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Juni 2008
Tsifteteli
von Ann Nissuth

„And now: Greek belly dance, Tsifteteli!“ Unschlüssig stehe ich in der Tür der sogenannten Diskothek. Nur wenige Touristinnen haben sich hierher verirrt, dazu ein paar Einheimische. Es ist nicht wirklich was los. Doch bereits die ersten Klänge der Musik treffen meinen Bauch. Und mit einem Mal ist es kochend heiß auf der kleinen Tanzfläche .Dem Rhythmus vollständig hingegeben tanzt ER. Ein Grieche, klassisch schön. Er tanzt nur für sich. Um sich herum scheint er nichts wahrzunehmen. Fasziniert betrachte ich die Einheit von Körper, Seele und Musik. Ein paar hingelachte griechische Sätze des DJ über Mikro und plötzlich tanzt er, gleichfalls lachend, auf mich zu. Ich schrecke zusammen. Bin ich auch so dagestanden wie meine Nachbarin, mit geilem Blick und Sabbermund? Da kniet er sich vor mich hin. Seine Hände über dem Kopf zusammenklatschend, bittet er mich zum Tanz. Und ich – ich kann nicht anders, wiege mich schon ihm entgegen, biege mich um ihn herum, fordere ihn mit allen Fasern meines Körpers zu mir hoch. Er umfasst meine Hüften Der DJ schnalzt mit der Zunge. Wir tanzen. Und irgendwann ist da ein kleines Zimmer und er tanzt in mir. Es ist der vollkommene Rhythmus. Gemeinsam tanzen wir den langen Pfad der Lust bis zum Gipfel empor.
„Lameyplatz“. Nur kurz öffne ich die bleischweren Lider.
Drei Wochen tanzten wir in perfektem Einklang. „Bleib bei mir, agapimou“, raunte er mir mit seinem wundervollen Akzent ins Ohr, als mein Rückflug bevorstand – und ich blieb. Ob ich ihn liebte, weiß ich nicht. Aber ich genoss ihn und wollte mit niemand anderem zusammen sein.
„Er hat dich verhext. Pass auf dich auf. Er scheint mir ein leichtlebiger Mensch“, schrieb meine Freundin besorgt. Und ich lachte. Denn was mich verzaubert hatte, war nachgerade die Intensität, mit der er sich im Leben bewegte. So wie er tanzte, liebte er mich.
Dann kam die Nacht, in der ich vergebens auf ihn wartete. Ich suchte die ganze Insel nach ihm ab und fand ihn schließlich volltrunken am Strand. „Was ist los?“ fragte ich. Da stieß er mich weg. Und als er zwei Nächte später bei mir war, wütete er in mir wie besessen. Kampf statt Tanz. „Rede mit mir“, bat ich inständig. Sein starrer Blick landete im Nirgendwo und er schwieg. Verletzt reiste ich schließlich ab.
„Europaplatz.“ Noch zwei Stationen, dann werde ich ihn wiedersehen. In meiner Manteltasche knistert sein Brief. Aus dem Fenster zu schauen wage ich nicht.
„Marktplatz.“ Hier muss ich raus.
Mit weichen Knien gehe ich zur Pyramide zurück. Schon von Weitem sehe ich ihn dastehen, die Hände tief in den Taschen vergraben. Schmal ist er geworden im letzten Jahr, mein schöner stolzer Götterbote. Unsicher lächelnd kommt er auf mich zu. „Hanna!“ Seine Hände ruhen auf meinen Schultern, seine Stirn an meiner Stirn. Ich halte das nicht aus. „Komm“, würge ich hervor. Im Laufschritt eile ich voraus in den Park und suche Halt an einem Baum. Er atmet heftig. Dann bricht es aus ihm heraus: „Ich habe dich geliebt, Hanna. Aber an dem Abend…“ Dieser geliebte Akzent. Ich schließe die Augen. „Ich hatte früher Feierabend. Und als ich an unserer Diskothek vorbeigekommen bin, da spielten sie wieder den Tsifteteli. Es waren ganz viele Leute da. Und mittendrin war Angelos. Du weißt, der Reiseführer. Ich wollte nie mit einem Mann, Hanna… Du weißt, wie das ist bei uns in Griechenland. Er hat getanzt. Und dann ist er zu mir gekommen. Ich wollte weg. Aber ich hab nicht gekonnt. Wie ein kouneli, ein Kaninchen, Hanna. Und dann hat er hinter mir Schlange getanzt, und er hat mich so angefasst… Und dann am Strand… San methismenos, wie im Rausch…“ Ich schaue ihn an. Er wendet sich kurz ab. „Es tut mir leid, Hanna.“ Als er mich wieder anblickt, flackert in seinen Augen die Angst. Ich hole tief Luft. „Mein Test, Hermes, sie haben es mir vorhin gesagt: Er war negativ.“

Letzte Aktualisierung: 20.06.2008 - 19.42 Uhr
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