Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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April 2008
Antwort
von Kathi Schmid-Siegel

„Martin Terzer, wer ist da?“
Alex beugte sich näher zur Gegensprechanlage. „Hier ist Alex Müllner! Ich müsste mit Ihnen sprechen!“
„Tut mir Leid, aber ich kenne niemanden mit diesem Namen!“
„Das können Sie auch nicht. Sie sind mir noch nie begegnet. Ich möchte mit Ihnen über Alice Felke reden. Ich bin ihre Freundin!“ Kurzes Schweigen.
„Kommen Sie hinauf! Dritter Stock.“
Ein lautes Surren. Die Tür sprang auf.

„Ich dachte Sie heißen ‚Alex‘“, begrüßte sie ein junger Mann. „Eigentlich Alexandra, aber jeder nennt mich Alex!“
Alex blieb vor der Tür stehen und musterte den Mann. Er sah – das musste sie neidlos anerkennen – nicht schlecht aus. Er war groß – sie schätzte ihn auf etwa 1.90 – hatte schwarze Haare und sprechende Augen. Jetzt stand er einfach nur da und schwieg. Er schien nicht zu wissen, was er tun sollte.
„Wollen Sie mich nicht hereinbitten?“, fragte Alex schließlich. „Ach ja! Kommen Sie nur rein!“
Alex trat in das winzige Vorzimmer einer typischen Studentenwohnung.
„Wohnen Sie hier allein?“
„Ja. Meine Eltern stiften die Hälfe, den Rest muss ich selbst finanzieren. Ich arbeite neben dem Studium in einem Cafe.“
„Ich weiß!“ Martin sah sie verwirrt an.
„Alice hat es mir erzählt.“
„Ach, ja. Ich hatte glatt vergessen. Sie sind ihre Freundin, haben Sie gesagt.“
„Ja, aber sagen Sie doch bitte du!“
„Gut!“ Sie schüttelten sich die Hände, wie zur Bekräftigung ihrer Bruderschaft.
„Also, setzen wir uns doch ins Wohnzimmer!“ Martin deutete in einen Nebenraum. Es war kein Wohnzimmer im eigentlichen Sinn, sondern eher eine Wohnecke. Das Zimmer hatte gerade einmal eine Größe von 8 Quadratmeter –so schätzte Alex - und die Hälfte der Fläche wurde von einem Arbeitplatz eingenommen. Der Rest bestand aus einer bequemen Sitzgruppe und einem großen Tisch. Jede noch freie Ecke, war zudem mit Regalen vollgepfercht und über dem Ganzen thronte in zwei Metern Höhe ein riesiges Doppelbett.
„Es tut mir Leid, dass es hier so aussieht, aber ich habe nicht mit Besuch gerechnet!“, erklärte Martin, während er hastig Zeitungen einsammelte und altes Geschirr zusammenstellte.
„Willst du zufällig einen Kaffee? Ich habe gerade einen gemacht!“, fragte er. „Gerne!“, antwortete Alex, nachdem sie sich gesetzt hatte. „Milch und Zucker?“ „Nur Milch!“
Martin verschwand in der Küche und kam kurz darauf mit zwei Bechern wieder. Einen – eine Tasse mit Mickey Mouse-Motiv – stellte er vor ihr ab und setzte sich dann auf einen Stuhl Alex gegenüber. Beide tranken schweigend. Es war Martin, der schließlich die Stille brach.
„Darf ich jetzt erfahren warum du hier bist?“
Alex nahm noch einen großen Schluck, dann stellte sie ihre Tasse ab. Sie ließ sich mit ihrer Antwort Zeit.
„Ich bin wegen Alice hier“, antwortete sie schließlich.
„Das hast du schon gesagt. Aber warum?“
„Weil ich ihr helfen will.“
„Helfen? Wie meinst du das? Ist ihr etwas passiert!“ Er wirkte aufgeregt.
„Das nicht.“ Alex fing an mit ihrer Tasse zu spielen. Sie zögerte. Martin sah sie fordernd an.
„Nun, es ist ihr nichts zugestoßen, aber … aber sie ist sehr … unglücklich.“
„Wieso?“, wollte Martin wissen.
„Nun, ja. Um ehrlich zu sein“, Alex fing an unruhig hin und her zurutschen, „wegen dir.“
„Wegen mir? Was habe ich denn getan? Doch nicht etwa immer noch wegen … Ich habe mich doch schon so oft entschuldigt. Sie kann doch nicht noch immer …“ Martin brach ab. Alex schüttelte energisch den Kopf.
„Du hast nichts getan und das ist es eben.“ Martin verstand kein Wort von dem, was sie ihm sagen wollte.
„Was soll das heißen?“
Alex druckste herum. Sie führte einen Kampf gegen sich selbst.
„Nun, Alice … sie, sie ist traurig weil du dich nicht meldest.“
„Weil ich mich nicht melde? Was soll das heißen?“
„Was ‚Was soll das heißen?‘? Das soll das heißen, was ich gesagt habe. Sie hat so lange auf eine Nachricht von dir gewartet, aber sie hat keine bekommen.“
„Weil ich ihr keine hab zukommen lassen.“
„Genau!“
„Was genau?“
„Du hast dich nicht gemeldet?“
„Ja und?“ Alex stöhnte auf. Wieso war er so begriffsstutzig?
„Verstehst du denn nicht? Alice mag dich. Sie würde dich gerne wieder sehen!“ Martin fing an zu lachen.
