Der himmelblaue Schmengeling
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Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
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Thema: Affäre | September 2008
Kopfkino
von Sabine Barnickel

Alex langweilte sich. Er hatte sich wieder einmal breit schlagen lassen. Er konnte Katharinas Freundinnen einfach nicht leiden. Für ihn waren das schnatternde Gänse und selbst seine Kleine reduzierte ihren Horizont auf Haare, Fingernägel und Klamotten. Und mit den Typen konnte er auch nichts anfangen. Er hatte es ja auch nicht nötig, einen Billig-Porsche, den er sich gar nicht leisten konnte, in der Garage stehen zu haben und dafür als Zweitwagen einen Smart zu fahren. Die Mädels amüsierten sich köstlich, die Jungs hatten sich nichts zu sagen. Besser gesagt: Alex hatte diesen Typen nichts zu sagen. Und zu seinem Leidwesen galt jetzt auch noch dieses Nicht-Raucher-Schutzgesetz – und wer schützte die Raucher vor einer Lungenentzündung und vor Langeweile an solchen Abenden wie diesem? Sie waren seit kaum zehn Minuten hier und er wünschte sich jetzt schon nichts sehnlicher als eine Zigarette. Aber wenn er gleich jetzt vor die Tür ginge, wäre Stress vorprogrammiert.

Ihre Hand lag warm auf seinem Bein, trotzdem hatte er nicht den Eindruck, dass sie irgendeinen Gedanken an ihn verschwendete. Hauptsache er war anwesend. Er seufzte stumm, ergab sich für den Moment in sein Schicksal, dann ließ er seinen Blick wandern. Er begann die anderen Gäste zu beobachten. Er stellte sich vor, woher sie gerade kamen, wohin sie gingen. Er ließ seiner Fantasie freien Lauf: Die beiden Mädels in Miniröcken, hohen Stiefeln und engen Tops, die gerade gingen, waren bestimmt auf Männerfang. Auf dem Weg in die nächste Disko und am Ende der Nacht waren Tränen vorprogrammiert, weil doch nur ein One-Night-Stand herauskam. Die dürre Brillenschlange dahinten hatte bestimmt keinen anderen abbekommen als diese fette Qualle. Ob die beiden überhaupt Sex miteinander hatten? Wohl nur, wenn sie oben war – anders herum würde er sie erdrücken. Das wäre nicht sein Fall, er hatte gerne die Kontrolle. Und die beiden Kerle am Nebentisch waren bestimmt schwul. Zu schön, zu gepflegt für richtige Männer. Wahrscheinlich ein Pärchen. Die Vorstellung von zwei Männern…. Widerlich. Einer der beiden sah zu ihm herüber, direkt in seine Augen und lächelte….

Alex wachte auf, besser gesagt: Er kam zu sich – typische Alkohol-Ausfallerscheinung. Er wusste nicht, wo er war – na gut, in einem Bett – , geschweige denn, dass er sich daran erinnern konnte, wie er hierher gekommen war. Er hatte einen Nachgeschmack von Alkohol und Zigaretten im Mund, und von noch etwas anderem. Vage bekannt, aber momentan war er nicht in der Lage den Geschmack zuzuordnen. Er war nackt. Jemand lag neben ihm, oder besser gesagt halb auf ihm, eine Hand auf seiner Brust, ein Bein über seinem Bein. Seine eigene rechte Hand ruhte genau auf diesem Bein und es war nicht Katharinas. Es fühlte sich anders an. Was auch immer das bedeutete – zu einer genaueren Analyse war sein Gehirn gerade nicht in der Lage. Der Körper neben ihm strahlte eine wohltuende Wärme aus, schon fast Hitze. Definitiv nicht Katharina – sie war immer so… kühl. Die Hand auf seiner Brust begann tiefer zu wandern und er reagierte erregt. Er stöhnte leise. Seine eigene Hand ging ebenfalls langsam auf Wanderschaft. Ziemlich haarige Angelegenheit. Und langsam begann ihm zu dämmern, was so anders war….

