Honigfalter
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Überraschung | Februar 2009
Die zwei Leben des M. Jones
von Yvonne Rewny

„Es gibt zwei Arten von Menschen. Die einen haben einen geladenen Revolver und die anderen“, Montys Lippen verzogen sich zu einem dreckigen Grinsen, „buddeln.“ Melody Jones konnte es nicht fassen. Er sollte sein eigenes Grab schaufeln? Hilflos sah er sich um. Weit dehnte sich die Prärie unter seinem Blick, sanfte Hügel stießen an den blauen Himmel und die Sonne brannte unerbittlich. Langsam bückte er sich nach der Schaufel, die Monty ihm hingeworfen hatte und stieß das Metall in den kargen Boden. Aus den Augenwinkeln betrachtete er den Mann, der ihn loswerden wollte. Den Mann, den eine ganze Kleinstadt fürchtete. Monty Jarrad. Ein groß gewachsener, hagerer Kerl mit kalten Augen, der nicht lange fackelte und sich stets das nahm, was er wollte. Rücksichtslos, brutal und schnell. Was liebte Cherry nur an ihm?

Melody presste die Lippen fest aufeinander und jagte die Schaufel mit voller Wucht in den Sand. Er war wütend auf sich selbst. Da sollte er sein eigenes Grab ausheben und machte sich Gedanken um die Frau, die ihn so weit gebracht hatte! Sollte es ihm doch egal sein, wie sie fühlte und was aus ihr wurde. Sie hatte ihn sicher schon abgeschrieben, als er nicht zum Frühstück erschien. Er war nur ein schlechter Cowboy, der ihr eine Saison lang mehr Arbeit auf ihrer Ranch gemacht hatte, als es ohnehin schon gab. Dabei war er nicht mal das, er war kein Cowboy.

In seinem ersten Leben war er Lehrer gewesen, der seinen Beruf liebte und seine Frau, Mary-Ann. Er hielt inne und schaute in den Himmel. Ob sie ihm jetzt zusah? Was sie wohl dazu sagen würde, dass er ihr Haus verkauft und sich aus dem Staub gemacht hatte? Monty knurrte unwillig und deutete mit seinem Revolver auf die Stelle, an der er graben sollte. Melody wischte sich den Schweiß von der Stirn und wandte sich wieder seiner Arbeit zu. Es hatte lange nicht geregnet und der Boden war hart. Wie gerne hätte er jetzt einen kühlen Schluck Wasser! Doch sein Mörder sah nicht so aus, als würde er teilen wollen. Der hatte es sich, an einen Stein gelehnt, gemütlich gemacht. Den Hut tief ins Gesicht gezogen, saß er da und spielte träge mit einem Grashalm zwischen seinen Zähnen. Aber Melody machte sich keine Illusionen. Er wusste, dass Monty hellwach war.

Melody band sich das Schweißtuch vom Hals und wickelte es um seine Hand. Der Schaufelstiel hatte erste Spuren hinterlassen und die Haut schmerzte. Er würde nicht mehr erleben, wie sie heilte. Seine Augen wurden feucht und er sah seine Frau vor sich. Mary-Ann, wie sie ihn anlachte und umarmte. Mary-Ann, wie sie im Bett lag und er ihr nicht mehr helfen konnte. Der Winter war kalt und hart gewesen. Und eines Morgens war sie nicht mehr aufgestanden. Als sie Blut hustete, hatte der Doc ihn nur angesehen und den Kopf geschüttelt. Sie wurde auf dem kleinen Friedhof beigesetzt und an diesem Tag begruben sie auch einen Teil von ihm. Er war fort gegangen, wohl wissend, dass er nicht in die raue Welt des Westens passte.

