, das Dorf ist schon eine fremde Welt.“
Aus dem Kinderwagen kam ein lautes Quäken. Die Frauen beugten sich darüber. Ellen schüttelte den Kopf. „Weia, ist deine Elisa-Amalie groß geworden!“
Monika schob ihrer Tochter den Schnuller wieder in den Mund. „Ja, und ständig hungrig. Deshalb werde ich mal schnell meine Einkäufe erledigen, sonst brüllt Madame den Laden zusammen. Mach’s gut.“
Ellen umarmte ihre Freundin. „Mach’s besser. Man sieht sich. Schöne Adventszeit noch.“
„Ebenfalls.“
Monika verschwand im Supermarkt, Ellen ging mit schnellen Schritten Richtung Heimat. Hoffentlich schrie er nicht schon nach ihr.
Aus der Ferne hörte sie auf einmal das Geräusch von Sirenen anschwellen. Sie drehte sich um. Drei Feuerwehrwagen brausten die Hauptstraße entlang und bogen Richtung Altstadt ab. Nanu, war etwas passiert? Sie beschleunigte, schließlich sah man nicht jeden Tag die roten Helfer im Einsatz. Sie erreichte die Rathausstraße, welche die Altstadt zweiteilte, und sah gerade noch das letzte Feuerwehrauto in die Hintergasse einbiegen. Die Hintergasse?! Die bogen in ihre Straße? Ellens Herz begann im Stakkato zu hämmern, sie spürte, wie ihr abwechselnd heiß und kalt wurde. Einen Moment blieb sie wie gelähmt stehen, dann schoss sie los wie ein Sprinter beim einhundert Meter Lauf, beinahe verfehlte sie die Abzweigung in die Hintergasse vor lauter Schwung. Nach zwei Schritten blieb sie abrupt stehen. „Nein!“, kreischte sie. „Léon-Alexander!“ Ungläubig starrte sie auf die Flammen, die aus ihrem Haus schossen. Feuerwehrmänner rollten Schläuche aus, zwei waren dabei, mit einer Axt die Haustür einzuschlagen. Sie rannte auf die beiden zu. Ein anderer fing sie, hielt sie fest. „Halt, wo wollen Sie hin?“
„Léon-Alexander ist da drin, lassen Sie mich durch, das ist mein Haus.“
„Sie können da nicht rein, sehen Sie nicht, das ganze Haus brennt lichterloh. Ist Léon-Alexander Ihr Kind?“
„Ja, er ist sechs, und krank, deshalb konnte er nicht in die Schule.“
„Warum lassen Sie ihn dann alleine, verdammt nochmal?“
„Ich war doch nur Zigaretten holen, nur Zigaretten … es waren doch höchstens zehn Minuten, hören Sie, nur zehn Minuten, nur zehn Minuten, höchstens zehn Minuten …“
Sie wand sich in den Armen des Feuerwehrmannes und schrie, bis der Notarzt eintraf und ihr eine Spritze geben konnte.

Letzte Aktualisierung: 27.03.2008 - 19.56 Uhr
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