Honigfalter
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Überraschung | Februar 2009
In einer Sommernacht
von Anissa Heinrichs

Vom Hafen her wehte ein Geruch von Salzwasser über das Land und es war warm. Sommernächte wie diese fühlten sich gut an, denn sie waren angenehm leicht und entspannend. Die Menschen schienen in solchen Nächten glücklicher und höflicher zu sein als sonst. Viele Lokale hatten jetzt ihre Stühle rausgestellt und lockten damit, dass man bis spät in die Abendstunden draußen sitzen konnte. Man konnte Gelächter hören. Die ganze Stadt schien es zu genießen, dass die Nacht so lau war.
Sie hatte die Party verlassen, weil es ihr dort zu laut wurde. Nun brauchte sie die Stille und Dunkelheit. Sie atmete tief durch und genoss die saubere Luft ohne Zigarettenqualm. Ihr leichtes Sommerkleid umspielte ihren Körper und ließ es zu, dass der Wind an ihre Haut drang. Es kühlte etwas und fühlte sich gut an. Sie spazierte grazil am Ufer entlang und schaute sehnsüchtig aufs Wasser. Nachts sah die Welt anders aus, denn sie bestand hauptsächlich aus Grautönen. Doch wenn man genau hinsah, dann steckte sie auch voller Geheimnisse und Wunder.
Im Hafen lagen Kreuzfahrtschiffe, die darauf warteten, dass sie wieder auf große Fahrt gingen. Dann würden sie die Meere bereisen und neue Ufer entdecken.
Die junge Frau im leichten Sommerkleid blickte hinüber zu den Schiffen und schluckte kurz trocken. Vielleicht wurde es auch für sie langsam Zeit wieder weiterzuziehen. Doch im Moment genoss sie einfach nur die schöne Nacht und ging weiter. Die Uferstraße war nur für Fußgänger und zu dieser nächtlichen Stunde war es dort sehr einsam und dunkel. Die Häuser waren mehrere hundert Meter entfernt und es waren nur Geschäftshäuser, in denen niemand mehr sein würde.
Sie war also völlig allein, während sie am Ufer entlang ging. Doch dann hörte sie plötzlich Schritte hinter sich. Schwere Stiefel hörten sich so an. Sie kannte dieses Geräusch. Sie wusste, dass es ein Mann war, der hinter ihr her war. Selbst auf die etwas größere Distanz konnte sie deutlich sein Aftershave riechen. Es war eine billige Marke und roch abscheulich.
Warum dachten die Männer immer, dass es gut war, so viel wie möglich von diesem Zeug aufzulegen? Das hatte sie nie verstanden. Im Laufe der Zeit hatte sie viele Männer kennengelernt
und die meisten von ihnen hatten viel zu viel Aftershave aufgelegt. Sie musste lächeln, als sie daran dachte. Die Menschen waren manchmal wirklich seltsam.
Ihr Verfolger beschleunigte seine Schritte und kam näher. Auch sie ging schneller und wusste, dass er nicht aufgeben würde. Langsam verringerte sich der Abstand zwischen ihnen. Militärstiefel, das hörte sie an der Art, wie sie auf den Weg knirschten. Gute Stiefel. Sehr robust.
Der Mann hatte einen schlechten Geschmack was sein Aftershave betraf, aber in Bezug auf seine Stiefel setzte er auf Qualität. Was sagte das über ihn aus? Er schien praktisch veranlagt zu sein.
Doch das würde ihr nicht weiterhelfen. Umso näher er kam, desto gefährlicher wurde er ihr. Eine junge Frau mitten in der Nacht, die alleine unterwegs war, saß wie auf dem Präsentierteller. Ein Mann mit schweren Stiefeln, der ihr folgte, konnte nichts Gutes bedeuten.
Es würde wahrscheinlich gleich am nächsten Tag in der Zeitung stehen – „Junge Frau am Flussufer nach Überfall tot aufgefunden.“
Sie blickte sich nicht um, denn sie wollte ihn nicht sehen. Es war besser, wenn sie nicht zu viel voneinander wussten. So kamen beide nicht in Versuchung irgendetwas Dummes zu tun.
