Futter für die Bestie
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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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Thema: Affäre | September 2008
Spuren im Eis
von Michael Pick

Montags tagte der Club Female. Wir gründeten ihn, als wir noch Schülerinnen waren. Schon damals nannte mein Vater uns quadro oder wir wären wie die Reifen an seinem Wagen.
Ich weiß nicht wieso, aber auch wir waren älter geworden – nur unsere Freundschaft nicht. Und wer hatte nicht alles versucht, uns auseinander zu bringen: wir hatten geheiratet, Kinder bekommen, unsere Karriere vorangetrieben und nebenbei den Haushalt organisiert.
Montag war deshalb unser Tag, unser Refugium, an dem wir in unseren Köpfen nur Platz für unsere Gefühle hatten, und ich kann versichern, wir brauchten Platz, genauso viel Platz wie für meine Schuhe oder meine Kakteensammlung.
In jüngster Zeit hatten wir damit begonnen, unsere Zusammenkünfte mit Getränken zu würzen. Wir nannten sie Drinks und Cocktails und dabei war es nichts anderes als Limonade und Cola, mit Eiswürfeln abgekühlt.
An diesem Montag war ich Gastgeberin. Ich stellte gerade die zweite Flasche Limonade in meinen Einkaufswagen, als ich Angelina Teufel vor mir tänzeln sah. Angelina war die Chefin meines Mannes und ich fand, dass ihr der Nachname ausgezeichnet stand. Im Vorbeigehen – nach einem Blick auf die beiden Flaschen im Wagen – zog sie die Augenbrauen hoch und die Mundwinkel runter.
Ich nahm den nächsten Gang nach links und atmete tief durch. Einen Hassblick von hinten gönnte ich ihr noch und musste gleich losprusten: was hatte sie mit ihren roten Haaren gemacht? Sie standen wie die Stachel eines Igels von ihrem Hinterkopf ab und die Spitzen waren flächendeckend umgelegt. Angelina hatte nichts bemerkt, sie warf ihren Kopf wie ein Löwe seine Mähne schüttelt und verschwand zwischen Erbsen und Bockwürsten.
Mein Mann Harald war, kaum dass er im Kalender die Eintragung vom Club Female gelesen hatte, zusammen mit seinem Regenmantel geflohen. Dörte, Susanne, Franka dagegen waren überpünktlich und bester Stimmung.
„Ich komme gleich – hole nur noch die Getränke“, rief ich ihnen zu und verschwand in der Küche.
Limonade und Cola und dazu Eiswürfel aus dem Eisschrank. Ich flutete regelmäßig ein flaches Blech mit Wasser. Doch statt einer glatten Fläche traf ich auf Rillen, rote Kratzrillen. Als ich sie mir näher betrachtete, entdeckte ich an der Decke des Faches rote Haare. Weder Harald noch ich hatten rote Haare und einen Fuchs besaßen wir nicht als Haustier.
Ich plumpste vor dem Eisschrank auf den Boden und konnte mir weder die Spuren noch die Haare erklären. Die anderen merkten, dass etwas nicht stimmte und kamen in die Küche gestürmt. Ich zeigte stumm auf den Eisschrank. Nacheinander bestaunten die drei meinen Fund.
Die letzte war Franka und beim Anblick der Haare rief sie, „die sind doch von der Teufel!“
„Hast du einen Sprachfehler?“
„Ach was! Von Angelina Teufel. Sie hat genau solch rote Haare.“
Ich konnte Frankas Entdeckung nur bestätigen. Dörte kannte die Teufel auch.
„Die ist, wie sagt man: Männergeil, he?“
Susanne interessierte etwas anderes.
„Was machen die Haare von der Teufel in deinem Eisschrank? Und was sind das für Kratzspuren?“
„Oh!“, meinte Franka.
„Was heißt Oh?“, riefen wir drei im Chor.
„Na ja, die Teufel hat mit ihren künstlichen roten Fingernägeln angegeben“, sagte Franka.
