Futter für die Bestie
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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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Überraschung | Februar 2009
Die beste Freundin
von Ann Nissuth

„Mensch, Gitti! Wie siehst du denn aus?!? Gehst du auf einen Maskenball oder so was?“
Meine beste Freundin Karen scheint aufrichtig entsetzt.
„Wenn ich mal mein weniger langweiliges Ich herauskehre, musst du dich nicht gleich darüber aufregen.“
So ein kleines bisschen beleidigt bin ich schon. Hohn statt Beifall. Das ist auch von der besten Freundin nicht so ohne weiteres zu ertragen.
„So hab ich dich noch nie gesehen“, meint sie versöhnlich.
„Dich wollte ich ja auch noch nie verführen“, gebe ich patzig zurück - ein gravierender Fehler. Karen ist jetzt Neugier pur.
„Schade eigentlich. Aber sag, hab ich da was verpasst? Wer ist denn der Glückliche?“
Jetzt nichts sagen, heißt wertvolle Zeit verlieren. Wo ich mit ihrem Besuch doch eh nicht gerechnet habe, nicht jetzt und heute. Beinahe in Ohnmacht gefallen bin ich, als sie eben klingelte. Einen Moment dachte ich, er hätte sich in der Zeit vertan.
„Ralf. Kennst du nicht. War früher an meiner Schule. Reicht das?“
„Nee“, entgegnet sie prompt.
Ich seufze tief.
„Karen, schau, ich kann dir ja danach mehr erzählen. Aber jetzt sei bitte so niedlich und lass mich hier fertig werden.“
„Ein Rausschmiss!“
Sie krallt sich ihren Rucksack und dreht ab. Nicht ohne im Weggehen zu bemerken:
„Du musst authentisch sein, Schätzchen. So haut es jeden Kerl anders um als dir lieb sein kann.“
Damit rauscht sie hinaus.
Authentisch! Ich habe durchaus auch eine verruchte Seite, liebe Karen. Und genau die werde ich heute präsentieren!
Ein kritischer Blick in den Spiegel bestätigt mir dann leider, dass sie so Unrecht nicht hat. Eindeutig zu viel Schminke! Ist ja auch nicht einfach, wenn du den Kram so gut wie nie benutzt. Ich sehe in der Tat aus wie maskiert! Also wieder runter mit dem großen Make-up. Aber so ganz nackig im Gesicht - und dann High Heels und Etuikleid?
Brigitte in mir rät: „Bring die High Heels zurück. Du brichst dir nur den Hals damit. Und Stolpern ist nicht wirklich sexy.“
Mein schwarzer Sündenfummel dann mit Birkenstock? Oder doch wieder Jeans und T-Shirt? Und wozu habe ich dann die Strapse angeschafft? Wer nicht investiert, verliert. Hat Karen auch immer gesagt. Authentisch! Vielleicht doch wieder Jeans? Die alten Ballerinas und das Kleid! Und statt der Tünche nur ein bisschen Gloss und Kajal.
Ach, Ralf, was bin ich aufgeregt! Als du angerufen hast, da habe ich deine Stimme sofort erkannt! Nach so furchtbar langer Zeit! Sie geht mir immer noch direkt unter die Haut.
„Gitti, bist du’s wirklich? Ralf hier. Erinnerst du dich? Du, mein Akku ist gleich leer. Ich bin heute bei euch im Dorf. Hast du Zeit für ein Treffen?“
Ich hatte Mühe nicht zu stottern.
„Ralf? Fein. Komm einfach bei mir vorbei. Sagen wir: fünf Uhr?“
„Passt prima, Gitti, ich ….“
Dann gab sein Handy auf. Und ich fing auf der Stelle mit den Vorbereitungen an: Aufräumen, Einkaufen (Sekt, Kerzen, High Heels, Strapse und Zutaten für Canapees), noch mal Aufräumen, Häppchen richten, Ganzkörperrasur, Bad und Schönheitsmaske. Auf diesen Mann, das war mir plötzlich klar, hatte ich dreißig Jahre lang gewartet. Ein Bild von einem Kerl und dabei einfühlsam und rücksichtsvoll. Zu rücksichtsvoll damals - im Nachhinein betrachtet. Mein erster Mann hatte er werden sollen, auf unsrer Abifeier, hinten in dem alten Schweinestall. Er hatte mich fest in den Arm genommen.
„Dein erstes Mal – das sollte schon an einem ganz besonderen Ort sein, nicht hier, Gitti!“
Ach, Ralf! Weil wir uns danach ganz lange nicht gesehen hatten – du warst im Ausland und ich hörte keinen Piep von dir – fand ES am Ende in der Besenkammer einer Wirtschaft statt, so gar nicht schön und eigentlich zum Abgewöhnen. Aber heute, das wird unser erstes Mal, da bin ich mir ganz sicher! Ich weiß, dass du noch solo bist.
Wieder die Klingel. Erwartungsfroh drücke ich auf. Schon steht er vor mir, immer noch ein unverändert tolles Mannsbild. Er strahlt mich an. Da ist sofort wieder diese Vertrautheit, gepaart mit Puddingknien.
„Gitti, ist das schön, dass das geklappt hat! Ich hab noch jemanden mitgebracht.“
Er tritt ein wenig auf die Seite.
Mein verwirrtes Hirn meldet: „Ein Dreier? Da reichen doch die Häppchen nicht!“
„Darf ich dir vorstellen: meine große Liebe. Wir sind in den Flitterwochen. Ich hab das Gefühl, sie ist noch immer meine beste Freundin, Simon.“

Letzte Aktualisierung: 22.02.2009 - 21.02 Uhr
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