Ein normaler Passant war das nicht, der würde sie nicht so hartnäckig verfolgen. Niemand sonst war zu sehen oder zu hören. Sie waren völlig allein. Die Straße wurde schmaler und von Büschen gesäumt. Perfekte Verhältnisse für einen Überfall, dachte sie und begann zu laufen. Ihre Schritte wurden hektisch, ihr Atmen wurde immer schneller und ihr Puls raste bereits.
Was würde er nun als Nächstes tun?
Zunächst blieb es still. Er behielt sein Tempo und wartete ab, während sie versuchte, ihm davonzulaufen. Vergeblich?
Sie rannte weiter, immer schneller. Aber es war nicht schnell genug. Mit den hohen Schuhen konnte sie nicht richtig laufen und hatte Angst, umzuknicken.
Ihre Stöckelschuhe hämmerten auf dem Boden. Warum hatte sie ausgerechnet diese Schuhe angezogen? Es waren nicht gerade die besten Fluchtschuhe. Aber sie wollte gut aussehen und diese Schuhe machten extrem sexy. Sie war sich ihrer Wirkung bewusst und spielte damit. Die Männer auf der Party konnten ihre Augen nicht von ihr abwenden und machten sich reihenweise an sie heran. Es gefiel ihr sehr. Doch jetzt verfluchte sie ihre Entscheidung. Turnschuhe und Hose wären sicherer gewesen. Allerdings denkt wohl niemand daran, dass er gleich überfallen wird.
Sie würde davon Abstand nehmen, nachts alleine eine einsame Straße entlang zu gehen.
Schweiß lief ihr über die Stirn und die Angst kroch in ihr hoch. Panik überfiel sie.
Es war sicher, dass dieser Mann sie gleich einholen würde und sie in Gefahr bringen würde.
Plötzlich fasste er ihr an die Schulter. Er hatte sie erreicht und die Jagd war vorbei. Sie drehte sich um und war bereit zuzuschlagen. Er hielt sie fest und flüsterte ihr zu, dass sie keine Angst haben brauchte. Seine Augen sahen sie an und musterten sie.
„Was wollen Sie?“ fragte sie ungeduldig.
„Nichts, ich wollte dich nur ansehen. Mehr nicht. Du bist so wunderschön“, antwortete er.
„Gut, das ist ja jetzt erledigt, dann können sie mich auch loslassen!“
„Ich will nur nicht alleine sein. Ich war so lange einsam. Du verbringst die Nacht mit mir, nicht wahr?“
„Ich bin auf dem Heimweg. Lassen Sie mich los, oder ich schreie!“
Doch sein Griff blieb weiterhin unerbittlich. Sie versuchte sich davon zu befreien, doch es gelang ihr nicht. Was sollte sie jetzt tun? Konnte sie ihn gehen lassen?
„Bitte, ich möchte nur nach Hause“, meinte sie.
„Deine Haut ist so weich. Ich liebe weiche Haut. Auch dein Haar gefällt mir. Es ist perfekt.“
Langsam reichte es ihr und sie verlor die Geduld. Was wollte dieser Typ nun von ihr?
Er strich ihr sanft über das Haar und betrachtete ihren Körper. Der Blick war ihr bekannt, viele Männer hatten sie bereits so angesehen. Ihr war klar, was folgen würde.
Sie sah sich gründlich um. Es war keine Menschenseele zu sehen. Sie waren völlig allein.
Niemand würde es sehen, niemand würde zu Hilfe eilen. Es war vorbei.
Sie konnte etwas in seinen Augen sehen, das ihr sagte, es würde nicht gut ausgehen.
„Okay, dann lass es uns zu Ende bringen!“ rief sie.
Er blickte sie seltsam verstört an und schreckte unwillkürlich zurück. Gefangen!
„Hab keine Angst...sei still...hab keine Angst vor mir.“
Doch die Augen spiegelten große Angst und Hilflosigkeit wieder. Dann folgte ein Gefühl von Erleichterung und Wärme. Arme, die sich um den Körper schlangen und ihn hielten. Geborgenheit und Ruhe kehrten ein. Die Angst wich zurück und dann war es still.
Der Glanz aus seinen Augen war verschwunden und sein Körper ruhte in ihren Armen, während sie ihm das Blut aus den Adern saugte.

Letzte Aktualisierung: 06.02.2009 - 15.50 Uhr
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