Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
In diesem Buch präsentiert sich die erfahrene Dortmunder Autorinnengruppe Undpunkt mit kleinen gemeinen und bitterbösen Geschichten.
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berraschung | Februar 2009
Ablösung
von Klaus Eylmann

Fröhlich pfeifend verlieβ Hauptfeldwebel Müller sein Amtszimmer, lief die Treppe zur Werkstatt hinunter und schob das Stahltor zur Seite. Dann stand er im Freien und lieβ sich von der Morgensonne bescheinen. Instandsetzungskompanie 3/176. Dem Spieβ war der Laden ans Herz gewachsen. Jeden Tag stand er vor dem Tor, wenn seine Jungs von der Unterkunft zur Werkstatt marschierten. Er hörte sie singen: “Nach der Heimat geht mein heiβes Sehnen, nach der Heimat will ich wieder hin. Und sie scherzten (das letzte Drittel der Kompanie brüllte “wohl unters Hemd “) Liebchen aber weinte ... .” Sie würden jetzt an der Artilleriekaserne vorbeimarschieren, an den Soldaten vorbei, die ihre Köpfe durch die Fenster steckten und lachten.
Es dauerte nicht mehr lange und Unteroffizier Strunz führte sie in Marschformation um die Ecke.
“Abteilung … halt!”
“Rechts … um!”
“Kompanie ... stillgestanden!” Hacken knallten zusammen. Es klackte ein paar Sekunden zu lang.
Strunz grüsste. “Herr Hauptfeld. Kompanie ist zur Befehlsausgabe angetreten.” Müller wandte sich an die Kompanie. “Guten Morgen Soldaten!”
Die brüllten: “Guten Morgen, Herr Hauptfeldwebel webel webel webel!”
Auch das klappt nicht, dachte Müller, aber er wars zufrieden. Schlieβlich waren seine Jungs Mechaniker und keine Gardeelite.
“Kompanie … wegtreten!”
Müller blickte auf die Uhr, Hauptmann Kohlbier, der Kompaniechef, hatte ihn in die Offiziersmesse befohlen.

Er riss die Tür auf und blickte verdutzt in den Raum. An der Wand standen zehn chromblitzende Gestalten, bewegungslos. Brigadegeneral Brenner und Hauptmann Kohlbier kamen auf ihn zu.
“Müller, schön dass Sie da sind, wir möchten Ihnen Ihre neue Kompanie vorstellen.” Hauptmann Kohlbier stellte sich vor die Roboter:
“Kompanie … stillgestanden!” Hacken knallten.
“Guten Morgen Soldaten!”
“Guten Morgen Herr Hauptmann!”
“Soldaten, rührt euch!”
Die Roboter fielen in ihre Passivität zurück.
General Brenner sah, daβ Hauptfeld Müller blass wurde und legte ihm seine Hand auf die Schulter.
“Kommen Sie Müller. Setzen Sie sich erst mal und nehmen Sie einen Schluck.” Brenner drückte Müller in einen Sessel und ein Glas Cognac in die Hand.
“Also passen Sie auf, Müller. Es sind Roboter vom Typ ST7310, die wir in der Instandhaltung einsetzen wollen. Eine Weiterentwicklung des stationären Typs ST6310, der bereits seit mehreren Jahren in der Autoindustrie arbeitet.”
Brenner hob sein Glas: “Prost, Müller. Auf einen neuen Abschnitt in der Militärgeschichte. Ihre Soldaten weisen die Robo-Kameraden innerhalb eines Jahres ein und werden dann mit einer Bombenabfindung nach Hause geschickt. Was sagen Sie dazu?”
Müller blieb stumm, blickte ausdruckslos auf den General, der versuchte, einen fröhlichen Eindruck zu machen.
“Die neue Kompanie wird in zwei Schichten arbeiten. Die dritte benötigt sie zum Aufladen. Die Station hierfür kommt in die Soldatenunterkunft.”
Hauptmann Kohlbier gesellte sich zu ihnen.
“Müller, wir tauschen nur die einfachen Soldaten aus. Vom Unteroffizier aufwärts bleibt alles beim Alten. Wir benötigen Sie zur Überwachung, um zu verhindern, dass die Roboter auβer Kontrolle geraten. Übrigens haben sie auch schon bei der Artillerie angefangen, umzustellen.”
Die Gedanken wirbelten in Müllers Kopf herum.
“Meine Herren, das geht mir unter die Haut. Ich habe mich so an meine Soldaten gewöhnt, an die Leute mit ihren Eigenheiten und Schwächen. Nun wird alles so perfekt und fehlerfrei. Ich werde keine Leute mehr in den Bau schicken können. Zusammenscheiβen macht auch keinen Spaβ mehr; dafür wird es keinen Grund mehr geben. Wird ein stinklangweiliger Job, nur, ich bin schon zu alt, um mir einen anderen zu suchen.”
General Brenner deutete auf die Roboter. “Es ist für uns alle eine gewaltige Umstellung. Unser Ziel ist es, dafür zu sorgen, dass die Armee in ferner Zukunft ohne Menschen auszukommt. Andere Nationen arbeiten ebenfalls daran. Wir können nicht wollen, dass wir als einziges Heer in einem Krieg den Feinden unsere Soldaten als menschliches Kanonenfutter anbieten.
Ein Robo-Soldat wird aktiviert und Ihrer Truppe zugeordnet. Er wird sich dort alles ansehen. Das, was dieser Robo-Soldat hört und sieht, hören und sehen auch alle seiner Kameraden, einer seiner Vorteile. Dieser Robo-Soldat wird alles tun, was Ihre Soldaten machen. Er wird als Bestandteil der Kompanie mitmarschieren und Fahrzeuge reparieren. Kommen Sie mit, Müller.”
General Brenner erhob sich und ging auf einen der Roboter zu.
“R22, nehmen Sie Haltung an. Berichten Sie.”
Der Roboter strand stramm. “Herr General, keine besonderen Vorkommnisse.”
“R22, Sie gehen jetzt mit Hauptfeldwebel Müller in die Werkstatt und lassen sich von den dortigen Soldaten einweisen. Sie werden das Gleiche machen wie alle anderen Angehörigen der Truppe, zum Beispiel morgens von der Unterkunft zur Werkstatt und abends wieder zurückmarschieren.”
“Jawohl Herr General.”
“Also Müller, hier haben Sie ihn. Sollte irgendetwas aus dem Ruder laufen, Sie wissen, wo Sie mich finden können.”

