Bitte lächeln!
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August 2008
Anfänge
von Katharina Joanowitsch

Es klingelt Sturm. Als ich die Treppen herunter stürze und die Tür öffne, blicke ich in triefenden Regen.
„Ühümm!“
Ein Hüsteln aus Kniehöhe. Mit einer Pfote am Rahmen, die andere in die Seite gestemmt, steht da eine Katze, neben sich ein Köfferchen.
„9. November, 15 Uhr, Heckenweg 23, oberste Klingel, Mückenburg. Samanta Osman. Pünktlich, wie bestellt!“
„Wie – was...?“ stottere ich.
„Eine scheußlich zugige Ecke,“ bemerkt die Katze geziert. Mit Schwung wirft sie sich den heruntergerutschten Schal um den Hals und mir einen auffordernden Blick zu.
„Und so unangenehm feucht!“ fährt sie ungerührt fort.
„Aber, ich verstehe nicht – leider – hab ich – gar keine Zeit...“, murmele ich schwach.
„Und so unerfreulich kalt!“ endet die Katze und trippelt an mir vorbei in den Flur. Ratlos starre ich der feuchten Pfotenspur hinterher.
„Vielleicht hätten Sie ein Tässchen Tee für mich?“ Ein Schnurren, ein grün funkelnder Augenaufschlag.
„Äh – Tee?“
Anmutig steigt sie voran. Ihr Schwanz schlägt wie ein Metronom hin und her. Direkt hypnotisch. Und ein betäubend süßer Duft entsteigt ihrem altmodischen Samtanzug.

Mein Bodenraum – ein durchdachtes System von Stapeln, Haufen, Kästen, Schüben, Mappen, Regalen, angepinnten Zeichnungen, Plakaten und Zetteln – sieht selten Besucher. Hier schreibe ich gerade an meinem neuen Buch. Nun, ich will nicht übertreiben, eigentlich habe ich gerade erst begonnen. Nun ja, genau genommen –
„Was ist jetzt mit Tee?“ Aus schief gelegtem Kopf mustert mich dieses Katzentier. Als ich mich mit dem Teetablett zu meinem Schreibtisch durchschlängele, sehe ich es in meiner geheiligten Schreibtischordnung herumkramen.
„Das ist ja wohl das Letzte!“, entfährt es mir.
Vorsichtig stelle ich das Tablett auf zwei soliden Papierhaufen ab.
„Es geht wohl nicht so recht voran, wie?“, blinzelt mich das Tier an und wagt es, auf dem Stapel Geschichtenanfänge herumzutrommeln.
Erbost scheuche ich die Aufdringliche von der Schreibtischplatte. Keck springt sie auf den Stapel Unerledigtes und blickt mich hochmütig an. Verwirrt lasse ich mich in meinen Sessel plumpsen.
Dieser Sessel ist so etwas wie meine Rettungsinsel. Wenn ich – wie so oft –eine Ablehnung von einem der Verlage, zu denen ich meine Geschichten schicke, aus dem Postkasten fische, dann brauche ich mich nur in diesen Sessel zu setzen, die Rückenlehne in leichte Schwingung zu versetzen und auf den Park hinüberzuschauen, schon geht es mir besser. Im Moment ist der Park jedoch kaum zu erkennen hinter den Regenschleiern.
„Lieber Pit Mückenburg!“, kommt es plötzlich ganz aus der Nähe.
Ich schrecke zusammen, blicke fasziniert auf dieses kleine Katzenmäulchen – was hat sie da gerade gesagt?
„... da bin ich nun also: ganz und gar zu deiner Verfügung!“ und legt ein Pfötchen, zart wie eine Wollflocke, auf meine Hand.
„Natürlich hätte es auch Mai sein können, oder August“, spricht das Mäulchen weiter. „Es hätte der 24. sein können und 11 Uhr vormittags. Ich hätte auch in anderer Gestalt kommen können. Aber nicht zu jemand anderem, denn ich bin zu dir bestellt.“
„Bestellt?“
Mir wird ganz blümerant.
„Ich, Samanta Osman, bin zu dir bestellt“, wiederholt die Katze streng und drückt mich mit tigerschwerer Tatze in meinen Drehstuhl.
„Von wem bestellt??“
Gleich schreie ich. Dieses Vieh – vergeblich versuche ich aus dem Stuhl hochzukommen – unerbittlich hält es mich fest.
„Von dir selbst. Du suchst händeringend nach einer Idee. Du schläfst schlecht, kaust an den Nägeln, träumst wirr und bist ständig schlecht gelaunt. Das geht mir fürchterlich auf die Nerven. Und weißt du wieso? Ich bin dein guter Geist. Doch ich verliere allmählich meine gute Laune und das darf nicht sein! Keinesfalls, bei einem guten Geist. Wo bleibt da das Gute? Da muss dringend etwas passieren! Und nenn’ mich nicht ständig ‘Katze’ oder ‘Vieh’. Ich heiße Samanta Osman, Basta!“
„Urghch...“
Vor Aufregung verschlucke ich mich und muss so stark husten, dass mir die Augen tränen. Das Tier – Entschuldigung – vor mir scheint sich bei jedem Lidschlag zu verändern, mal erscheint es vogelartig, mal blitzt es engelhaft blond auf, mal zottelschwarz, dann schmetterlingszart. Nach kräftigem Zwinkern ist der Spuk vorbei: Da sitzt sie wieder, die Katze, als könne kein Wässerchen sie trüben und fixiert mich aus schillernden Augen.
„Also, Sie, äh, du meinst ich solle – eine Geschichte schreiben?“
„Haargenau.“
„Aber das wollte ich doch gerade.“
„Ach ja? Und worüber wolltest du schreiben, Pit?“
„Tja, also, vielleicht...“
„Siehst du, was ich meine?“ Samanta Osman verengt ihre Augen zu sehr schmalen Schlitzen. „Schreib über mich!“
“Ich soll über eine Katze schreiben? Eine redende Katze im Samtfummel? Himmel, Katzen sind – so – schwierig, also – vielleicht – wenn schon Tier, dann vielleicht lieber – Hund. Ja, Hunde liegen mir mehr.“
„Ach?“ macht die Katze und ist spurlos verschwunden.