Ein Geräusch riss ihn aus seinen Erinnerungen. Melody hörte auf zu graben und hob den Kopf. Monty hatte es auch gehört und legte warnend einen Finger auf die Lippen. Beide hielten den Atem an, als sie die Postkutsche hinter den Büschen erblickten. Bald war von ihr nur noch eine Staubwolke zu sehen. Sie blieben unentdeckt. Während Monty erleichtert ausatmete und es sich wieder am Stein gemütlich machte, blickte ihr Melody sehnsüchtig hinterher. Hätte er um Hilfe rufen sollen? Hätte er es geschafft, an seinen Revolver zu gelangen, der an Montys Satteltasche hing? Selbst wenn, was hätte es ihm genützt? Er war ein lausiger Schütze und niemand wusste das besser als er selbst. Außer George. Melody ließ den Kopf hängen. Es hatte ja alles keinen Zweck. Wozu Chancen suchen, wo keine sein konnten? Bald würde er bei Mary-Ann sein. Verbissen bearbeitete er weiter den Boden.

George hatte Melody am Bahnhof aufgegabelt. Viele Monate waren seit Mary-Anns Tod vergangen, in denen er sich quer durchs Land treiben ließ. Nun war das Geld aufgebraucht und er saß in dieser Gegend fest, wo es nichts für ihn zu tun gab. George hatte beschlossen, dass er kräftig genug für die Farmarbeit war und ihn mit auf die Longpré-Ranch genommen. Dort hatte er Cherry zum ersten Mal gesehen und verwundert zur Kenntnis genommen, dass sie hier der Boss war. Misstrauisch hatte sie ihn von oben bis unten gemustert und laut die Frage gestellt, die Melody sofort mit einem klaren Nein beantwortet hätte, wäre er nicht so hungrig und müde gewesen. Nämlich, ob er sicher wäre, dass dieser Job der richtige für ihn sei. In den kommenden Wochen gab er sich redlich Mühe, aber sein Körper war die harte Arbeit nicht gewohnt und immer wieder musste George für seinen Schützling einspringen.

Melody richtete sich auf und streckte seinen Rücken. Die Mittagssonne brannte heiß und der Durst wurde unerträglich. Was war das nur für eine Gegend? Kaum Regen, dafür jede Menge Staub und Schmutz. Die Menschen hatten sich dem Klima angepasst, rau und mitleidlos waren auch sie geworden. Kein Cowboy blieb länger als eine Saison. Er hatte George mal gefragt, warum er immer noch hier war. Und der alte Mann erzählte ihm seine Geschichte, die untrennbar mit der der Familie de Longpré verbunden war. Es hatte ihn hierher verschlagen, als Cherry und Monty noch Kinder waren und sorglos über die Weiden tollten. Dann kam die Eisenbahn und mit ihr viele Fremde. Er erzählte von Bandenkriegen um Land, Geld und Macht, und von einem jungen Mädchen, das über Nacht alleine mit der Ranch da stand und nicht weichen wollte. Also war auch er geblieben.

Heftig traf die Schaufel auf einen Widerstand und Melody wäre fast gefallen. Er atmete schwer, als er den Stein über den Rand der Grube hievte. Ein Blick genügte, um zu erkennen, dass Monty sich nicht gerührt hatte. Ob er jetzt vielleicht doch die Gelegenheit nutzen sollte, um abzuhauen? Gerade als er zum Sprung ansetzen wollte, lüftete Monty seinen Hut und grinste ihn hämisch an. Bastard! Und für so einen hatte er sein Leben riskiert. Zugegeben, nicht für ihn. Cherry bat ihn darum, zu einer Zeit, als er ihr schon lange nichts mehr abschlagen konnte. Also hatte er seinem eigenen Pferd den Sattel des Fremden, der blutend in der Scheune lag, aufgelegt und war davon geritten Es gelang ihm die Verfolger auf eine falsche Fährte zu locken und abzuschütteln. Monty hatte sich viele Feinde gemacht, auf seinem Weg zurück zu Cherry, die er einst verlassen hatte, um als gemachter Mann wiederzukommen. Berühmt war er geworden. Berüchtigt auch. Erst später erfuhr Melody, dass ein hohes Kopfgeld auf ihn ausgesetzt war. Es gab praktisch kein Verbrechen, dessen sich Monty nicht schuldig gemacht hatte.

