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Mai 2008
Sturmfreie Bude
von Susanne Ruitenberg

Hiram zog die Tür auf. „Fertig?“
Hanna saß auf dem Bett, Haushaltsroboter Bonnie X2 faltete vierhändig Socken.
„Gleich. Die da kannst du mitnehmen.“
Hiram drückte auf sein Armband; die Koffer schwebten hinter ihm her. Während er sie im Helios verstaute, flog der vierte heran und stieß ihm in den Rücken. „Aua!“
Hanna stand kichernd in der Tür. „’Tschuldigung. Komm den Jungs Tschüss sagen.“
Sie fuhren mit dem Lift ins Dachgeschoss. Dennis und Ronnie saĂźen in der Cyberschool, es lief Angewandte Robotik. Hiram drĂĽckte die Pausentaste.
„Wir fahren. Und ihr hört auf Bonnie! Ich werde ihren Speicher kontrollieren.“
„Ja, Mama.“
„Der Kochfix ist bestückt. Aber ladet nicht andauernd Freunde ein.“
„Nein, Mama.“
„Und denkt an den Gartenrobo am Samstag!“
„Ja, Papa.“
Hanna und Hiram umarmten ihre Söhne. „Passt auf euch auf.“

Die Jungen sahen zu, wie der Helios losschwebte, beschleunigte und mit einem lila Blitz im Hyperraum verschwand.
„Zwei Wochen Urlaub von den Eltern, herrlich.“ Dennis tänzelte auf der Stelle. „Lass uns raus gehen.“
„Und die Schule?“
„Egal.“
An der Tür machten sie eine Vollbremsung. Da stand Bonnie, zwei Arme in die Seiten gestemmt. Mit den beiden anderen sperrte sie den Durchgang ab. Ihre Sichtsensoren funkelten rot. „Oh nein. Ihr seid nicht fertig. Ab in die Schule.“
„Menno.“ Sie stapften in die Kammer zurück.
„Ich rufe euch zum Essen. Vorher will ich nichts hören.“ Bonnie schaltete das Lernprogramm wieder ein.

Beim Essen stand Bonnie wie ein Butler bei Tisch.
„Warum hast du Spinat programmiert, bäh. Ich will Hamburger und Pommes.“ Dennis stocherte auf seinem Teller herum.
„Ihr müsst gesund essen. Wer das Gemüse nicht weg hat, bekommt kein Eis.“
„Spielverderberin.“
Nach dem Essen verschwanden sie nach drauĂźen.
Ronnie startete sein Solarbike und rief. „Das ist voll gemein! Lernprogramm bis zum Essen. Grünfutter.“
„Wenn sie so weitermacht, müssen wir uns was ausdenken.“
Sie vergnügten sich mit den anderen Kindern im Bikepark. Punkt Neunzehnhundert hielten die Bikes an, Bonnies Gesicht erschien auf den Displays. „Schluss für heute. Abendessen.“ Automatisch bewegten sich die Bikes Richtung Edisonstraße. Die Jungen konnten kaum ihren Freunden ein „Tschüss“ zurufen.

„Vollkornbrot und Salat. Das nennst du Abendessen? Das ist ja schlimmer wie bei Mama“, maulte Ronnie.
„Als bei Mama“, korrigierte Bonnie.
„Meinetwegen. Aber deshalb sind wir keine Kaninchen.“
„Ihr braucht Vitamine. Ende der Diskussion.“
Nach dem Essen verzogen sich die Jungen ins Dachgeschoss und legten ein Spiel in die Gamebox. Punkt Einundzwanzighundert schaltete sich die Box ab. Bonnie öffnete die Tür.
„Ab ins Bad und ins Bett.“
„Das kann nicht dein Ernst sein, wir haben beinahe die Highscore geknackt.“
„Ist mir egal, Dennis. Es ist Schlafenszeit.“
Dennis warf den Joystick gegen die Wand und trottete mit einem gemurmelten „Blöde Blechbüchse“ hinter dem Roboter her.

