Honigfalter
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Überraschung | Februar 2009
Zeitreise (Skizze für das Drehbuch eines unendlich langen Kurzfilms)
von Werner Vogel

Ein junger Mann, leger gekleidet, betritt zögernd einen Raum, in dem bloß ein mit vollgekritzelten Zetteln, abgegriffenen Büchern und diversen medizinischen Gerätschaften wirr beladener Schreibtisch und ein Behandlungsstuhl aus einer Zahnarztpraxis stehen. Die Wände sind kahl. Der Mann blickt sich unsicher um. Unter dem Schreibtisch kriecht ein älterer Herr in weißem Kittel hervor, der dort wohl etwas gesucht hat. Als er den Ankömmling durch seine dicken Brillengläser erblickt, beginnt er mit krächzender Stimme schnell zu reden: „Na endlich, Jens, mein Held, da bist du ja! Dachte schon, du kneifst. Kann nichts passieren, wirst sehen! Mit der Nummer werden wir beide weltberühmt, garantiert. Das wird lukrativ! Ich spüre jetzt schon das Knistern der Banknoten in meiner Hosentasche. Fangen wir gleich an. Nimm Platz!“
Jens setzt sich auf den Zahnarztstuhl. Der Herr zieht inzwischen eine Spritze mit einer blauen Flüssigkeit auf. Jens krempelt lethargisch den rechten Ärmel hoch. Seine Lippen bewegen sich, als ob er etwas sagen wollte. Mehr als ein leises Säuseln gelingt ihm jedoch nicht.
„Na, du bist ja wieder einmal in Höchstform, Jungchen! Wie oft hab’ ich dir schon gesagt, du sollst die Finger vom Alkohol lassen, das Zeug beeinflusst deinen Organismus und schadet dir und unserer Mission!“, schimpft der Wissenschaftler, dessen Stimme dabei immer höher wird und nun wie die einer zornigen Großmutter klingt. Jens nickt kraftlos.
„Noch einmal, zum tausendsten Mal, damit nichts schief geht“, doziert der Alte ungeduldig weiter, „ … kaum bist du in der Vergangenheit, genauer gesagt gestern um vier Uhr, suchst du diesen Raum auf. Du wirst nicht weit entfernt davon landen. Die Dosis ist exakt berechnet. Da am Tisch hab’ ich gestern für ein paar Minuten ein Blatt mit einer vierstelligen Zahl und einer Zeichnung daneben hingelegt. Du prägst dir beides ein, aber flott. Nicht viel Zeit! Bist du wieder da und weißt Zahl und Bild, sind wir reich. Alles klar? Gut, Abflug!“ Er setzt Jens hektisch die Spritze. Der zuckt kurz zusammen und fragt dann leise mit verträumter Stimme: „Und du meinst wirklich, in ein paar Sekunden bin ich wieder da? Meine kleine Amelie wartet nebenan. Sie ist so furchtbar aufgeregt, macht sich Sorgen um mich. Ich weiß jetzt schon nicht mehr, wie ihre Küsse schmecken. Jede Sekunde ohne sie ist wie eine Ewigkeit.“ Der alte Mann lacht meckernd: „Gleich hast du dein Püppchen wieder! Eines kann ich dir aber verraten: Ihre Küsse schmecken nach Rauch! Sie pafft ja eine nach der anderen, wie ein Fabrikschlot in Manchester! So, genug davon! Konzentriere dich nur auf die Aufgabe. Wir werden all den stupiden, rückständigen und fantasielosen Kritikern beweisen, dass meine biokinetische Raum-Zeit-Transplantationsmethode kein Humbug ist, sondern …“ Während er spricht, verschwimmt das Bild und geht dann in ein anderes über. Der Ton wird leiser.
Jens steht nun mitten in einem von Neonröhren unzureichend beleuchteten Gang, der in Richtung einer weißen Tür führt. Es ist still hier, absolut still. Mit unsicheren Schritten taumelt Jens auf dieses weiße Viereck zu, das sein Ziel ist. Er passiert andere Räume, andere Türen, doch keine ist so weiß wie die, die er erreichen will. Aus einem Raum, an dem er vorbeigeht, klingt undeutlich eine Frauenstimme, die nervös telefoniert. Jens hält kurz inne, torkelt dann aber weiter, bis die weiße Tür so nahe ist, dass er sie berühren kann. Auf einem abgewetzten Schild steht da „Lab-r 4“, denn das „o“ ist verloren gegangen. Jens greift zur Türschnalle und drückt sie unsicher nieder. Das weiße Viereck schwingt geräuschlos von ihm weg. Er betritt zögernd den Raum dahinter, in dem bloß ein hoffnungslos überfüllter Schreibtisch und ein Behandlungsstuhl aus einer Zahnarztpraxis stehen. Sonst ist das Zimmer beängstigend leer. Jens blickt sich unsicher um. Unter dem Schreibtisch kriecht ein älterer Herr in weißem Kittel hervor, der dort wohl etwas gesucht hat. Als er den Ankömmling durch seine dicken Brillengläser erblickt, beginnt er mit krächzender Stimme schnell zu reden: „Na endlich, Jens, mein Held, da bist du ja! Dachte schon, du kneifst. Kann nichts passieren, wirst sehen! Mit der Nummer werden wir beide weltberühmt, garantiert. Das wird lukrativ! Ich spüre jetzt schon das Knistern der Banknoten in meiner Hosentasche. Fangen wir gleich an. Nimm Platz!“ Der seltsame Arzt beginnt eine Spritze mit einer blauen Flüssigkeit aufzuziehen.
Die Kamera fährt nun eine Nahaufnahme auf das bleiche Gesicht des jungen Mannes, der sich wieder gesetzt hat wie zu Beginn und seinen rechten Ärmel hochkrempelt. Seine Lippen bilden fast unhörbar ein Wort, den Namen „Amelie“. Während der ältere Herr weiter schwätzt, werden Bild und Ton ausgeblendet. Kein Ende. Nie.

Letzte Aktualisierung: 09.02.2009 - 11.40 Uhr
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