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Oktober 2008
Sternenhimmel
von Ann Nissuth

„Ich seh den Sternenhimmel, Sternenhimmel, Sternenhimmel, oh-oh ...“
Leise summe ich mit. Das tut gut, entspannt. An dem abgelegenen Grillplatz stelle ich das Auto ab. Sternenklar ist es und ziemlich kühl. Hoffentlich friere ich in meinem nagelneuen sexy Laufdress nicht. Als er um die Ecke biegt, nestle ich an meinen Schuhen. Meine Hände zittern leicht. Langsam richte ich mich auf. Er lächelt anerkennend.
„Pünktlich, wie versprochen“, stelle ich fest und küsse ihn leicht auf den Mund.
„Und das Handy ist diesmal auch im Auto geblieben?“
„Das verdammte Handy. Ja!“
Er zieht mich an sich.
„So gottverlassen wie das heute Abend hier ist, kann ich mir aber durchaus vorstellen, das mit dem Laufsport sein zu lassen und einem andren Sport zu frönen …“
„Eins schließt das andere nicht aus. Zuerst gibt’s aber endlich unsren Lauf unter dem Sternenhimmel. Jetzt zeig mir mal, wie fit du bist.“
„Ich dachte, das hätte ich bereits auf einem anderen Gebiet bewiesen.“
„Ach komm.“
Ich trabe schon mal los. Er folgt mir auf den FuĂź.
„Es tut mir leid, dass ich in den vergangenen Wochen so wenig Zeit für dich gehabt habe.“
Der Heuchler. Am besten höre ich nicht hin. Stattdessen ziehe ich das Tempo an.
Er protestiert:
„Hey. Ich dachte eher an einen Lauf romantischer Natur. Jetzt renne ich hier um mein Leben oder wie?“
Ich drehe mich herum und lache.
„Du machst doch nicht etwa schon schlapp?“
Er schüttelt nur den Kopf. In Kürze läuft er nicht mehr rund, ist ganz verkrampft. Er sagt nichts mehr. Es dauert nicht mehr lange, da merke ich, dass ich alleine laufe. Ich schlage einen Bogen, bin jetzt hinter ihm. Er lehnt an einem Baumstamm, ringt nach Luft. Auf seiner Stirn glänzt Schweiß.
„Krieg mich, dann kriegst du mich“.
Ich bin todsicher, dass er es probiert. Er wird sich nicht vor mir blamieren wollen, er doch nicht. Und richtig:
„Lauf schon mal vor, ich komme gleich.“
Mühsam würgt er das hervor. Wie lächerlich.
„Ich werde dich nachher entschädigen“, verspreche ich und setze an, mich rückwärts zu entfernen.
Er strafft sich, macht ein paar Schritte auf mich zu, taumelt und geht in die Knie. Wer hätte das gedacht, dass er so schnell zusammenbricht! Nur eine halbe Stunde hat mich das gekostet. Bis ihn hier jemand findet, das wird dauern. Auf einem Umweg laufe ich zurück in Richtung Auto. Merkwürdig, jetzt bin ich ganz ruhig.

