Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
In diesem Buch präsentiert sich die erfahrene Dortmunder Autorinnengruppe Undpunkt mit kleinen gemeinen und bitterbösen Geschichten.
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Juli 2008
Abschied
von Ann Nissuth

„Bin gleich zurück. Bleib du am besten sitzen. Und mach nicht so ein Gesicht, Feli.“ Er bohrt mir seine Zunge in den Mund und wechselt dann die Straßenseite. Die Nacht ist sommerlich lau. Trotzdem ist nichts los. Und ich sitze brav in seinem alten MB und warte auf Henry.

Über den Weg gelaufen war er mir am Aschermittwoch in der Mensa. Um ein Haar wäre sein Matjes in meinem Ausschnitt gelandet. Das nahm er zum Anlass, den Beinah-Unfallort gründlich zu inspizieren und mich für den Samstagnachmittag ins Teehaus einzuladen. Ich meinerseits registrierte schnell, dass er sportlich und schlicht gut aussah. Vierunddreißig war ich jüngst geworden, hatte meine Stellung als Sekretärin und Verlobte eines Immobilienmaklers gerade gekündigt und mich fürs Erste als Gasthörerin für Kunstgeschichte eingeschrieben. „Nimm dich vor dem in Acht“, warnte mein bester Freund Rolo. „Der ist nur an der Uni, weil er auf die Tour prima an junge Frauen rankommt.“ Ich aber hörte nicht auf ihn und folgte dankbar der Einladung von Lutz Heinrich, zehn Jahre älter als ich selbst und begehrtester Dozent für Geografie, wie Rolo zuverlässig gemeldet hatte. Mein Seelchen fühlte sich gebauchpinselt, nur Stunden später folgte ihm real der Körper. Mit beiden wusste er höchst geschickt umzugehen. So war es nicht weiter verwunderlich, dass er sich in Kürze nicht nur in meiner Gefühlswelt, sondern auch in meiner Wohnung häuslich eingerichtet hatte. Meist tauchte er spätabends mit irgendeiner Leckerei auf – heute waren es frische Erdbeeren und eine Flasche Schampus – strahlte mich an, schnappte sich alsdann die Fernbedienung vom TV und anschließend mich. Die Flecken, die ich nach einem Besuch bei meiner Mutter frisch auf meiner Schlafcouch vorfand, erklärte er mit seinem starken Bedürfnis nach mir. Misstrauisch wurde ich, als er zunächst eine bis dahin unbenutzte Packung a-gen „entsorgte“ („Die waren abgelaufen!“) und tags darauf lange blonde Haare in seinem Jackett klebten. „Nun tu mal nicht so, als wären wir verheiratet“, bemerkte er vorwurfsvoll. „Davon abgesehen, hast du eine ganz schön schmutzige Fantasie. Und jetzt schau mal, dass die schön schmutzig bleibt und nicht lästig wird“. Derweil wachte er sorgfältig darüber, dass ich mich nicht ohne ihn amüsierte. „Warum lässt du dir das gefallen?“ fragte besorgt meine Freundin Renate, als wir gemeinsam die Toilette aufsuchten, um in Ruhe reden zu können. Aber auch sie wickelte er regelmäßig mit seinem unverfrorenen Charme ein.

Was die gute Renate sagen würde, wenn sie mich jetzt sehen könnte, ist mir allerdings recht klar: „Du spinnst wohl, ewig auf den Typ zu warten! Was denkst du wohl, was der mit dieser Lisa grade macht?“ Da will ich gar nicht dran denken. Wie hat er doch vorhin so schön gemeint, als er nicht mehr umhin konnte, eine „etwas nähere Bekanntschaft“ mit ihr einzuräumen: „In Handarbeit ist sie zwar ganz gut; aber das ist noch lange kein Grund zur Eifersucht.“ Vorhin, wann war das überhaupt? Herrjeh! Eine satte Stunde dämmere ich hier mittlerweile vor mich hin in der Hoffnung, dass dieser Heinrich bald die Bude seiner Schwedenbraut verlässt.
„Okay“, hatte er nach einer scheinbar endlosen Debatte zum Thema „Ehrlichkeit in einer Beziehung“ gemeint, „dann fahre ich jetzt ein letztes Mal zu ihr und verabschiede mich aus der Sache. Und du kommst mit. Zieh dir was Schickes an.“ Ich hatte keine Ahnung, was das sollte, schlüpfte jedoch gehorsam in Etuikleid und Pumps. Lisa, das wusste ich von Rolo, kam aus Malmö, war dralle zwei mal zehn Jahre jünger als Henry und trug am liebsten Shorts.
Den Schlüssel hat er stecken lassen. Warum kralle ich mir nicht einfach seine Karre und fahre fort? Und was zum Kuckuck mache ich, wenn er jetzt wiederkommt?
Er gibt mir noch eine halbe Stunde Zeit zum Grübeln bevor er, falsch zugeknöpft, neben dem MB erscheint. „Du Armer, komm ich chauffier dich“, strahle ich ihn an und rutsche hinters Lenkrad. Er zögert kurz. „Du bist doch sicher erst einmal gemolken.“ Sein etwas ungläubiger Blick weicht einem schlappen Grinsen und er turnt auf die andere Seite. Fürsorglich warte ich bis er angegurtet ist, dann brause ich los. Ich schlage den Weg zum Fluss ein „Wo willst du hin?“ bricht er mit einem Mal sein Schweigen. „Überraschung“, flöte ich. „Die hast du dir jetzt echt verdient.“ „Was hast du vor, Feli? Ehrlich, das war eben anstrengend. Ich bin ein bisschen müde.“ Das kann ich mir vorstellen“, entgegne ich voll Mitgefühl. Dann lache ich verführerisch: „Aber nicht mehr lange, Schätzchen, das versprech ich dir.“ An unserer geheimen Stelle halte ich an. Unten im Wasser schimmert romantisch der Mond.