Zehn Minuten später krochen sie in die Betten.
„Was wollt ihr sehen?“
„Schatzplanet.“
„Gut, aber nur dreißig Minuten.“ Bonnie stellte die Automatik ein. „Gute Nacht.“ Sie schloss die Tür.
„Das sollen wir zwei Wochen aushalten? Nicht mit mir.“
„Ich habe eine Idee, Ronnie. Wir schalten sie ab!“
„Wie denn?“
„Ich bau die Zimmerfernbedienung um und aktiviere ihre Notabschaltung.“
„Kannst du das?“
„Ja.“ Er sprang aus dem Bett. „Zum Glück ist der Bastelkoffer hier. Wir würden nie an Miss Bond vorbei zum Dach kommen.“ Er schraubte das Kästchen auf.
„Pst,“ sagte Ronnie, „ich höre Schritte.“
„Mist, Bonnie. Schnell weg!“
Sie sprangen in die Betten, Dennis schaltete das Licht aus. Keine Sekunde zu früh. Bonnie öffnete die Tür und sah hinein. Dennis kniff die Augen zu. Hoffentlich merkte sie nichts. Ronnie hatte die Decke über den Kopf gezogen.
Nach kurzer Zeit entfernte sich der Roboter. Die Jungen schlĂĽpften aus dem Bett und setzten ihre Arbeit fort.

Zum Frühstück gab es Müsli mit Obst. Die Jungs begannen zu löffeln, als wären sie ausgehungert. Dennis zwinkerte seinem Bruder zu.
Ronnie hielt seine Schale hoch wie Oliver Twist im Film. „Kann ich mehr Leinsamen haben, bitte?“
„Natürlich.“ Bonnie drehte sich zum Schrank.
Blitzschnell zog Dennis die Fernbedienung aus seiner Tasche und drĂĽckte auf den roten Knopf.
„Stromabfall, Warnung S t r o m a b f-f-...“, schnarrte Bonnie. Dann stand sie still.
Die Jungen sprangen auf. „Und jetzt?“
„In den Putzschrank.“ Sie bekamen den Roboter kaum vom Fleck. „Wir müssen ein Handtuch unterlegen. Ich kippe sie. Ronnie, du schiebst es unter ihre Füße.“ Sie bugsierten das Gerät in den Einbauschrank.
Dennis schloss die Tür ab. „Freiheit, wir kommen.“ Zehn Minuten später waren sie im Bikepark.
Sie rasten über den Hindernisparcours. Nach der fünften Runde hielt Ronnie an. „Dennis, das ist langweilig ohne die anderen.“
„Die sind in der Schule.“
„Lass uns heim gehen. Ich habe Hunger.“
Zuhause angekommen, warfen sie ihre Bikes hin und stĂĽrmten in die KĂĽche.
Dennis stand vor dem Kochfix, der eine ganze Wand einnahm. „Mussten die jetzt das neue Modell bestellen, beim alten kannte ich mich aus. Weißt du, wie der geht?“
„Nö. Drück mal aufs Display.“ Ein Menü erschien. „Wow, ein Extrakapitel ‚Fast Food’.“ Ronnie tippte den Screen an. „Hamburger mit Pommes, na bitte. Du auch?“
Dennis nickte.
„Wie viele?“
„Zwei. Rotweiß.“
„OK.“ Ronnie tippte Menüpunkte und drückte auf Start.
Das Gerät blinkte. Dampf brodelte, Fett zischte, die Küche füllte sich mit dem Duft von Grillfleisch.

