Der himmelblaue Schmengeling
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Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
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Oktober 2008
Spuren der Vergangenheit
von Regina Lange

„Sie haben keinen Anhaltspunkt?“, fragte Frau Sauer.
„Nein, leider nicht. Er schweigt sich zu Ihrem Fall aus. Alle anderen Morde hat er gestanden.“ Kommissar Wegener blätterte in seinen Unterlagen.
„Sie wissen also nicht, wo meine Tochter …?“ Der Frau rannen die Tränen über das Gesicht.
„Wir vermuten, dass er mit der Tat etwas zu tun hat. Die Indizien sprechen dafür, aber ohne Leiche …“ Kommissar Wegener hatte einen Kloß im Hals. Er hasste es, das Wort in den Mund zu nehmen. Wie gern hätte er ihr erzählt, dass die Tochter nur weggelaufen sei und sie wieder aufgegriffen werden würde. Doch nach fast sechs Monaten sprach einiges dagegen.
„Welche Indizien meinen Sie.“
Der Kommissar räusperte sich.
„Serienkiller sind meistens Psychopathen und leiden unter Persönlichkeitsstörungen, die oft schon mit Beginn der Kindheit entstanden sind. Ihre Handlungsweise ist schwer nachzuvollziehen. Ein Mitarbeiter, der sich mit Astrologie beschäftigt, hat herausgefunden, dass die Morde in bestimmten Mondphasen und in entsprechenden Tierkreiszeichen stattfanden.“
„Und was hat das mit meiner Tochter zu tun?“
„Sie ist am 26. Mai 1983 verschwunden, nicht wahr?“
Frau Sauer nickte nur stumm.
„Und ist im Zeichen des Schützen geboren.“
„Ja, am 1. Dezember.“
„Der Vollmond stand im Tierkreiszeichen des Schützen am 26. Mai.“
„Sie vermuten, dass er sie deshalb ermordet hat? Das verstehe ich nicht!“
„Er suchte sich die Opfer mit den entsprechenden Tierkreiszeichen des Mondstandes. Bei dem Motiv tappen wir noch im Dunkeln. Wir arbeiten aber eng mit Kriminalpsychologen zusammen“, versuchte der Kommissar zu erklären.
„Woher wusste er, dass meine Tochter ein Schütze ist?“, fragte sie mit gesenkter Stimme.
„Nun … das ist eines der Rätsel, das wir noch lösen müssen. Vermutlich kannte er die Opfer schon einige Wochen oder Monate, bevor er …“
„… sie umbrachte? Was ist das für ein Mensch, der zu solchen Taten fähig ist?“ Frau Sauer schnäuzte in ihr Taschentuch.
Kommissar Wegener wusste darauf keine Antwort.
„Wenn wir etwas Näheres wissen, werden wir Sie sofort informieren“, sagte er, ohne seinen Blick von der Akte abzuwenden. Er wollte nicht in die verquollenen Augen der Frau sehen.
„Sie werden verstehen, dass mir Ihre Antworten und Theorien nicht genügen. Ich bestehe darauf, dass Sie alles Mögliche versuchen werden, um meine Tochter zu finden.“
Kommissar Wegener kräuselte die Lippen und murmelte ein kaum zu hörendes: „ Natürlich.“
Frau Sauer verließ das Zimmer.

„Kannst du das mit deinem Gewissen vereinbaren?“, hörte Wegener plötzlich und zuckte zusammen.
„Mensch, Charly. Musst du mich so erschrecken?“
Charly Schulze, Wegeners Assistent, stand vor seinem Schreibtisch, stützte sich mit seinen Händen ab und schaute seinem Vorgesetzten in die Augen.
„Und was ist, wenn Luna es nicht war?“
„Was zum Teufel meinst du?“, fuhr Wegener seinen Kollegen an.
„Diese Geschichte mit dem Mädchen, die passt nicht zu seinem Profil.“
„Wieso? Die Indizien …“
„Aber das ist ja das Fatale. Wir sollen glauben, dass er es war. Jemand will ihm diesen Mord in die Schuhe schieben“, erwiderte Charly.
„Quatsch!“
„Ohne Leiche keine Beweise!“
Wegener sprang wütend auf, sein Stuhl knallte gegen einen Aktenschrank.
„Die Indizien sind erdrückend. Ich will, dass dieses Scheusal angeklagt wird und sein Leben künftig hinter Gittern verbringt.“
Er ging zum Wandregal und holte eine Flasche hervor.
„Willst du auch einen?“
„Wir sind im Dienst.“
„Ist mir egal!“ Wegener goss sich einen doppelten Cognac ein und leerte das Glas mit einem Schluck.
„Alle Opfer wurden von Luna gekennzeichnet“, fuhr Charly mit seinen Ausführungen fort.
„Du meinst diese Kritzelei auf der Stirn?“
„Ja, diese Kritzelei soll ein Vollmond sein und damit der Hinweis, wann er …“
„… seine Opfer abgemurkst hat? Da stand aber nie ein Datum dabei!“, sagte Wegener sarkastisch.
„Natürlich nicht. Dafür hatte er ja ein selbst gezeichnetes Sternbild bei den Opfern gelassen. Wir sollten selbst herausfinden, warum er dieses Datum ausgesucht hatte. Er hat Hinweise am Tatort gelassen. Das Verschwinden des Mädchens passt eben nicht zu seiner Vorgehensweise!“, erklärte Charly.
„Vielleicht hat er sein Muster geändert. Er will uns an der Nase herumführen. Und mit seinem Schweigen unterstreicht er es auch noch. Sonst würde er doch widersprechen, dieses Schwein!“
„Nein, ich glaube, er amüsiert sich darüber, wie wir im Kreis laufen und nichts Handfestes haben, um auch diesen Mord auf sein Konto gehen zu lassen.“ Charly rückte sich einen Besucherstuhl heran und plumpste hinein.
Wegener stupste seinen Mitarbeiter mit dem Finger an die Brust.
„Du knöpfst dir Luna noch einmal vor!“, befahl er seinem Kollegen. „Quetsche ihn aus wie eine Zitrone! Und dann will ich deinen vollständigen Bericht, damit er endlich vor Gericht kommt. Und wenn es das Letzte ist, was ich vor meiner Pensionierung erledige. Klar?“
„Okay, aber …“
„… Kein Aber. Los geh’ schon!“