Scheiße, das war ein Kerl. Mit einem Schlag war er hellwach. Neben ihm lag tatsächlich ein Mann und dieser drückte sich gerade an ihn. Er wollte entsetzt aufspringen, aber weder seine Beine, noch Arme reagierten.
„Ich steh’ nicht auf….“
Weiter kam er nicht, denn sein Mund wurde unvermittelt durch einen Kuss verschlossen. Bartstoppeln kratzten an seinen Lippen und seinem Kinn. Er wollte den Kerl von sich schieben, doch zu seinem eigenen Erstaunen öffneten sich seine Lippen bereitwillig und erwiderten den Kuss. Sein Körper war gerade dabei, seine Prinzipien zu verraten.
Der andere lachte leise.
„Komisch nur, dass ich davon gar nichts merke.“
Der andere drängte sich noch näher an ihn, feste, durchtrainierte Muskeln. So warm und so, so… fremd.
Die Stimme klang leise an seinem Ohr, ein sanfter Bass.
„Du bist so schön….“
Schön? Auch das noch. Schön hatte ihn noch niemand genannt. Er selbst fand sich eher durchschnittlich. Katharina meinte, er sähe gut aus und er war der Meinung, Erfolg würde sexy machen, aber er fand sich ganz sicher nicht schön. Er hatte das Gefühl, dass er gerade die Kontrolle verlor.
Was zum Teufel tat er hier eigentlich? Er wollte das doch gar nicht.
Aber sein Körper ignorierte, was sein Kopf ihm sagte. Der Atem des anderen streifte warm sein Ohr. Seine Worte verführten ihn. Warme Haut, die sich gegen seine drängte, ihn aufheizte, Hände, die ihn überall berührten, wo es gut tat.
„Ich will dich…lass’ dich einfach fallen….“
„Ich will das nicht“, versuchte er zu protestieren.
„Ich verspreche dir, du wirst es genießen….“
Alex stöhnte leise. Sein Körper hatte den Widerstand schon längst aufgegeben. Sein Kopf war dabei zu folgen.
„Komm‘ schon“, flüsterte der andere noch einmal und küsste ihn wieder.
Alex gab die Kontrolle auf und….

„…Alex…A-le-xan-der!“
Er blinzelte. Alex starrte immer noch die Typen am Nebentisch an. Mann, der sah beneidenswert gut aus – sicher ein Frauentyp. Er riss seinen Blick los. Er hatte gar nicht damit gerechnet, dass sie ihn überhaupt noch wahrnahm, geschweige denn, dass sie mit ihm sprach. Sie hatte immer noch eine Hand auf seinem Bein. Sie fühlte sich jetzt kalt an.
„Kennst du den?", fragte sie von der Seite.
„Nein. Du etwa?"
Er schob ihre Hand weg.
„Ich muss 'mal an die frische Luft."
Zeit für eine Zigarette.
„Muss das sein?"
Seine Freundin verdrehte die Augen. Sie war wohl schon wieder eingeschnappt – wegen einer Zigarette. Er ignorierte sie, stand auf und ging nach draußen.

Endlich Ruhe. Er lehnte an der Hauswand, Zigarette zwischen den Lippen, Feuerzeug in der Hand. Wenn das verdammte Ding jetzt auch noch funktionieren würde.... Jemand hielt ihm von der Seite ein brennendes Feuerzeug hin. Ohne aufzublicken murmelte er ein Dankeschön.
„Gerne", sagte eine tiefe, sanfte Stimme neben ihm.
Sie klang vertraut. Er sah zur Seite. Es war der Kerl vom Nebentisch. Ein Frauentyp, ja, aber sicher auch….
Der andere lächelte ihn an und der Schock zog Alex fast den Boden unter den Füßen weg.
…sein Typ.
„Und? Wie war’s?“

Letzte Aktualisierung: 15.09.2008 - 15.59 Uhr
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