„Ihre ersten zwei Teller sind fertig.“
„Wieso die ersten?“ Ronnie nahm sie heraus. Sie fielen über das Essen her.
„Zwei Teller sind fertig“, meldete das Gerät.
„Ronnie, wie viele hast du eingestellt?“
„Zwei. Dachte ich.“ Er nahm das Essen aus der Ausgabe.
„Zwei Teller sind fertig.“
„Neiiin, wer soll das alles essen?“
„Zwei Teller sind fertig.“
Dennis nahm sein Mobiltelefon und schrieb eine SMS.
„Ich sag’ Tom, Eric und Nico Bescheid, ist sowieso Mittagszeit.“
„Zwei Teller sind fertig.“ Ronnie reihte alles auf der Anrichte auf.
Es klingelte.
„Was ist denn hier los? Oh lecker.“ Nico nahm sich einen Teller, trug ihn ins Wohnzimmer und warf sich aufs Sofa. „Mal sehen was es im TV gibt.“ Die anderen folgten.
Dennis sah ihnen hinterher. „Passt auf, dass ihr keine Flecken ...“
„Ups!“, rief Nico.
BestĂĽrzt sah Dennis auf den groĂźen Ketchupklecks, der am Sofakissen hinabrann.
„Die Dinger gehen in den Waschfix.“ Nico tupfte das Gröbste vom cremefarbenen Stoff, was den Fleck vergrößerte; und ließ dabei Mayonnaise auf das nächste Kissen fallen.
„Zwei Teller sind fertig.“
„Hört das denn nie auf?“ Ronnie hämmerte auf dem Gerät herum.
„Du musst doch nur auf ‚Escape’ drücken.“ Tom sprang auf und rannte in die Küche. „Hier.“
„Error. Programmunterbrechung an unzulässiger Stelle. Error.“
„He, was soll das? Bei unserem funzt es“, rief Tom. „Der muss einen Programmierungsfehler haben.“
Das Gerät gab einen Pfeifton von sich. Dann flog die Serviceklappe auf und Pommes schossen daraus hervor wie Bonbons aus der Fastnachtskanone.
„Hilfe!“ Ronnie duckte sich.
Als hätte das Gerät einen Kotzanfall, purzelten halbgare und unvollständig zusammengesetzte Hamburger heraus.
Ronnie heulte los. „Es ist alles meine Schuld!“
„Das bringen wir in Ordnung. Hier.“ Dennis reichte seinem Bruder ein Taschentuch. „Schau, der Pommesregen hat aufgehört.“
Als alle gegessen hatten, räumten sie das Geschirr in den Geschirrspüler und warfen die Essensreste in den Müllschlucker. Eric und Ronnie fegten die Küche.
„Jetzt die Sofakissen.“ Dennis und Nico trugen sie in die Waschküche. Dennis stopfte sie in den Waschfix.
Nico reichte ihm die Waschlotion.
Dennis studierte das Etikett. „Wie viel soll ich nehmen?“
„Die vertragen einen guten Schluck.“
Dennis goss ein Viertel der Flasche hinein und drĂĽckte auf das Waschprogramm. Sie rasten nach oben.
„Auf die Bikes!“
Bis zum Abend tobten sie auf dem Parcours. Nach und nach wurden die Kinder nach Hause gerufen. Dennis und Ronnie blieben bis Einundzwanzighundert.

Als sie die Haustür öffneten, hörten sie einen Pfeifton aus dem Keller.
„Oh-oh!“ Dennis sprang die Treppe hinunter und riss die Waschküchentür auf. „Oh nein!“ Entsetzt sah er auf zehn Zentimeter Schaumwasser zu seinen Füßen. „Ronnie!“
Sein Bruder machte eine Vollbremsung in der Tür. „Ups.“
„Schwätz nicht, schnapp dir einen Lappen.“
Die nächste Stunde legten sie den Boden trocken.
„Ist der Waschfix kaputt?“
„Weiß nicht, vielleicht habe ich zuviel Zeug genommen.“ Dennis öffnete die Tür der Maschine. Er zog ein Kissen heraus. „Wie sieht das denn aus?“
Es war halb so groĂź wie vorher, verschrumpelt, die FĂĽllung klumpig.
Ronnie fischte die anderen heraus. „Mama wird nicht begeistert sein.“
„Wir müssen die verschwinden lassen und neue besorgen. Ich bestelle sie aus dem Onlinekatalog.“
„Wie willst du das bezahlen?“
„Mit der Karte.“
„Aber du hast keinen Code.“
„Doch, hab ich geknackt. Für Notfälle. Das hier ist einer.“
„Du bist verrückt, wenn die das rausbekommen!“
„Werden sie nicht.“

Am nächsten Morgen standen sie vor dem Kochfix. Alle Versuche, ein Frühstück zu programmieren, scheiterten.
„Das ist blöd. Außer Obst und Getränken haben wir nichts. Wir könnten am Kiosk Sandwichs kaufen. Aber zwei Wochen lang?“ Dennis kratzte sich am Kopf. „Es war keine gute Idee, Bonnie abzuschalten“, gab er kleinlaut zu.
„Wir sollten sie wieder einschalten. Aber dann verpfeift sie uns.“
„Ich fälsche ihren Speicher.“

Zwei Wochen später kamen ihre Eltern gut erholt zurück. Nachdem sie das Gepäck ins Haus befördert hatten, schalteten sie Bonnie auf Standby und steckten den Hauptspeicher in einen Viewer. Hanna machte Stichproben. Sie sah ihre Jungen beim Essen – Gemüse und Müsli – bei den Schulaufgaben, beim Spielen, schlafend. Erwartungsvoll standen Dennis und Ronnie neben ihr.
„Das sieht ja alles ganz gut aus“, begann sie. Dennis spürte, wie sich Erleichterung von der Körpermitte ausbreitete.
„Aber eine Frage habe ich.“ Sie starrte Dennis an. Ihr Ton verhieß nichts Gutes. Er schluckte.
Hanna verschränkte die Arme. „Erklärt mir bitte, warum habt ihr die ganze Zeit die gleichen Sachen an?“

Letzte Aktualisierung: 27.05.2008 - 11.55 Uhr
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