Honigfalter
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Thema: Affäre | September 2008
La maladie d’amour
von Eva Fischer

„Komm, lass uns zu unserem Italiener gehen“, schlug Jens vor. „Oder hast du keinen Hunger?“
Regina schaute auf die Uhr. Es war schon kurz nach eins. Jens hatte recht. Sie sollten etwas essen gehen. Sie nahm ihre graue Kostümjacke, zog sie an und folgte ihm.
Draußen schien die Sonne so warm wie im Sommer und dabei war es September.
„Vielleicht können wir sogar draußen sitzen“, sagte Regina, die ihre Kostümjacke bereits wieder ausgezogen hatte und über dem Arm trug.
Sie waren nicht die einzigen, die den verpassten Sommer nachholen wollten, stellte Regina fest. Sie steuerte zielstrebig den letzten freien Tisch an. Um sie herum saßen graue Büromenschen, wie sie die Menschen zwischen 30 und 40 in ihrem gleichförmigen Outfit nannte. Sie kamen aus Kanzleien, Architekturbüros und der Finanzverwaltung, der sie selbst auch angehörte. Menschen, die den Einheitsfraß aus der Kantine verabscheuten und die 45 minütige Mittagspause dazu nutzten, um etwas Lebensfreude aufzutanken. Die meisten Büromenschen tauchten in Vierer-Gruppen auf, Pärchen wie Jens und sie eins waren, gab es nicht.
„Na, welchen Salat nimmst du denn heute?“ fragte Jens. „ Und wie wünschen der Herr heute seine Nudeln zu speisen?“ konterte Regina. Sie lachten. Regina schloss die Augen und hielt ihr Gesicht den Sonnenstrahlen hin.
Schon merkwürdig, dachte sie, wie sich mein Leben in der letzten Zeit verändert hat.
Vor einem Monat hatte Reginas Chef ihr angekündigt, dass sie einen neuen Kollegen einarbeiten müsse. Sie war keineswegs begeistert gewesen, hatte nur Mehrarbeit auf sich zukommen sehen. Auch als sie Jens das erste Mal begegnete, fand sie ihn nicht besonders attraktiv. Er hatte rotblondes Haar, das er kaum gebändigt bekam und auch sein Anzug war weniger modisch, als sie es bei ihren Kollegen gewohnt war. Aber er hatte einen offenen, freundlichen Blick. Es machte Regina sogar Spaß, mit ihm zusammen zu arbeiten. Er nahm neue Informationen schnell auf, trat aber nie als Konkurrent auf und war sogar bereit, über Privates zu reden, was den oft eintönigen Arbeitstag auflockerte.
So wusste Regina, dass Jens erst vor kurzem von seiner Freundin verlassen worden war und dass er beschlossen hatte, einen Schnitt zu machen: eine neue Stadt, einen neuen Job.
„Welchen Teil unserer schönen Stadt hast du denn gestern erobert“, wollte sie wissen, während sie sorgfältig darauf achtete, dass das Dressing keinen Fleck auf ihrer weißen Bluse hinterließ.
„ Anne hat mich angerufen und da war das Wochenende für mich gelaufen“, sagte Jens sichtlich wütend. „Du musst dich frei machen von uns Frauen!“ lachte Regina. „Wenn das mal so einfach ginge!“ sagte Jens und Regina hatte das Gefühl, dass er ihr länger als sonst in die Augen schaute.
„Zwei Espresso, bitte!“ rief sie dem Kellner zu, der gerade vorbeikam und den täglichen Ansturm der Büroleute souverän managte.
Schon bald standen die weißen Tassen vor ihnen und Regina und Jens griffen gleichzeitig nach der Zuckerdose. Ihre Hände berührten sich kurz und zuckten zurück, als hätte sie ein elektrischer Schlag getroffen. Während Regina den Zucker im Espresso umrührte, wusste sie,
das Virus war übergesprungen. Regina war verliebt in Jens.
Regina war 45 Jahre alt und kannte die Symptome genau. „Scheiße, dass mir das passieren muss,“ dachte sie, denn es gab ein Problem. Regina war verheiratet. Und es gab noch ein Problem. Jens war zehn Jahre jünger als sie.
Das erste Problem ignorierte sie erst einmal. Ihr einziges Ziel war, sie wollte schön und begehrenswert sein. Dafür würde sie alles tun.

