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Überraschung | Februar 2009
Dunkelheit
von Christine Hettich

In dem Raum gibt es weder Tür noch Fenster. Nichts als vier glatte Wände. Meine Augen haben sich allmählich an die Dunkelheit gewöhnt. Mit Entsetzen nehme ich wahr, dass eine der Mauern sich in Bewegung gesetzt hat. Sie kommt auf mich zu, langsam und unaufhaltsam. Mir wird klar, dass es kein Entrinnen geben kann: Sie wird mich zerquetschen. Die Luft ist knapp, ich will schreien, doch es kommt kein Laut aus meiner Kehle.

Das war mein schlimmster Albtraum. Er liegt lange zurück. Damals war ich noch ein kleines Mädchen. Ich hatte ihn längst vergessen. Dachte ich jedenfalls. Nun wird er mir, in jeder Einzelheit, wieder gegenwärtig.
Warum gerade jetzt?
Liegt es an diesem diffusen Gefühl, einer Bedrohung ausgesetzt zu sein? Mein Geist ist gelähmt. Es fällt mir schwer, meine Gedanken zu ordnen. Irgendetwas ist anders als sonst, doch was? Was ist passiert? Ich versuche mich zu erinnern.
Vielleicht sollte ich meinen Alkoholkonsum in Zukunft doch etwas einschränken. Mein Arzt hat mich stets vor meinen Exzessen gewarnt. Wo bin ich überhaupt? Mir ist kalt. Es ist feucht und dunkel hier. Es schaudert mich. Das ist nicht meine Welt. Ich bin ein Kind der Sonne. Meine Liebe gilt der Wärme, dem Licht. Ich versuche mich zu bewegen. Es will mir nicht gelingen. Alles ist so eng.
Angst hat einen eigenen Geruch. Ich kann ihn deutlich wahrnehmen. Die Atmosphäre der Bedrohung will nicht weichen. Diese Dunkelheit, es ist der Schatten des Todes.
Angst.
Todesangst! Wie damals in meinem Traum. Diese Beklemmung ist unerträglich. Eine große Last liegt auf meinem Herzen, erdrückt mich. Überhaupt kommt es mir vor, als würde mir jemand die Organe zuschnüren. Mir wird übel. Ich kotze mir die Eingeweide, oder vielleicht auch nur den überschüssigen Portwein, aus dem Leib und doch fühle ich keine Erleichterung. Ein Maelström bedrohlicher Bilder überflutet mich. Ich stehe am Rande eines Abgrundes. Die Erde zerrinnt unter meinen Füßen und zieht mich in die Tiefe. Ein ewiger, langsamer Fall!
Plötzlich erklingt ein hämisches Lachen inmitten der endlosen Stille.
Panik.
„Wer bist du? Zeig dich, du Schurke!“ schreie ich in die Nacht hinein. „Zeig dich, wenn du kein Feigling bist!“
Stille.
Gibt es denn hier keinen Lichtschalter, verdammt?
Erneut versuche ich, meine Gedanken zu ordnen. Es fällt mir schwer. Verdient es überhaupt noch den Namen von Denken, dieses kümmerliche, mühsame Aneinandersetzen von Ideen? Einfälle einer Verrückten - denn ich fühle mich dem Wahnsinn nahe.
Erneutes Lachen.
Die Zeit vergeht unendlich langsam. Wie lange es gedauert hat, bis mir endlich klar wurde, dass dieses nun hysterische Lachen, aus meinem eigenen Inneren kommt, vermag ich nicht zu sagen. Ich stelle mir die Frage, ob Wahnsinn nicht auch befreiend sein kann.
Nein, das werde ich nicht zulassen. Ich hole tief Luft, spüre einen erdigen Geschmack in meiner Kehle. Mit großer Anstrengung gelingt es mir, meine Arme ein wenig zu bewegen. Ich taste meine Umgebung ab. Es fühlt sich nach Holz an. Wenn es nur nicht so eng wäre! Dumpfe Geräusche dringen zu mir und lassen mich erstarren. Es scheint mir unmöglich, sie irgendetwas Bekanntem zuzuordnen. Es könnten Schritte sein, doch sie hören sich an, als wären sie sehr weit weg. Über mir!
Mein Gott, es SIND Schritte und sie SIND über mir! Dieses Holz, es ist eine Kiste, eine Kiste unter der Erde.
Ein Sarg!
Mein Sarg!

Letzte Aktualisierung: 06.02.2009 - 15.55 Uhr
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