Vor und zurĂŒck. Die Holzkufen quietschten leise auf dem Parkett. Vor und zurĂŒck. Immer wieder. So beruhigend, fand sie. Die HĂ€nde umklammerten fest die Griffe, wĂ€hrend sie ihren schmĂ€chtigen Körper im gleichmĂ€Ăigen Rhythmus bewegte.
âIch bin kurz drĂŒben bei Ilse. Habâ kein Zucker mehr fĂŒr den Kuchen, den Mami backen will. Bin gleich wieder da, SchĂ€tzchen.â
Ein flĂŒchtiger Kuss streifte ihre Wange. Sie schaukelte weiter, schneller, hoffte, die Kufen wĂŒrden sich vom Boden lösen und sie zum Fenster hinaustragen. Es stand offen. FrĂŒhlingssonne blinzelte herein und warf Streifen auf den Boden.
âMein Engelâ, flĂŒsterte eine Stimme hinter ihr. âLass Papi mitreitenâ.
Das Schaukelpferd blieb stehen, als ob es gegen eine Wand geprallt wÀre. Es neigte sich kurz nach hinten und schon saà er mit ihr darauf.
âHoâ, rief er, âHo, wir reiten gegen Westen und schieĂen die Indianer tot.â
Er schlang seine Arme um sie und versetzte dem Pferd einen heftigen StoĂ. Sie ritten, schnell und heftig. Holz kratzte mit leisem Winseln ĂŒber Holz. Er schwitzte. Ihr war ganz kalt.
Vögel zwitscherten in der Weide gegenĂŒber, eine Fliege flog summend durch das Fenster, drehte ein, zwei Runden und setzte sich auf ihr Bett. Sie hörte Kinderlachen heraufschallen. Max, Toni und Rebekka spielten bestimmt wieder Himmel und Hölle. Ein Stein klackerte ĂŒber das Pflaster gefolgt von scharrenden FĂŒĂen. Rebekka kicherte, Toni fluchte. Er war wohl in der Hölle gelandet.
Sie blickte auf ihren rosafarbenen Schulranzen mit dem Einhorn darauf. Es schwang seine Hufen in die Luft und starrte sie traurig an. Sie musste noch Hausaufgaben machen. Rechnen. Sie hasste rechnen. Die Zahlen wollten ihr nicht gehorchen. Viel lieber wĂ€re sie jetzt drauĂen. Mit Rebekka. Sie mochte Rebekka. Gestern hatte sie ihre SĂŒĂigkeiten mit ihr geteilt.
âPapi hat dich ganz doll liebâ, hauchte er und strich durch ihr Haar.
Wo Mami bleibt? Sie wollte doch nur Zucker holen. Ilse war komisch. StĂ€ndig musste sie Geschichten erzĂ€hlen. Von den Nachbarn, vom BĂ€cker, vom Kassierer im Supermarkt. Ăber alle wusste sie etwas. Bestimmt sprach sie mit ihrer Mutter wieder ĂŒber Frau Bornholm. Das Luder. Trieb es mit jedem. Was ist ein Luder, hatte sie Mami gefragt. ZunĂ€chst wollte sie nicht antworten, druckste herum. SchlieĂlich hatte sie gemurmelt: Eine böse Frau, die alle MĂ€nner an sich heranlĂ€sst. Mehr wollte sie nicht sagen.
Ihr wurde noch kÀlter. Böse. Sie schluchzte leise.
âIst ja gut, mein Engel. Alles ist gut.â Er kĂŒsste sie auf den Scheitel und stieg vom Pferd herab. Er nahm ihr Kinn in die Hand und schaute sie an. âDas ist ein Spiel. Unser Spiel. Wir töten die Indianer und Mami soll davon nichts wissen.â Seine Finger bohrten sich in ihre Haut. Es tat weh. Sie nickte.
âMein braver Engelâ. Er kĂŒsste sie auf den Mund.
Plötzlich hasste sie das Schaukelpferd. Hasste den roten Holzsattel, das Quietschen der Kufen, den struppigen Schwanz. Sie wĂŒrde es nie wieder anfassen.
âBin wieder da. Ilse musste mir auf die Schnelle wieder das Neueste von der Bornholm erzĂ€hlen.â LĂ€chelnd fasste er Mami um die Taille und drehte sie einmal im Kreis herum. Dann kĂŒsste er sie.
âDu warst nur zehn Minuten weg und schon habe ich dich vermisst.â
Letzte Aktualisierung: 27.03.2008 - 10.56 Uhr Dieser Text enthält 3278 Zeichen.