Der Tod aus der Teekiste
Der Tod aus der Teekiste
"Viele Autoren können schreiben, aber nur wenige können originell schreiben. Wir präsentieren Ihnen die Stecknadeln aus dem Heuhaufen."
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November 2008
Schwarze Magie
von Barbara Hennermann

Die alte Frau schob den bunt gemusterten Turban gerade und schlug die Zeitungsblätter zusammen. Ein zufriedenes Lächeln huschte über ihr dunkles Gesicht, als sie mit kurzen, dicken Fingern das raschelnde Papier glättete. Wieder einmal hatte sie einen Auftrag zur Zufriedenheit ihrer Kundschaft ausgeführt! Schwerfällig stemmte sie sich vom Küchenstuhl hoch und schlurfte ins Nebenzimmer. Der kleine abgedunkelte Raum war geschwängert vom aufdringlich schweren Geruch unzähliger Räucherkerzen. Ihr Lächeln steigerte sich zu einem breiten Grinsen. Vorsichtig entnahm sie einer Schatulle eine kleine Wachspuppe. Der Rumpf der Figur war durchstochen von mehreren langen Nadeln, die sie nun behutsam herauszog. Dann entfernte sie das aufgeklebte Portraitfoto von dem wächsernen Gesicht und legte die Puppe zurück in den Kasten. Hier würde sie bleiben, bis ihr nächster Zauber ins Haus stand. Dieser Auftrag war erfüllt. Morgen würde sie hoffentlich den Rest der ausgemachten Geldsumme auf ihrem Konto vorfinden.

…

Plötzlich und unerwartet wurde mein Mann
Ernst Albrecht Schuster
mitten aus einem arbeitsamen Leben gerissen.
In Liebe und Dankbarkeit
Elvira Schuster


…

Die Türglocke schrillte unangenehm laut. Elvira hastete ärgerlich zur Tür. Es würde wohl wieder jemand sein, der ihr sein Beileid aussprechen wollte. Warum konnte man sie nicht einfach in Ruhe lassen? Sie öffnete missmutig die Tür. Schlagartig verflog ihr Ärger und sie fiel der Frau, die vor ihr stand, laut weinend um den Hals. „Agnes, wie schön, dass du so rasch gekommen bist!“ Eng umschlungen standen die Freundinnen eine Weile stumm im Hausflur. Dann lösten sie sich voneinander und betraten das Wohnzimmer. Aufatmend ließ sich Elvira auf einen Sessel fallen. „Gott, bin ich froh, dass du da bist! Endlich jemand, bei dem ich mich nicht mehr verstellen muss!“ Die Freundin zog die Augenbrauen hoch. „Also los, meine Liebe, was ist wirklich passiert? Dein Anruf war so konfus, dass ich damit nicht klar kam.“
Elvira schluckte. Dann sprudelte es aus ihr heraus: „Ich konnte es einfach nicht mehr ertragen, Agnes! Diese ständigen Lügen! Du weißt doch selbst, wie Ernst war – dauernd hatte er eine andere und erwartete von mir, dass ich das toleriere. Nach außen hin spielte er den liebevollen Ehemann, aber mich benutzte er wie einen alten Besen. Es war so demütigend!“ Sie schluchzte auf. „Dann fand ich zufällig im Internet die Seite von dieser Consuela Agamba. Liebeszauber, Rückführungszauber, Schadenzauber, Puppenzauber – was weiß ich noch alles. Ich hab der Frau eine Mail geschickt und sie hat geantwortet. Versprach mir Hilfe, ich solle ihr nur ein Portraitfoto von ihm schicken. Mir war alles egal, wenn sich nur was ändert. Sie wollte 1000 Euro als Anzahlung und noch mal 2000 im Erfolgsfall. Ich habe meinen Schmuck verkauft und ihr die Anzahlung überwiesen. Das war vor vier Wochen. Ich dachte schon, die Frau ist eine Betrügerin, als sich nichts tat. Ernst war umtriebig wie immer, klagte nur ab und zu über einen stechenden Schmerz in der Brust. Ich maß dem keine Bedeutung bei, dachte, er wird mal wieder Blähungen haben und wie üblich wehleidig bei mir herumjammern. Bei seinen tollen Freundinnen mimte er ja immer den Sport gestählten Weltmann.
Aber vorgestern riefen sie mich aus seinem Büro an, er war da einfach umgekippt. Natürlich bin ich sofort ins Krankenhaus gefahren, doch als ich hinkam, war er schon tot. Und heute war das im Briefkasten.“ Sie holte aus ihrer Handtasche ein zerknittertes Foto, das eindeutig den verblichenen Ernst Albrecht darstellte. „Agnes, das ist doch hirnrissig! Voodoo! Hier in Deutschland!“ Sie brach wieder in Tränen aus. „So was gibt´s doch gar nicht!“

Die Freundin hatte still zugehört. Nun sah sie Elvira gerade ins Gesicht. „Aber geht es dir jetzt nicht besser?“ Elvira zuckte zusammen. Röte überzog ihre Wangen, als sie fast unhörbar hauchte: „Doch, Agnes, das ist ja das Schlimmste dran. Ich bin richtig froh, dass alles ein Ende hat.“ „Nun gut, dann zahle deine Schulden und sprich mit keinem drüber, was geschehen ist. Hast du das Geld?“ „Ja schon, aber…“ „Kein aber – oder willst du, dass die alte Hexe dir auch noch ihren Zauber aufdrückt?“

…

Große Zufriedenheit zeichnete das breite, schwarze Gesicht. Dieses Internet war schon eine feine Sache! Unglaublich, wie sich hier Altes mit Neuem verquicken ließ…Consuela Agamba hatte eben ihre Kontoauszüge im Onlineverfahren überprüft. Die Klientin Schuster hatte brav ihre Schulden beglichen, so musste das sein! Consuela holte das Foto, das sie heimlich von ihr geschossen hatte, aus einem Umschlag, zerriss es in kleine Stücke und legte diese in eine Porzellanschale. Dann hielt sie ein Streichholz daran und verbrannte die Schnipsel unter geheimnisvollem Gemurmel. Ein kleiner Gesundheitszauber als kostenlose Dreingabe für eine zufriedene, ehrliche Kundin! Sicher würde die ihr wieder Kundschaft zuführen, denn nur so konnte das Geschäft weiter boomen…

…

Der Umschlag war groß und braun und hatte etwas Amtliches an sich. Elvira drehte ihn in den Händen. Hoffentlich nichts Unangenehmes! Zögernd riss sie das Papier auf. Der Brief kam vom pathologischen Institut, enthielt eine Menge mit Kurven und Analysen bedruckte Blätter. Hastig begann sie das oberste zu lesen.

Sehr geehrte Frau Schuster, wir können Ihnen nun nach eingehenden Untersuchungen mitteilen, dass Ihr Mann, Ernst Albrecht Schuster, an einem versteckten Hinterwandinfarkt verstorben ist. Höchstwahrscheinlich ist die Erkrankung auf einen bereits angeborenen Herzfehler zurückzuführen, der im Vorfeld keine weiteren Beschwerden verursachte. Leider zeigt sich diese Form des Herzinfarktes mitunter erst so spät, dass ärztliche Hilfe nicht mehr greifen kann. Wir bedauern das.
Beiliegend erhalten Sie die ausführlichen Untersuchungsergebnisse.
Mit freundlichen Grüßen….

Letzte Aktualisierung: 07.11.2008 - 15.01 Uhr
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