Ganz schön bissig ...
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Thema: Affäre | September 2008
Reines Betriebsvergnügen
von Bernd Kleber

Sie knetete ihre Unterlippe. Kniff fast zu fest in sie hinein. Ihr Blick war auf das Tanzpaar gerichtet. Wie eine Katze kurz vor dem Zuschnappen. So konnte es nicht weitergehen. Wollte Regina ihren Mann nicht verlieren, musste sie einschreiten. Die Musik dröhnte aufreizend. Ihre Nerven vibrierten. Es hätte nur eines kleinen Anstoßes bedurft und sie wäre in Tränen ausgebrochen. Das nagte gewaltig an ihr. Denn eigentlich war Regina Steinmüller gewohnt, alles fest im Griff zu haben.
Ihr Mann und diese Venus tanzten in drei Schritt Entfernung schon seit zehn Minuten. Sie drehten sich mit lautem Lachen temperamentvoll im Takt der Musik. Sie riefen sich vergnügt Dinge zu, die Regina nicht verstehen konnte. Diese Blonde hatte sogar die Frechheit besessen, ihr zu zuwinken. Regina Steinmüller fühlte ihr Herz heftig in ihren Schläfen pochen. Ihr Kopf schmerzte. Die Hände zitterten.
„Junge Frau, darf ich Ihnen noch etwas bringen?“, neigte sich der Kopf des jungen Kellners zu ihr herunter. „Äh, ja, bringen Sie noch einen Pinot Gris, den gleichen wie vorhin, aber kühler bitte, kühler ... !“ „Jawohl“ war die demütige Erwiderung des flinken Angestellten. Langsam drehte sie den Kopf in seine Richtung aber er war nicht mehr zu sehen.
Regina Steinmüller zermarterte sich das Hirn. Wann trafen sich die beiden? Wann hatte dieses Affentheater angefangen?
Ja, sicher hatte sie Ralph im Bett vernachlässigt, wenn er sich spät abends noch an sie drückte und seine Lust an ihren Schenkeln pochte. Oft hatte sie dann gemurrt und ihm über die Wange gestrichen: „Morgen, vielleicht, heute nicht mehr, ich hatte so viel zu tun, Schatz.“ Und dann hatten diese typischen Kegelabende begonnen.
Warum, verdammt, war sie da nur nie mitgegangen?
Nun hatte sie ihn also in die Arme dieses blonden Giftes getrieben. Wie sie ihr Lächeln kokett einsetzte. Wie sie ihren Kopf nach hinten warf, diese makellosen langen Beine sicher über das Parkett setzte.
Wie alt ist die Schlampe eigentlich?
Mit zittrigem Finger strich sie über eine Augenbraue. Sie trank einen Schluck. Der frische trockene Wein rann ihr die Kehle hinab und betäubte sie ein wenig mehr.
Vom Nachbartisch steuerte ein Kollege Ralphs den Tisch an.
Nur nicht der Kasper noch. Sie hatte jetzt keine Nerven für diesen Trottel.
„Guten Tag Frau Steinmüller, darf ich Sie zum Tanz bitten?“ Da kam ihr die Idee, er musste doch wissen, wer die blonde Bitch ist. „Aber ja, Herr...“ erhob sich Regina, nahm seine ihr dargereichte Hand und schritt ihre Hüfte wiegend auf den Tanzboden.
Sie lächelte kurz ihrem Mann zu, der jungenhaft winkte und strahlte.
Mein Gott, der macht sich ja komplett zum Hampel, dieser Depp.
„Herr ... , sagen Sie, wie geht es Ihnen?“
Hoffentlich erzählt er jetzt nicht wieder endlos von seinem Scheißfotoverein.
„Danke, gut, Frau Steinmüller, und Ihnen?“
„Danke auch, wenn es besser wäre, wäre es kaum auszuhalten“, schmallippig grinste sie diesen Kleinstadtkavalier an.