“R22 kommen Sie mit!” Müller sah den Roboter nicht an, als sie gemeinsam zur Werkstatt gingen.
Müller übergab R22 einem Werkstattmeister, stieg die Stufen hoch, die zu seinem Büro führten, setzte sich und vergrub das Gesicht in seinen Händen.

Sie hatten ein Jahr veranschlagt, doch schon nach einigen Wochen hatten die Roboter alles gelernt, was es zu lernen gab. Die alte Kompanie war nach Hause entlassen worden. Den Abend zuvor hatten sich alle sinnlos betrunken. Alles was an Emotionen hochkommen konnte, war sichtbar geworden. Sie hatten gelacht, geweint, sich umarmt; denn jetzt war alles vorbei, würde der Perfektionismus einziehen, die Schwächen mit den menschlichen Soldaten verschwinden.

Wieder ein Morgen und Müller stand vor dem Tor der Werkstatt. Die neue, chromblitzende Kompanie war auf dem Weg von der Unterkunft dorthin und Müller hörte den Gesang: “Nach der Heimat geht mein heiβes Sehnen, nach der Heimat will ich wieder hin. Und sie scherzten (und das letzte Drittel der Kompanie brüllte “Wohl unters Hemd “) Liebchen aber weinte … .”
Unteroffizier Strunz blickte automatisch zu den Fenstern der Artilleristen. Die aufgehende Sonne spiegelte sich auf den metallenen Köpfen in den offenen Fenstern. “Ha, ha, ha, ha.”
Nach einer Weile bog er um die Ecke und sah Hauptfeld Müller vor dem Werkstatttor.
“Abteilung … halt!”
“Rechts … um!”
“Kompanie … stillgestanden!” Hacken knallten. Es klackte ein paar Sekunden zu lang. Strunz grüsste. “Herr Hauptfeld. Kompanie ist zur Befehlsausgabe angetreten.” Müller wandte sich an die Kompanie. “Guten Morgen Soldaten!”
“Guten Morgen, Herr Hauptfeldwebel webel webel webel!”
Und Müller fiel ein Stein vom Herzen.

Letzte Aktualisierung: 24.02.2009 - 22.53 Uhr
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