„Alice will mich wieder sehen? Das soll wohl ein blöder Scherz sein! Ich dachte, du bist ihre Freundin! Weißt du denn etwa nicht, was sie …“
„Ich weiß sehr wohl, was vorgefallen ist. Alice hat mir alles erzählt!“, unterbrach Alex ihn.
„Dann müsstest du doch wissen, dass das absoluter Blödsinn ist!“
„Nein!“ Martin sah sie an, wie das achte Weltwunder. Alex überlegte, wie sie es ihm am Besten erklären konnte.
„Wann hast du zum ersten Mal ein Mädchen geküsst?“, fragte sie.
Martin starrte sie nur noch ungläubiger an. „Was hat das nun damit zu tun?“
„Beantworte bitte die Frage!“
„Ich weiß zwar nicht, was es dich angeht, aber wenn es dich glücklich macht: das war in der dritten Klasse, also muss ich 13 oder 14 gewesen sein.“
„Eben!“
„Was eben? Kannst du dich nicht einmal klar ausdrücken?“
„Alice hat noch nicht!“
„Hat was noch nicht? Einen Jungen geküsst?“
„Ja!“
„Du verarscht mich!“
Alex schüttelte den Kopf.
„Es ist wahr!“
„Aber, aber sie hat gesagt, sie sei 19!“
„Sie ist 19. 1 Monat noch, um genau zu sein.“
„Sie ist 19 und hat noch nie einen Jungen geküsst? Das kann’s doch nicht geben!“
„Es ist so!“
„Wieso?“
Alex zögerte wieder. Sie hatte das Gefühl, ihre Freundin zu hintergehen, aber eigentlich wollte sie ihr nur helfen. Und wenn Alice zu feig war, musste sie es für sie tun.
„Alice ist extrem schüchtern!“
„Alice soll schüchtern sein? Sie ist doch genau das Gegenteil! Schließlich ist sie auf mich zugegangen und hat mich angesprochen!“
„Als sie auf dich zugegangen ist, hat sie dich noch nicht als eventuellen Partner gesehen. Sie ist schüchtern, vertrau mir! Ich kenne sie schon länger. Früher hätte ich es auch nie geglaubt. Sie ist immer die Erste, wenn es darum geht fremde Leute auf der Straße anzusprechen oder ein Referat vor der Klasse zu halten. Einmal hielt sie sogar – im Zuge eines Wettbewerbs - eine Rede im Parlament. Ich wäre gestorben vor Angst, aber ihr macht das nichts aus. Aber wenn es um Jungs geht, wird sie plötzlich zum Mäuschen!“ Martin zog die Augenbrauen hoch. „Glaub mir! Ich war einmal mit ihr und ihrem Cousin auf eine Feier. Ein junger Mann ist gekommen und wollte sie zum Tanz auffordern und Alice hat sich hinter ihrem Cousin versteckt. Das ist keine zwei Jahre her! Ein anderes Mal hat sie ein Mann angesprochen und sie ist davongelaufen bis zu ihren Eltern und hat ihren Mund nicht aufbekommen. Der Mann war schließlich der Meinung ihr Bruder wäre ihr Freund und sagte deshalb etwas wie ‚Ach, deshalb bist du so prüde!‘.“
Alex sah Martin an. Er sah aus, als wüsste er nicht ob er lachen sollte oder nicht. Schließlich entschied er sich dagegen.
„Das ist echt wahr?“
„Ja! Sie würde mich wahrscheinlich auch umbringen, wenn sie wüsste, was ich hier tue!“
„Und deshalb hat sie sich auch …?“
„Es wäre ihr erster Kuss gewesen. Es hatte nichts mit dir zu tun. Sie hatte Angst einen Fehler zu begehen. Für sie ist der erste Kuss etwas besonderes, das sie nicht an jemanden verschwenden will, den sie noch kaum kennt! Egal, wie ehr ihr der Junge gefällt. Sie ist misstrauisch, geht immer vom Schlimmsten aus.“
Martin sah Alex an. Er schien zu überlegen.
„Also hat sie gar nichts gegen mich?“
Alex atmete erleichtert durch. Endlich hatte er verstanden.
„Nein, ganz und gar nicht. Ich würde sogar sagen, sie mag dich.“
„Aber warum hat sie dann nicht versucht mit mir zu reden?“
„Wie denn? Du hast ihr keine Telefonnummer oder so gegeben!“
„Telefonbuch? Du hast meine Adresse doch auch herausgefunden!“
Jetzt fing Alex an zu lachen. „Alice schaut die Adresse eines Jungens - für den sie sich noch dazu interessiert - im Telefonbuch nach und ruft ihn dann einfach an? Nachdem dieser Junge auch noch Reißaus vor ihr genommen hat? Ich dachte du hättest es langsam verstanden!“
„Okay, okay, ist schon gut!“ Alex verstummte. Sie schwiegen sich an.
„Was soll ich deiner Meinung nach jetzt machen?“, fragte Martin nach einer Weile.
„Ruf sie an!“
„Und dann?“
„Was ‚Und dann?‘?“
„Was soll ich zu ihr sagen?“
„Sag ihr, dass es dir Leid tut, dass du sie so gedrängt hast und auch dass du dann einfach abgehaut bist. Frag sie, ob sie Lust hätte, dich zu treffen!“
„Und was wird sie antworten?“
Alex zuckte mit den Schultern. „Das kann ich dir nicht sagen. Ich bin nur Alices Freundin, nicht Alice.“

Letzte Aktualisierung: 31.03.2008 - 21.56 Uhr
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