„Hey du!“ Monty hatte sich aufgesetzt und winkte ihn zu sich. Melody lehnte die Schaufel an den Rand der Grube und kletterte hinaus. War es jetzt soweit? Erlebte er gerade die letzten Augenblicke seines Lebens? Das Loch war nun tief genug für einen Mann wie ihn. Durchdringend sah Monty ihn an. „Hast du wirklich geglaubt, du könntest meinen Platz einnehmen? Auf der Ranch … und in ihrem Bett?“ Die letzten Worte kamen gefährlich leise aus seinem Mund. Da er keine Antwort erhielt, sprach er weiter: „Hast du wirklich geglaubt, eine Frau wie Cherry verlässt einen Kerl wie mich für ein Weichei wie dich?“ Er lachte heiser und spuckte aus. Melody schluckte schwer. Ja, was hatte er sich eigentlich gedacht? Manchmal war er Cherry so nahe gekommen, dass er glaubte sie erwidere sein Gefühl. Er brachte sie gern zum Lachen, er mochte es, sie im Arm zu halten und er konnte sich auf einmal wieder vorstellen, zu heiraten und hier glücklich zu werden. Aber dann war Monty aufgetaucht. Angeschossen und halb verhungert. Seine Ankunft hatte alles verändert. Vom ersten Tag an machte er sich über den linkischen Aushilfscowboy lustig und Cherry hatte nichts zu seiner Verteidigung gesagt. Sie vermied es fortan mit ihm allein zu sein und ihr Ton wurde barscher. Er hatte verloren, was er wahrscheinlich nie besaß. Es schmerzte und er beschloss, fort zu gehen. Ein paar Meilen hinter der Farm hatte Monty ihn eingeholt und entwaffnet. Er war wild entschlossen, dafür zu sorgen, dass sein Rivale auch wirklich nie wiederkam.

„Du wirst es nie erfahren. Du wirst mich erschießen und dich dein Leben lang fragen, ob Cherry …“, weiter kam Melody nicht. Hart traf ihn Montys Faust in den Magen und er landete unsanft neben seinem Grab. Gerade wollte er sich aufrappeln, da fiel etwas an seinem Kopf zu Boden. Sein Revolver. Monty entfernte sich ein paar Schritte, dann drehte er sich um. „Hey! So macht das keinen Spaß. Steh auf und stirb wie ein Mann! Eine Chance hast du noch, wenn auch eine klitzekleine.“ Lauernd setzte er hinzu: „Wer weiß? Vielleicht hast du ja mein Grab gebuddelt.“ Hastig griff Melody nach der Waffe, sprang auf und drückte ab. Monty schaute belustigt neben sich. „Du schießt ja noch schlechter, als man sagt!“, lachte er und zielte auf Melodys Kopf. „Sag ‚bye’. Und wenn du in den Himmel ko…“, er verstummte und sah ungläubig an seinem Ziel vorbei, ehe er umfiel. Ein kleines Loch klaffte in seiner Stirn. Verwirrt griff sich Melody ans Ohr. Da war Blut! Er fuhr herum und sah Cherry mit einem Gewehr in der Hand. Sie atmete schwer und Tränen rannen über ihr Gesicht. Fassungslos starrte sie zu Monty.

Cherry hatte ihr Ziel verfehlt. Ihn. Für sie musste es von da hinten so ausgesehen haben, als würde er Monty jeden Moment erschießen. Den Mann, mit dem sie mehr verband, als die paar Monate eines Sommers. „Cherry … Es tut mir leid. Du hast daneben geschossen.“ Melody konnte ihre Trauer um diesen Mistkerl nicht ertragen. Langsam näherte er sich seinem Pferd, als zwei Schüsse die Stille durchbrachen. Das Tier scheute und galoppierte davon. Verwundert hob er den dünnen Lederriemen auf, der einmal ein Zügel gewesen war. Hinter sich hörte er Cherrys Stimme, sie zitterte leicht. „Wenn ich etwas treffen will, dann treffe ich es auch.“

Letzte Aktualisierung: 03.02.2009 - 08.46 Uhr
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