„Luna-Mörder erhält lebenslängliche Haftstrafe.
Laut Gutachten eines Psychiaters wurde er für voll zurechnungsfähig erklärt und vom Gericht zu lebenslanger Haft verurteilt …“

Frau Sauer legte halbwegs zufrieden die Zeitung zur Seite. Eine winzige Tür der Hoffnung war in ihrem Herzen offen geblieben, die Hoffnung, ihre Tochter eines Tages wieder zu sehen.

***
25 Jahre später.
Margot Vollmer schlug wie jeden Morgen während des Frühstücks die Zeitung auf.

„Überraschender Fund im Moor.
Bei archäologischen Ausgrabungen wurde eine Moorleiche entdeckt. Allerdings handelt es sich hier wahrscheinlich nicht um eine Leiche aus frühgeschichtlicher Zeit. Polizei ermittelt.“

Entsetzt starrte sie auf das Foto und konnte den Blick nicht abwenden. Margot Vollmer hielt sich ihre Hand vor den Mund um nicht laut los zu schreien. Mit zittrigen Händen griff sie zum Telefonhörer.

Einige Tage später klingelte es an ihrer Haustür. Ihr Ehemann öffnete. Ein Mann mittleren Alters stand vor ihm.
„Ja, bitte?“
„Mein Name ist Charly Schulze, Hauptkommissar Schulze.“
„Und was wollen Sie von uns?“, fragte Karl Vollmer in einem barschen Ton.
„Wir führen eine Untersuchung durch. Ein Mordfall. Daher benötigen wir eine Speichelprobe von Ihnen.“
„Von mir? Das ist ja lächerlich! Was hab’ ich damit zu tun?“
„Das wissen wir noch nicht. Es werden von allen Männern in diesem Umkreis Proben entnommen. Darf ich hineinkommen?“, fragte Schulze freundlich.
„Nein, das ist ja ein Witz!“ Karl Vollmer wollte gerade die Tür zuschlagen, als seine Frau plötzlich neben ihm stand.
„Was ist hier los? Ich kenne Sie. Sie sind der junge Kollege von, von …“
„… Kommissar Wegener. Hauptkommissar Schulze. Herr Wegener ist zwischenzeitlich pensioniert.“
„Ja, natürlich. Ist lange her“, bemerkte sie. „Sie haben den Fall wieder aufgenommen?“
„Aufgrund Ihres Anrufes und des Einverständnisses von Frau Sauer laufen die Ermittlungen wieder.“
„Ich verstehe nicht, Margot. Was hast du mit der ganzen Sache zu tun?“, fragte Karl.
„Vor ein paar Tagen wurde in der Zeitung vom Fund einer Moorleiche berichtet.“
„Ja, hab’ ich auch gelesen.“
„Ich habe die Tochter von Elvira erkannt!“, entgegnete Margot.
„Welche Elvira?“
„Elvira Sauer. Unsere ehemalige Nachbarin. Sie ist damals nach dem Verschwinden ihrer Tochter weggezogen.“
„Du hast diese Moorleiche identifiziert und die Polizei informiert?“ Karl Vollmer brach in Gelächter aus. „Da war doch kaum noch etwas zu erkennen.“
„Sie irren sich“, unterbrach Schulze. „Wussten Sie nicht, dass ein Moor durch den Luftabschluss eine konservierende Wirkung hat?“
Mit offenem Mund starrte er Schulze an.
„Ihrem Gesichtsausdruck entnehme ich, dass Sie es nicht wussten. Also Haut und Haare sind gut erhalten.“
„Was soll das Ganze? Das ist doch lächerlich“, sagte Vollmer in unsicherem Ton.
„Nein, im Gegenteil! Wir haben Hautspuren unter den Fingernägeln des Opfers gefunden, die nicht mit der eigenen DNA übereinstimmen.“
„Was bedeutet das?“, schaltete sich Margot Vollmer ein.
„Wir sind heute in der Lage, aufgrund einer DNA-Analyse den Täter zu ermitteln.“
„Welchen Täter?“, fragte ihr Ehemann.
„Den Mörder von Elvira Sauers Tochter. Darf ich nun hinein kommen, damit wir die Speichelprobe nehmen können?“
„Ich bin nicht der Mörder, also mache ich da nicht mit! Verstanden!“, schrie er.
„Nun, da Sie sich weigern, muss ich wohl mit einer richterlichen Verfügung wiederkommen. Wir sehen uns!“ Hauptkommissar Schulze wollte gerade gehen, als er sich noch einmal umdrehte und Vollmer musterte.
„Welches Sternzeichen sind Sie?“
„Verschwinden Sie!“
„Steinbock“, flüsterte seine Frau. „Warum?“
„Wir haben in der Hand des Mädchens ein Armband mit einem Anhänger gefunden. Auch noch relativ gut erhalten, Herr Vollmer. Was glauben Sie, was auf dem Anhänger zu sehen ist?“

Letzte Aktualisierung: 25.10.2008 - 21.00 Uhr
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