Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
Es wird einmal ein Spatz namens Waldemar gewesen sein. Ein graubrauner kleiner Haussperling, der als einziger seiner Art Asyl auf Gottes weitem Erdenrund erhalten haben dürfte. Genauer gesagt nicht auf dem Erden-, sondern dem Himmelsrund. Doch werfen wir einen Blick voraus, wie es gewesen sein muss.
Es ertönten die letzten dreihundert Takte der gewaltigsten Sinfonie aller Zeiten, Gottvater als Komponist am Pult. Der letzte Satz hatte siebentausendsiebenhundertsiebenundsiebzig Jahre gedauert. Der Maestro strich sich die weißen Haare aus der Stirn und trieb auch jetzt noch unermüdlich an. Streicher, Hörner und Flöten standen beinahe in Flammen. Die Zuhörer verfolgten gebannt das Finale eines Werkes, das sich nach fast dreißigtausend Jahren seinem Ende zuneigte.
Bataillone der Seligen und erlesene Kontingente von Märtyrern und anderen Heiliggesprochenen waren es in der Prominentenloge des Wolkenbaldachins. Vor dem Thron vierundzwanzig Älteste. Ihnen zur Seite hundertvierundvierzigtausend Versiegelte, und auf den unteren Wolkenplätzen die unzähligen Überwinder und Gerechten, in weißen Gewändern wie die zwölf Stämme in den Seitengängen und die vielen selig gewordenen Tiere auf den Stehplätzen.
Der Maestro gab das Zeichen für die Triangel. Sie hatte nur diesen Einsatz. Ein kurzer Ton, aber für den künstlerischen Gesamteindruck unverzichtbar. Es war Waldis Auftritt, der exakt für diesen Höhepunkt seines Spatzenlebens tausende Jahre hatte warten müssen. Und der sich insgeheim für berufen hielt, ein solches Konzert noch eindrucksvoller als Gottvater dirigieren zu können. Leider war Waldemar so tief in einem wunderschönen Traum gefangen, in dem er selber auf dem Dirigentenpult saß, dass er seinen Einsatz verpasste.
„Waldemar!“, donnerte der Höchste. Der Spatz schrak auf. Aber anstatt das „Pling“ nachzuholen, verbeugte er sich, immer noch in seinem Traum verheddert, nach allen Seiten. Die Geduld des Allmächtigen war vorbei. †...
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Geschichte gehört zu den Siegergeschichten und erscheint in unserer Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns nicht selbst Konkurrenz machen möchten, indem wir die Geschichte ebenfalls hier komplett veröffentlichen.
Vielen Dank!
Andreas Schröter
Letzte Aktualisierung: 31.01.2009 - 23.16 Uhr Dieser Text enthält 10252 Zeichen.