Es klingelt. Ungläubig schaue ich auf die Stelle, wo eben noch dieses Vieh saß, die Katze mit dem seltsamen Namen. Da ist nichts. Wieder klingelt es. Zögernd erhebe ich mich und stolpere umherspähend Richtung Tür. Wie vom Erdboden verschluckt, das sonderbare Tier! Auch das Köfferchen, fort.
Es klingelt Sturm. Ein Hund, nein, eine grässliche Töle, eine Missgeburt von Riesendogge steht vor der Tür. Aufgebaut, als wolle sie sich sofort auf mich stürzen. Zähnefletschend blafft sie mich an:
„Hassu was anne Ohrn’ oda was? Neunta Novemba, büschen nach drei Uah, Heckenweech 23, obaste Klingl, Mückenburch. Gunta Paua meldet sich zua Stelle!“
Ein leichter Schwindel packt mich, meine Beine fühlen sich zittrig an. Gleich, fürchte ich, gleich kippe ich um.
„Alles kla, oda was, ey!“ Beruhigend tätschelt mir die Dogge eine Wange. Ihr nietenbespicktes, speckiges Lederhalsband piekst scheußlich. Beunruhigend nah haucht mich ein übler Atem an.
„Oh nein,“ stöhne ich, „dann doch lieber Katze!“
Fühlt sich so Ohnmacht an? Jedenfalls wird mir schwarz vor Augen. Es rumpelt, es tost, es knirscht und wird wieder hell und da sitze ich, als wäre nichts geschehen, in meinem Drehstuhl mit Blick auf den regenverhangenen Park, vor mir mein papierüberhäufter Schreibtisch und auf einem meiner kippligen Papierstapel sitzt die Katze mit diesem überdrehten Namen und grinst mich an.
„Siehst du, ich wusste es. Katze. Dann fangen wir mal an.“
„Wie, was anfangen? Womit?“, frage ich verständnislos.
„Na, mit der Geschichte.“
„Jetzt? Gleich?“
Panik breitet sich in mir aus, wie bei Prüfungen.
„Wann, wenn nicht jetzt, Pit Mückenburg? Du hast monatelang an deinen Stiften gekaut, jetzt geht es los.“
„Aber so geht das nicht. Nicht auf Befehl. Nicht, wenn mir jemand auf die Finger schaut“, protestiere ich und schaue sorgenvoll zu meinem überquellenden Papierkorb, in dem sich meine Versuche häufen.
„Keine Bange, lass’ uns zusammen etwas erleben!“, schnurrt Katze Samanta. Neckisch rollt sie auf meinem Schreibtisch herum, dass die Papiere nur so flattern, blickt mich aus ihren glitzernden Schlitzen an. Meine über Monate penibel getrennten Papierstapel verwirbeln zu einem wilden Haufen, legen sich wie knisternder Schnee über das Zimmer. Ich befreie die Schreibtischlampe aus dem Papierwust am Boden, stelle sie zurück auf die blanke Fläche und knipse sie an. Schlagartig verwandelt sich das Regengrau hinterm Fenster in Lakritzschwärze, durchzogen von blinkenden Wasserperlen. Bei dem Schietwetter raus? Nicht mit mir. Ich werde mich weigern, falls sie versucht, mich aus meiner trockenen, warmen Bude herauszulocken. Erst mal in aller Ruhe noch einen Tee –