„Ja, aber welche Verbindung gibt es zwischen dir und dieser Teufelin?“, fragte Dörte.
„Harald!“, presste ich, „die Verbindung ist Harald. Sie ist seine Chefin. Was konnten sie hier nur getan haben?“
„Oh!“, meinte Franka wieder und dieses zweite Oh klang noch fürchterlicher als jenes vor einer Minute.
Franka kniete sich hin, streckte die Hände auf das Eisfach und den Kopf in den Eisschrank. Ihr Po ragte allein gelassen in die Luft und Franka ließ ihn rhythmisch kreisen.
„Oh!“, meinte jetzt auch Susanne und wandte sich ab, während Dörte die Hand auf den Mund schlug.
„Ihr meint doch nicht, dass Harald mit dieser Teufel hier ...“, ich wagte nicht, es auszusprechen.
„Ich fürchte.“
„Ich auch.“
„Und ich erst.“
In diesem Moment kam Harald zur Wohnungstür herein und schritt mutig in die Küche vor. Er wusste ja auch nicht, dass wir wussten.
„Ihr seid ja noch hier?“, wenn er sich darüber freute, zeigte er es jedenfalls nicht.
„Das stört dich wohl?“, Franka schlich in seinen Rücken.
„Du magst doch Frauenbesuch in der Küche?“, Dörte schnitt ihm den Weg zum Wohnzimmer ab.
„Besonders zur Abkühlung“, Susanne mimte den Rechtsaußen.
„Harald, wie konntest du nur?“, griff ich im Zentrum an.
„Was zum Teufel meint ihr? Ihr habt wohl zuviel Limonade getrunken?“, Harald blies zum Rückzug, doch der war ihm abgeschnitten.
„Ja, Teufel ist das richtige Wort, du Schwein!“, rief Franka.
Harald sackte zusammen wie ein großer Beutel Kartoffeln.
„Musste sie sich abkühlen, während du ...“ Dörte goss frische Säure ins Reagenzglas.
Mir stiegen die Tränen ins Gesicht. Harald drehte die Handflächen nach oben und schaute mich mit einem Fragezeichen im Gesicht an.
„Hier – schau doch selbst! Du hast mit deiner Angelina hier ... und sie hat ihren Kopf in den Eisschrank gesteckt, während du ...“
Für einige Augenblicke hatte die Erde aufgehört zu drehen. Dann brach Harald zusammen. Er krümmte sich wie ein Regenwurm auf den Küchenfliesen und hielt sich den Bauch und: lachte. Er lachte und ich spürte, er lachte uns aus – er lachte mich aus.
„Aber ... aber“, stammelte er, als er wieder nach Luft schnappen konnte, „aber da“, er zeigte auf den Eisschrank, „da steckte nicht der Kopf von Frau Teufel drin, sondern ein Kaktus, den ich dir zum Geburtstag schenken wollte. Er sah ein bisschen mitgenommen aus; ich wollte ihn im Eisschrank ein wenig auffrischen.“
Er lief ins Schlafzimmer und kam mit einem kopfgroßen Kaktus zurück. Er blühte gerade und oberhalb der Blüten rekelten sich rote Fädchen, die Haaren täuschend ähnlich sahen.
„Und die Kratzspuren?“, ein letzter Versuch von Franka.
Harald stemmte den Topf hoch und wir konnten deutlich sehen, dass der Topf von unten rot angemalt war.
„Beim Rein- und Rausschieben“, erklärte Harald.
„Oh!“, sagten wir Frauen zugleich und bald darauf verabschiedeten sich meine Freundinnen.
Ich brachte sie zur Tür. Ich wusste, dass ich einiges wieder gut zu machen hatte. Also marschierte ich wie Friedrich nach Canossa zum Arbeitszimmer, in das sich Harald zurückgezogen hatte. Die Tür war nicht ganz geschlossen.
Bevor ich eintreten konnte, hörte ich ihn am Telefon flüstern, „ja, Angelina, ich habe gerade noch alles klären können.“

Letzte Aktualisierung: 26.09.2008 - 20.26 Uhr
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