„Frau Steinmüller, ich wollte sie und ihren Mann schon immer gerne einladen, nun da ich geschieden bin ... ” hörte Regina noch, da war sie mit ihren Gedanken schon so abwesend, dass sie den restlichen Inhalt nicht mehr wahrnahm. Ihr Mann hatte sich gerade in wilden Verrenkungen an den Hals seiner Tanzpartnerin gedrückt.
Der dreht ja vollkommen ab...
„Was? Was sagten Sie Herr ...?“ Herr Meinert räusperte sich: „Meinert ... , ganz schön laut hier, ja ... ?“ und lächelte verlegen.
Herr Meinert, aha, stimmt ja, so hieß der Knaller.
„Sagen Sie mal Herr Meinert, mit wem tanzt da eigentlich mein Mann, er hatte noch keine Gelegenheit, sie mir vorzustellen.“ Herr Meinert drehte sich suchend in alle Richtungen, trat ihr beim Taktverlassen auf ihre Manolo Blahnik. „Autsch, passen Sie doch auf!“
Sie gab ihrem schwerfüßigen Kavalier einen Klapps gegen die Schulter. „Entschuldigen Sie Frau Steinmüller. Aber ich sehe, das ist Frau Rose, unsere Justiziarin, nette Kollegin, Sie müssten Sie eigentlich schon kennen.“
Aha, diese Rechtsverdreherin, stimmt ja, dachte sie und: So sexy? Kann mich gar nicht an die erinnern. Die greif` ich mir...
„Herr Weinert, bringend sie mich wieder zum Tisch“ „Meinert... gerne“ sagte der beschämte Kollege.
Diese Betriebsvergnügen ödeten sie immer an. Kleinbürgerlicher Mief und oberflächliches Gegrinse in jede Himmelsrichtung, hier ein Nicken und da ein „ ...bis später, wir reden noch...“ zum Kotzen..., wie sie fand.
Was war aus ihren Begabungen geworden?. Abi mit Auszeichnung, Studium hervorragend und dann Ralph. Der Umzug in dieses Kaff, welches geprägt war, von stinkenden Chemiebuden. Jeden Tag konnte hier einer dieser gefährlichen Unfälle passieren, ihr Mann war längst in die Führungsebene gelobt worden und sie seitdem dazu verurteilt, zu Hause verfügbar zu sein. Das musste ein Ende haben, bevor sie vierzig Jahre alt sein wird.
In ihr reifte ein Entschluss nach dem anderen. Analytisch ging sie jetzt vor, kippte sich den Rest des Glases in den Schlund, wie Wasser und sah dabei wieder einmal diese Advokatin in Wasserstoffblond herüberlächeln.
Fotze!
Sie knallte das Glas mit einem solchen Schwung auf den Tisch, das es zerbrach. Hatte das jemand bemerkt? Sie sah sich um.
Wie viel Runden tanzen die denn nun schon? Nicht nur, dass sie mich erniedrigen, es muss ja allmählich auffallen, dass ich fast die gesamte Zeit allein an diesem Tisch glucke. Bin ich nicht in der Lage mich zu amüsieren?
Noch ein Glas Wein! Sie musste sich sehr weit über den Tisch beugen, ihre Brust schmerzte, um an das unbenutzte Glas zu gelangen.
„Scheiße!“ zischte sie, der Tisch sprang krachend einige Zentimeter vorwärts.
Herr Weinertbeinertdingsbumsfotosammlung lächelte verlegen an seinem Tisch, wo er scheinbar Ehrenwache hielt.
Knurrend lächelte sie zurück.
Das nächste Musikstück ertönte, da wollte sich offenbar Ralph von dieser Paragraphenhexe lösen, aber sie hielt ihn fest und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Das ging nun aber zu weit. Beide drehten sich weiter in fröhlicher Vertrautheit. Sie kippte erneut den Inhalt eines Glases hinunter. Davon musste Regina aufstoßen, bekam einen Hickauf und weinte.