da dreht es mich um und um und um. Kriegt mein Drehstuhl einen Rappel?
Ich weiß nicht mehr, wo oben, wo unten, wo links oder rechts ist. Dazu Geräusche wie das Schnappen von Kofferscharnieren, das Klackern von Tastaturen, ein unerklärliches Summen und Knistern und dann – mit dem Knall eines zufallenden Kofferdeckels – hält mein toll gewordener Stuhl plötzlich still. In das Sausen meines Kopfes hinein faucht es:
„Jetzt komm!“
Doch bin ich unfähig, mich zu bewegen.
„Auf, auf! Wir besuchen Louis, den Prächtigen!“, ruft die Katze mit überschnappender Stimme. Etwas reißt mich aus meinem Sitz. Während mir noch auffällt, dass ich nur Hauspuschen anhabe, fliege ich schon quer durchs Zimmer direkt auf mein Klotür-Poster zu, das mit der Gartenlaube und dem Barockkönig und – jäh hinein.
Mit der Geschwindigkeit eines Lidschlages wird die papierene Fläche plastisch und ich stehe mitten drin im Gemälde der Gartenlaube, die ich als Poster seit Jahren täglich sehe. Ha, ist ja irre, so mitten im Bild. Schau an, das sind ja gar keine Efeuranken, wie ich immer dachte, das ist ja Wein! Aber merkwürdig, das Wichtigste fehlt: Der dicke Sonnenkönig im malvenfarbenen Brokatanzug in der ulkigen Pose. Ich drehe mich um.
„Nicht bewegen!“, schallt es vielstimmig von rückwärts. Erschrocken bleibe ich wie festgefroren stehen. Aus dem Augenwinkel nehme ich eine bewegte Szenerie wahr: Katzenartige Gestalten schlendern, stehen oder sitzen. An Staffeleien wird gemalt, an Pulten gezeichnet, an Tischen gewerkelt. Und all diese Katzenwesen schauen in eine einzige Richtung: Auf mich!
Wieso denn bloß... ich hätte natürlich meine Puschen zu Hause lassen können – automatisch schaue ich an mir herunter – aber was ist das? Lächerlich hohe, goldene Schnallenschuhe sehe ich, in denen rosa schimmernde Seidenstrumpfbeine stecken, über die glänzende, malvenfarbene Kniehosen gebunden sind.
„Samantaaa Osmaaan!“, brülle ich, zitternd vor Wut.
„Ganz zu Ihren speziellen Diensten, Auserwählter.“
Mit einer formvollendeten Verbeugung knickst sie vor mir, diese Verwirrerin mit dem orientalischen Namen, ein Pfötchen liegt neckisch auf ihrer Brust, die andere hält geziert ihren Federhut, und schaut zu mir hoch, die personifizierte Unschuld.

Ich lege den Stift aus der Hand und nehme einen Schluck erkalteten Tee.
Nicht übel für den Anfang. Aber nun? Ich beginne an meinem Stiftende zu nagen. Da klingelt es. Sturm!

Letzte Aktualisierung: 18.08.2008 - 12.50 Uhr
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