„Feli, ich …“ Zärtlich reibe ich ihm über den Schritt. „Komm, Henry, hilf mir“, flüstere ich heiser, und tatsächlich entlässt er sein Prachtstück nach nur kurzem Zögern ins Freie. „Ja hallo!“ Erregt streife ich meinen Slip herunter. „Ich schlage vor, Herr Dozent entledigen sich der Hose und begeben sich schon mal auf die Rückbank.“ Sein Unterleib reagiert mit Freude, und so klettert der ganze Heinrich ohne Murren und Beinkleid nach hinten. Ich öffne das Handschuhfach, hole das Bondagetuch heraus und krabbele zu ihm. Er grapscht nach mir. „Was hast du vor?“ „Intensiv sollst du genießen“, lache ich rau. Darauf lässt er sich willig die Augen verbinden. Als ich mich wieder vorbeuge, tasten seine Hände über mein Hinterteil. „Mhm, Leder“, schwärme ich. „Feli?“ „Heinrich“, sage ich mit plötzlicher Strenge „auch wenn die Sache jetzt ein Ende hat, ich finde, du hast Strafe verdient.“
Mit einem herzhaften Klaps dirigiere ich ihn aus dem MB und zerre ihn zu unserem Baum. Ein Blick nach unten verrät mir, dass er wieder ins Sinnieren kommt. Ich fahre ihm mit den Fesseln kurz zwischen die Schenkel. „Riech mal, Heinrich!“ Er schnüffelt und wird wieder munter. Schnell binde ich ihn an zwei dicken Ästen fest. Da steht er nun in seiner ganzen Pracht. Genüsslich ziehe ich meine Nägel von seiner Brust abwärts. Sein Atem geht heftiger. Einen winzigen Moment habe ich das brennende Verlangen, ihn auszusaugen. Aber womöglich klebt noch Schwedenmilch an ihm. „Mist!“ „Was ist los?“ „ Jetzt hab ich was Entscheidendes vergessen“, sage ich bedauernd. „ Keine Mätzchen, Heinrich. Bin gleich zurück. Du kannst dir deine Strafe ja schon mal im Detail ausmalen.“
Noch einmal werfe ich einen Blick auf seinen wundervollen Schwengel. „Der Typ ist komplett schwanzgesteuert“, hatte Renate auf der Toilette befunden. „Wenn er so ist wie sein bestes Stück, dann ist er stark und einfühlsam zugleich“, war damals meine Antwort. Ob das Saugen jetzt die Stechmücken übernehmen?
Sein erwartungsfrohes „Wenn du beim Weibe bist, lass ihm die Peitsche nicht!“ im Ohr, schlendere ich den Hang hinunter zum MB. „Armer Strichacht! Dich hat er genauso lieblos behandelt wie mich. Das H („Wie Henry. Cool oder?“) für dich zu erlangen, war ihm denn doch zu viel Aufwand. Vielleicht wirst du brave Rostlaube ja jetzt noch berühmt“. Ich schalte in den Leerlauf und löse die Handbremse Dann klemme ich Tasche, Pumps und meine Beine unter den Arm. Nur nicht zurück schauen.

Nach einem olympiareifen 1000-m-Sprint erwische ich gerade noch rechtzeitig den letzten Bus. „Hallo Rolo“, spreche ich dem Freund auf die Mailbox, als ich wieder durchschnaufen kann. „Bitte ruf die Nummer an, die ich dir gleich durchgebe. Sag der Frau, dass du ein Freund von Henry bist und er sie sehnsüchtig beim Seufzer-Wäldchen am Fluss erwartet. Ich erzähl dir alles in einer halben Stunde bei mir. Es gibt Erdbeeren und Schampus.“

Letzte Aktualisierung: 16.07.2008 - 16.20 Uhr
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