Ganz schön bissig ...
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März 2008
Die Botschaft
von Barbara Hennermann

Mit aller Gewalt presste er dem Rappen die Fersen in die Flanken und zog die Zügel straff. Das Tier wieherte gellend, bäumte sich auf und kam zitternd zum Stehen. Geschafft! Er war geritten wie der Teufel, um rechtzeitig ans Ziel zu kommen.
Keuchend stieg Andreas aus dem Sattel und stapfte schweren Schrittes auf das Eisentor zu. Kunstvoll geschmiedete Rosen rankten sich ineinander und warfen Sonneflecken auf den geharkten Boden. Andreas öffnete das Visier. Strahlend blaue Augen blickten auf den Wächter, der im Häuschen neben dem Tor fragend zu ihm herüber sah. „Ich habe eine Botschaft für deinen Herrn, öffne das Tor!“ „Ich darf keine Fremden einlassen“, entgegnete der Lakai. „ Doch wenn du deine Rüstung ablegst und das Ross hier stehen lässt, will ich dich durchlassen.“ Schwerfällig zog Andreas den Helm vom Kopf und stapfte auf den Mann zu. Dieser eilte aus dem Häuschen und half ihm, die schwarze Rüstung zu lösen. Klirrend fiel sie zu Boden. Der Hengst schnaubte und tänzelte auf der Stelle. Achtlos übergab Andreas dem Wächter die Zügel. Schier endlos schien sich der weiße Sandweg bis zum Schloss vor ihm zu dehnen. Er durfte keine Zeit mehr verlieren. Die Botschaft war von großer Wichtigkeit! Seine Schritte beschleunigten sich, als er bemerkte, wie die Sonne bereits dem Horizont zustrebte. Bald würde es dunkel sein und zu spät für den Grund seines Kommens. Ein stechender Schmerz fuhr durch seine Brust, als er den Weg jetzt hinauf rannte. Wieder ließ er eine Biegung hinter sich, doch noch immer konnte er das Schloss nicht sehen. Endlich! Hinter dem blassrosa Schleier der Abendsonne konnte er die Konturen erkennen. Sein Atem rasselte und Schweiß tropfte aus den langen, blonden Haaren auf sein weißes Leinenhemd. Mit letzter Kraft erreichte er die Stufen, die zum Portal hinauf führten. Ein Wächter hielt ihm die Lanze entgegen. „Lass mich durch!“, stieß Andreas schwer atmend hervor. „ Ich habe eine wichtige Botschaft für deinen Herrn!“ Abschätzend sah ihn der Wächter an, trat zur Seite und öffnete das Portal. Gleißendes Licht quoll aus dem Saal, der dahinter lag. Einen Moment blieb Andreas geblendet stehen, dann trieb es ihn weiter. Suchend durchstreifte sein Auge den Saal und entdeckte die gesuchte Person an einem Tisch in der Mitte des Raumes.
Ja. Man hatte ihm wohl die Wahrheit gesagt. Der Mann dort mit den langen grauen Haaren und den strahlend blauen Augen musste es sein.
Wieder fuhr der stechende Schmerz durch seine Brust und ein heftiger Husten schüttelte ihn. Doch er war am Ziel! Andreas schleppte sich mit letzter Kraft zum dem Tisch, warf sich dem Mann zu Füßen. Ein Wort nur löste sich von seinen Lippen: „Vater!“ Der Angesprochene fuhr hoch, sah auf die Gestalt zu seinen Füßen und rief zornig: „Wer wagt es, mich Vater zu nennen? Mein einziger Sohn starb als Säugling am Gelbfieber. Willst du mich zum Narren halten?“ Bittend hob Andreas den Kopf. „Vater, hör mich an, hör mich einmal an!“ Auf dem Gesicht des Älteren wich der Zorn dem Erstaunen, seine Züge entspannten sich. „Nun gut, was hast du mir zu sagen?“ „Es ist wohl wahr, dass dir ein Sohn am Gelbfieber starb, Vater. Ich aber bin der Sohn seiner Amme, Vater, und dein Sohn dazu! Meine Mutter liegt im Sterben, nur wenig Zeit bleibt ihr noch, und ihr letzter Wunsch ist, dass sie dich noch einmal sehen kann.“ Die rasche Handbewegung des Grauhaarigen ließ die Lakaien herbeieilen, sie zogen Andreas hoch und aus dem Saal hinaus. Hinter ihm donnerte die Stimme des Mannes her, der sein Vater nicht sein wollte: „Es ist vorbei! Lass ruhen, was vergangen ist!“ Das Strahlen der blauen Augen erlosch, graue Nebelschleier krochen aus den Ecken, verdrängten das helle Licht und hüllten Andreas ein….

….Der gauhaarige Mann erhob sich ächzend, klopfte den Staub aus der Hose und schüttelte traurig den Kopf. „Es ist vorbei, da war nichts mehr zu machen. Wir haben keine zehn Minuten gebraucht, um herzukommen. Er muss fast ungebremst in das Friedhofstor gerast sein. Vielleicht hat ihn die untergehende Sonne geblendet, wer mag das sagen? Exitus. Er war wahrscheinlich sofort tot.“ Wieder schüttelte er den Kopf und sah auf die Gestalt in der schwarzen Motorradkluft, die reglos neben der schweren Maschine am Boden lag. Blondes Haar hing verschwitzt über der Stirn, die blauen Augen schienen in weite Ferne gerichtet z sein und um die Mundwinkel zog sich ein schmerzlicher Zug, als hätte der Tote um sein Ende gewusst. Der junge Polizist neben dem Sanka hatte aus dessen Jacke einen Ausweis hervorgekramt und las halblaut vor: „ Andreas Maurer, von Beruf Kinderbuchautor.“ Dann erhellte ein Erkennen sein Gesicht: „Mein Gott, das ist doch der mit den Geschichten aus dem Mittelalter! Mein Zehnjähriger ist ganz heiß drauf!“ Bedauern und Erstaunen mischten sich in seiner Stimme, als er fragte: „Was um alles in der Welt wollte der hier am Friedhof und noch dazu in einer solchen Eile?“ Der Notarzt zuckte mit den Schultern. Aber der Polizist hatte wohl keine Antwort von ihm erwartet.
Ein Pulk Schaulustiger hatte sich inzwischen um den Unfallort versammelt. Plötzlich kam Bewegung in die Menge. Eine kleine, stämmige Frau drängte sich atemlos nach vorne durch, blickte auf den jungen Mann am Boden. „Andreas!“ Ihr Schrei gellte durch die Luft. Schluchzend warf sie sich über die reglose Gestalt. „Andreas, mein Sohn, mein Liebling! Du bist zu spät gekommen. Sie haben deinen Vater heute Nachmittag beerdigt.“

Letzte Aktualisierung: 05.03.2008 - 09.40 Uhr
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