Es war keine laute Hysterie, sondern die Tränen liefen ihr spiegelgleich über die Wangen. Regina spürte es erst gar nicht, sah nur die beiden lachen.
Frau Steinmüller nahm sich erneut von dem tröstenden Getränk, stand auf und kämpfte gegen ihre wackeligen Beine. Sie stützte sich am Tisch. Herr Meinert saß sprungbereit. Aufrecht lief die Eifersüchtige mit ihrem Weinglas Richtung Waschräume.
Dort, ihr Spiegelbild verachtend, sich am Beckenrand festhaltend, ließ sie sich endlich gehen. Schluchzte herzzerreißend. Was wollte ihr Ego eigentlich noch von Ralph. Bedeuteten die Silberfäden auf ihren Wangen nicht nur gekränkte Eitelkeit? Es war keine Eifersucht. Regina kramte in der Handtasche und schüttete den Inhalt wütend in das Waschbecken, um besser suchen zu können.
Absatzschuhe schallten nun über den Kachelboden und kamen näher. Eigentlich wäre Regina lieber allein. Hastig wischte sie über ihre Wangen und sah in den Spiegel. „Kann ich Ihnen helfen, Frau Steinmüller?“, fragte eine warme Stimme. Sie sah erschrocken in das Gesicht der Frau Rose.
Will sie nun zum erlösenden Todesstoß ansetzen, aber nicht mit mir!
„Sie? Ja, Sie können mir helfen! Nehmen Sie meinen Mann und verschwinden Sie mir aus den Augen! Sie Hexe!“, geiferte sie ihrer Rivalin ins Gesicht. Frau Rose sah sie ratlos an. „Frau Steinmüller, Sie tun mir Unrecht. Was haben Sie denn gegen mich?“
„Sie, Sie sind ja unglaublich, reizen Sie mich jetzt nicht noch, ich könnte mich vergessen!“ Frau Rose reichte ihr ruhig ein Taschentuch. „Frau Steinmüller, ich bin Ihnen wohl eine Erklärung schuldig. Verzeihen Sie mir meine Offenheit. Ich sehe aber nicht ein, dass ich mit meinen Gefühlen in diesem Patriarchat zurückhalte. Seit ich Sie das erste Mal sah, bin ich in Sie verliebt, ja, ich bete Sie an.“
Regina sah in die klaren blauen Augen dieser Helena und traute ihren Ohren nicht.
„Wollen Sie mich jetzt verarschen?“, lallte sie und dachte an ihren Wein, nach dem sie nun griff. Frau Rose hielt ihre Hand zurück und sagte sanft: "Ich musste Ihnen das sagen, aber bitte, trinken Sie nicht weiter, ich denke Sie hatten genug. Ich bete Sie an, nicht nur weil Sie eine schöne Frau sind, sondern ich verehre auch Ihre Klugheit und Ihre Ausstrahlung. Ich möchte Sie gern näher kennen lernen, wenn ich darf.“
Regina Steinmüller sah stutzend auf die roten Lippen vor sich.
„Ich habe die Nähe Ihres Mannes gesucht, um Ihnen nah sein zu können und er hat mich endlich nächste Woche zu Ihnen eingeladen, sagen Sie mir bitte, ob Sie mich gerne sehen würden.“
Die Frau hat ja Humor, kennt ja gar keine Hemmungen, dachte Regina.
Dieses riesige um sie her wabernde Kompliment hallte aber in ihr nach. Wie in eine rosa Wolke gehüllt, fühlte sie sich leicht und beschwingt. Ihr Herz raste nun aus anderem Grund.
Reginas Gesicht entspannte, die Tränen waren versiegt, ihr Geist klarte ebenfalls auf. Sie sah der jungen Schönheit in die Augen: „Ja, kommen Sie, Sie machen mich neugierig.“
Regina nahm ihre Handtasche, schob die Utensilien wieder hinein und verließ lächelnd den Waschraum.

Letzte Aktualisierung: 17.09.2008 - 15.28 Uhr
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