Als Regina aufwachte, spürte sie, wie ihr Körper noch immer glühte. 39 Grad Fieber.
Es war Februar und draußen stieg das Thermometer nur unwesentlich über Null. Sie nahm einen Schluck Tee, um den unstillbaren Durst zu löschen.
„Geht es dir besser, Liebling?“ hörte sie ihren Mann fragen.
Ging es ihr nun besser? Regina wusste es selber nicht.
Sie erinnerte sich an eine Karnevalsparty in der Kantine und dass sie sich als Charleston-Tänzerin verkleidet hatte. Jens hatte mit ihr getanzt, und es war traumhaft gewesen.
Fast sechs Monate hatte sie nur auf das eine Ziel hingelebt, einmal in seinen Armen liegen zu dürfen.
Sechs Monate, in denen sie Himmel und Hölle durchschritten hatte.
Mit ihren Gedanken bei Jens schlief sie ein und wachte sie auf. Feiertage und Wochenenden waren das Schlimmste, denn da sah sie ihn nicht.
„Was willst du eigentlich?“ fragte eine Freundin, der sie sich anvertraut hatte.
„Den Augenblick für immer festhalten können,“ hatte Regina geantwortet, denn trotz aller Liebestollheit war ihr klar, dass es keine gemeinsame Zukunft gab.
Weder wollte sie ihren Mann verlassen, noch stellte ihr Jens in Aussicht, mit ihr zusammenleben zu wollen.
In der Behörde begann eine schwierige Gratwanderung. Keiner sollte wissen, dass sie sich in den jüngeren Kollegen verliebt hatte. Das wäre nicht nur peinlich, sondern brächte sie und Jens in berufliche Schwierigkeiten. Jens hatte sechs Monate Probezeit und da machte sich eine Affäre mit einer verheirateten Frau am Arbeitsplatz nicht gut für die Personalakte.
Ihren gemeinsamen Italiener hatten sie aufgeben müssen, um nicht unnötiges Getratsche in Umlauf zu bringen.
Einmal hatten sie sich am Wochenende abends getroffen, als ihr Mann geschäftlich verreist gewesen war. Sie waren gemeinsam ins Kino gegangen. Ihr Körper hatte nicht minder geglüht als jetzt, aber er hatte sie nicht berührt, wie in ihren Träumen.
Obwohl sie einerseits froh war, hatte sie sich tagelang mit dem Gedanken gequält, ob sie nicht attraktiv genug für ihn war. Besessen war sie gewesen, dem Wahnsinn nah. Immer wenn das Handy klingelte, dachte sie, er müsse es sein. Wenn sie durch die Stadt ging, vor einer Auslage stehen blieb, meinte sie, er stehe hinter ihr.
Und dann kam Karneval und sie hatte mit ihm getanzt. Sie hatte sich jung gefühlt. Seit Jens in ihr Leben getreten war, schien die Welt auf einmal Farbe bekommen zu haben. Mochte es draußen immer dunkler und grauer werden, sie war immer wach, stand unter Strom.
Bis Mitternacht hatten sie getanzt, dann hatte sich Jens freundlich verabschiedet. Sie hatte auch schnell ihren Mantel gegriffen und sich ein Taxi bestellt, denn ohne Jens machte die Party keinen Spaß mehr, verlor jeglichen Sinn. Während sie in der Kälte stand und bibbernd auf das Taxi wartete, sah sie ihn plötzlich in einem Sportwagen vorbeifahren.
Er war nicht allein.

Letzte Aktualisierung: 09.09.2008 - 13.12 Uhr
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