Den Film in meinem Hirn sehe ich ganz klar und völlig unbeteiligt: Wie ich vor seinem Haus stand, klingelte. Ich würde seiner Frau jetzt reinen Wein einschenken. Wie sie dann öffnete - und ich stand da und starrte nur. War das das Mäuschen, von dem er stets berichtet hatte? Vor mir lehnte eine Frau, hochgradig attraktiv, und lächelte mich an. Ich fasste meinen ganzen Mut zusammen. Das konnte niemals seine Gattin sein. Sie war es doch, wie sie mir trocken bei einer Flasche Schampus dann erklärte. Und dass ich die Geliebte von ihm war, das hatte sie sich auch bereits gedacht. Aus weiter Ferne hörte ich, wie sie ihn für mich demontierte. Seinen Erfolg, beruflich wie politisch, verdankte er nur ihr allein. Sie hatte ihn geheiratet im Glauben, er wäre ihr ebenbürtig. Dass er sich dann als Wicht entpuppte, hatte sie zuerst geschockt. Dann hatte sie gedacht, sich komfortabel an seiner Seite einzurichten. Er aber fing Affären an bei jeder sich ihm bietenden Gelegenheit. Nicht, dass sie dies an sich groß störte. Wie dilettantisch er fremdging, ertrug sie jedoch schwer. Und dass er ihr nicht zugestehen wollte, ihren Weg diskret zu gehen, war für sie der Gipfel.
„Ich bin ihn leid“, hatte sie mir anvertraut. „Aber eine Scheidung will ich nicht. Dafür habe ich zu viel investiert in diesen Wurm.“
„Wo ist er eigentlich?“ fragte ich benommen nach.
„Angeblich ein politischer Termin. Ich nehme an, bei seiner Praktikantin.“
Sie lachte bitter auf.
„Du solltest dein Gesicht mal sehen, meine Süße. Ja hast du denn im Ernst geglaubt, dir ist er treu? Pass auf, in etwa einer Stunde ruft er an, dass er auswärts übernachten muss.“
Der Anruf kam tatsächlich. Ich war vollkommen fertig und sie bot mir an, die Nacht in seinem Bett zu schlafen. Sie fand das lustig. Zum Widerspruch war ich nicht fähig. Am nächsten Morgen erzählte sie, dass er beim Arzt gewesen war. Der hatte ihm empfohlen, auf sein Herz zu achten und ACE-Hemmer verschrieben.
„Bleibt mir die Hoffnung, dass sich das Problem von selbst erledigt“, seufzte sie.
„Süß siehst du aus im Schlaf.“
Ich weiĂź nicht mehr, wie ich an diesem Tag nach Hause kam. Stammte die Idee, die Pillen gegen Placebos einzutauschen, von ihr oder von mir? Und gestern hatte sie mich wieder einmal angerufen:
„Mein Göttergatte hungert. Die Praktikantin ist, scheint es, passé. Hast du dein Horoskop im Wochenkurier schon gelesen? Ich zitiere: Werfen Sie Ballast ab. Haben Sie auch mal den Mut zu einem Neubeginn.“
Kurz darauf hatte ich mein Date mit ihm vereinbart.

Ich biege an dem Fuchsbau ab. Ihr Wagen steht schon da. Ich sehe mich einsteigen. Sie streicht mir zärtlich übers Haar.
„Sag nur, es hat beim ersten Anlauf schon geklappt?“
Ich nicke. Eine Stimme kommt aus mir heraus, berichtet kurz und merkt dann an:
„Du kannst dir in zwei Stunden offiziell Sorgen um ihn machen.“
„Die Sterne standen heute gut, ich wusste es.“
Sie kĂĽsst mich ganz kurz auf den Mund.
„ Ich danke dir. Jetzt schau, dass du nach Hause kommst. Ich ruf dich später an.“
Mit sanftem Nachdruck schiebt sie mich hinaus.

Irgendwann sehe ich mich in mein Auto steigen, zu meiner Wohnung fahren, duschen, warten, eine Flasche Rotwein öffnen. Wann meldet sie sich endlich? Stattdessen taucht er vor mir auf, bleich, die Augen aufgerissen, den Mund verzerrt in dem Versuch zu sprechen. Ich schalte schnell den Fernseher an, suche im Wochenkurier das Programm, stoße auf die Seite mit den Horoskopen. Es dauert eine ganze Weile bis mir deutlich wird: Was sie mir vorgelesen hat, steht unter Steinbock, ihrem Zeichen. Bei meinem Fische-Symbol finde ich: Ihr Leben ist an einem Wendepunkt. Passen Sie auf, wem Sie vertrauen.

Letzte Aktualisierung: 26.10.2008 - 22.01 Uhr
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