Futter für die Bestie
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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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März 2008
Die Dachrinne
von Regina Lange

„Willst du heute wieder in den Garten?“, fragte Irene ihren Mann Walter während sie den Frühstückstisch abräumte.
„Ich denke ja!“
„Was hast du denn heute vor? Den Rasen kannst du ja wohl noch nicht mähen?“ Irene öffnete die Spülmaschine und verstaute das Geschirr.
„Natürlich nicht!
„Ich meine ja nur!“
„Warum fragst du denn so dumm?“
Irene drehte sich zu ihrem Mann um und schaute ihm direkt in die Augen.
„Ich möchte einfach nicht, dass du dir zu viel zu mutest. Du bist schließlich nicht mehr der Jüngste!“
Walter verdrehte die Augen. Immer wieder musste er sich die Ermahnungen seiner Frau anhören. Seit dem er Rentner war, verfolgte sie ihm auf Schritt und Tritt. Er sollte sich körperlich nicht zu viel zumuten. Was wollte sie überhaupt? Er fühlte sich gut. Seine kleinen körperlichen Gebrechen waren normal für sein Alter. Mit der Gartenarbeit wollte er sich eben fit halten.
Walter verließ stumm die Küche und Irene folgte ihm.
„Du hast mir noch nicht geantwortet!“
„Irene, meinst du nicht, dass ich selber entscheiden kann, was ich kann und was ich nicht mehr kann?“
„Wie du meinst!“, sagte Irene eingeschnappt und ging in die Küche zurück. „Ich meine es ja nur gut mit dir!“
„Ja, ja!“
Walter verließ das Haus und ging in die Garage. Sein Blick fiel auf die Leiter an der Wand.
Die Dachrinne, dachte er. Ja, die müsste dringend gereinigt werden.
Im Herbst hatte er es nicht mehr geschafft. Irene hatte ausgerechnet im Oktober darauf bestanden, drei Wochen Urlaub auf Mallorca zu verbringen. Dann dieser ewige Regen im Herbst.
Heute schien die Sonne. Ein idealer Tag. Die Dachrinne war bestimmt voller Dreck.
Walter hob die Leiter von der Halterung an der Wand und trug sie zur Vorderfront seines Hauses.

Irene hatte natürlich schon längst bemerkt, dass Walter wieder schwierige Aufgaben alleine meistern wollte. Das behagte ihr überhaupt nicht.
„Würdest du kommen, Willi? Ja? Das wäre nett. Nein. Nein. Keine Sorge. Walter ist das schon recht. Bis gleich!“
Irene legte den Telefonhörer auf die Gabel. Walter mit seinem sturen Kopf! Wozu hat man denn Freunde! Willi war Dachdecker und könnte ihm behilflich sein. Walter konnte es allerdings nicht leiden, wenn sie hinter seinem Rücken Hilfe für ihn orderte. Egal. Lieber eine eingeschnappte Leberwurst als einen Krüppel zuhause. Zufrieden ging sie wieder ihrer Hausarbeit nach.

Walter stellte unterdessen die Leiter gegen die Hauswand und prüfte fachmännisch die Standfestigkeit. Er nickte zufrieden und zog sich seine Arbeitshandschuhe an. Den Eimer, den er zuvor aus der Garage geholte hatte, hängte er sich um das Handgelenk und begann die Leiter zu erklimmen. Oben auf der Leiter hielt er inne und schaute in die Dachrinne. Genau wie er es geahnt hatte. Voll mit Blättern, Moos und noch irgendwelches Zeug. Er wühlte sich Zentimeter um Zentimeter in der Dachrinne vor und füllte seinen Eimer mit stinkenden, halb verrotteten Blättern. Plötzlich verspürte er eine wohlige Wärme. Die Märzsonne hatte schon ziemlich viel Kraft und die Sonnenstrahlen wärmten seinen Rücken angenehm. Walter unterbrach seine Arbeit, holte tief Luft und genoss die Sonnenstrahlen. Endlich konnte er wieder etwas tun.
„Na, auch fleißig heute?“, rief Walters Nachbar aus dem Vorgarten zum ihm rüber.
„Ja!“, entgegnete Walter kurz. Er mochte seinen Nachbarn nicht, der nur immer so tat als würde er arbeiten. Meistens stand er im Vorgarten herum und beobachtete die Leute.
„Ist ja auch das ideale Wetter dafür!“
„Wofür?“, fragte Walter und stieg die Leiter runter.
„Na, die Dachrinne sauber zu machen!“, antwortete der Nachbar.
Walter nickte nur und verschwand, um den Eimer mit verrottetem Blattzeug auf dem Komposthaufen zu entleeren.
Walter wischte sich mit dem Ärmel seiner Jacke den Schweiß von der Stirn und betrachtete die Dachrinne.
„Ganz schön anstrengend, nicht war? Na, ja wir sind ja auch nicht mehr die Jüngsten!“, hörte Walter seinen Nachbarn rufen.
Das hatte Walter gerade noch gefehlt, dass noch jemand ihn an sein Alter erinnerte. Reichte schon, wenn Irene es täglich tat.
„Ich schaff’ das noch alles ganz gut!“, sagte Walter ärgerlich, griff nach seinem Eimer und stieg wieder hinauf. Er streckte sich gewagt nach rechts, um noch einige Blätter mehr aus der Dachrinne zu fischen. Die Leiter kippelte bedrohlich. Er versuchte sich krampfhaft an der Dachrinne festzuhalten, um ein seitliches Wegrutschen der Leiter zu verhindern.
„Scheiße“, schrie Walter. Der mühselig gefüllte Eimer rutschte von der Leiter und fiel wie ein Stein gen Erdboden. Die Leiter schaukelte und er versuchte angestrengt die Leiter ins Gleichgewicht zu bekommen. Er ächzte und stöhnte. Seine Hände schmerzten bereits. Er durfte nicht loslassen.
Wo war denn der Nachbar? Eben stand er doch noch im Vorgarten rum!
„Hey, Hilfe!“ Walters Kräfte verließen ihn allmählich und er sah sich bereits am Erdboden liegen.

Willi kam gerade um die Straßenecke, als der Krankenwagen Walters Einfahrt verließ.
„Was ist denn bei euch los?“, fragte Willi mit einem entsetzten Gesichtsausdruck.
„Irene!“, antwortete Walter noch außer Atem. Sein Leiterabenteuer steckte ihm noch in den Knochen. Wie ein Wunder war die Leiter zum Stillstand gekommen und er konnte gefahrlos die Leiter hinabsteigen. Nur Irene hatte nicht so viel Glück.
„Ihr Herz?“
„Nein. Vermutlich Oberschenkelhalsbruch! Ist beim Gardinenaufhängen passiert. Die Trittleiter…“
Walter starrte kopfschüttelnd dem Krankenwagen hinterher.
„…warum hat sie nicht auf mich gewartet? Sobald ich mit der Dachrinne fertig gewesen wäre, hätte ich ihr doch helfen können! Was machst du überhaupt hier, Willi?“
„Irene hat mich angerufen.“
„Wann? Wieso?“
„Vor gut zehn Minuten. Ich sollte dir helfen!“

Letzte Aktualisierung: 19.03.2008 - 19.42 Uhr
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