Burgturm im Nebel
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Überraschung | Februar 2009
Slomski ist wieder da
von Katka Jäger

Slomski ist wieder da.
Es ist mir um so mehr bewußt, als ich gerade allein in diesem fensterlosen Raum sitze. Ein an sich unzumutbarer Raum, der mir nur dann gefällt, wenn ich das Licht darin ausknipsen kann. Meist gegen 18 Uhr.
Meist gegen 18 Uhr ist der Riesenstapel Papier dann auch verschwunden. Postfertig eingesackt. Ich selbst bin dann nur eingesackt, kraftlos, müde und ohne weitere Nerven.
Slomski ist zurück.
Das hat niemand von uns geglaubt. Es war die Überraschung des Tages. Vor einer Woche. Es kommt mir aber so vor, als wären seitdem Monate vergangen. Dabei hatte erst neulich meine Kollegin Lilli gesagt, daß die Chefin der Postabteilung erst neulich gesagt habe, daß Frau Slomski wohl nicht mehr zurückkommen werde. Das hatte nicht nur mich beruhigt. Alle waren sich sicher, daß es so sein würde.
Dann die Überraschung. Von heute auf Morgen wurde ganz kalt mitgeteilt, daß Frau Slomski wieder ab Montag da sein werde. Nach fast einem Jahr kommt eine Frau zurück, die damals offen gezeigt hat, daß sie nicht bereit sei, mit anderen zusammen zu arbeiten. Vielleicht, weil sie an sich nicht teamfähig ist, nie war. Vermutlich nie sein wird.
Jetzt sitze ich mit ihr tagtäglich für mehrere Stunden in diesem fenster- und pflanzenlosen Raum. Bei offenen Türen eingesperrt. Selbst das künstliche Bürolicht kann nicht darüber hinwegtäuschen, daß es schwarze Löcher nicht nur im Weltall gibt.
Lilli, Jade, Sonja und ich haben versucht, diesen höchst unpersönlichen Postraum persönlich zu machen, aufzuhellen.

Und es war uns gelungen. Was schwierig genug war innerhalb einer Firma, die mit den Jahren vom sogenannten Familienbetrieb zum eiskalten Hi-Tec-Unternehmen wurde. Aber mit unserer Art, dennoch Humor und Leichtigkeit in die an sich tristen Alltagsvorgänge einzubringen, hatten wir für uns selbst Erfolg gehabt. Wir halfen uns sozusagen gegenseitig, uns aus dem täglichen Dunkelsumpf zu ziehen. Bis letzte Woche.
Bis Slomski zurückkam. Selbst in heller Kleidung ein dunkler Magnet, der uns anderen aller Kräfte beraubt.
Kennen Sie die Superman-Comics? Immer wenn ein Gegner es schafft, ihm einen Stein aus grünem Kryptonit umzuhängen, zerrinnen seine Fähigkeiten ins Nichts. Aus Superman wird ein lebender Leichnam, eine Puppe.
Slomski ist dieses grüne Kryptonit in menschlicher Form. Ihre Anwesenheit in diesem und in jedem Raum genügt, daß man diesen Raum erst gar nicht betreten will. Denn man weiß um die Folgen: das Verlassen aller guten Kräfte.
Ohne lebendige Konversation, ohne die Anwesenheit von Humor, ohne Wahrnehmung fast, weil alles verschwommen erscheint, sitze ich da und sortiere die Post, wie ich es seit Monaten tue. Nur ohne Kraft jetzt, ohne Freude, ohne wirklich da zu sein. Ich bewege mich nur noch automatisch. Wie Slomski das tut.
Lilli hat Glück gehabt. Sie war damals für Slomski eingesetzt worden. Jetzt, wo diese wieder da ist, kann Lilli großteils wieder in einer Nebenabteilung arbeiten. Jade ist noch fein raus, weil sie derzeit Urlaub hat. Und Sonja kann sich die meiste Zeit mit Kopierarbeiten in ein oberes Stockwerk zurückziehen. Nur mich hat es speziell getroffen. Ich muß mir tagtäglich dieses Krypton für mehrere Stunden umhängen. Meine Stimme wird leiser, meine Bewegungen werden immer automatischer, kraftloser.

Mehr und mehr habe ich das Gefühl, langsam aber unaufhaltsam einer Mutation von hell zu dunkel, von leicht zu schwer, von Sein zu Schein zu unterliegen. Letzte Woche habe ich mich echt zusammengerissen. Jeden Tag versuchte ich mit einem Rest an Optimismus das Zimmer zu betreten, gut gelaunt zu wirken. Fix und fertig, absolut deprimiert und schlecht gelaunt habe ich dann den immer unpersönlicheren Raum verlassen. Annähernd chancenlos.
Jetzt, zu Beginn der zweiten Woche, sitze ich wieder hier und mache automatisch meine Sortierbewegungen. Slomski war gerade in Pause. Die Tür zum Hauptfertigungsraum steht sowieso offen, als sie wieder zurückkommt. Die offene Tür lacht mich aus. Sie weiß, daß ich den Raum trotzdem nicht verlassen darf.
Slomski setzt sich hin und bedient erneut die Drucker für die diversen Firmenschreiben. Sie nimmt mich kaum wahr. Auch Personen, die notgedrungen kurz zu uns hereinkommen, werden möglichst ignoriert. Langsam auch von mir. Wie das eben so ist in einem dunklen Zimmer ohne Spiegel.
Slomski ist zurück. Vor gut einer Woche war das noch eine Überraschung. Jetzt ist es keine mehr. Ich mache das Licht um 18 Uhr aus, nachdem Slomski gegangen ist. Und im Gegensatz zum Tag ist es nun angenehm dunkel.

Letzte Aktualisierung: 17.02.2009 - 22.15 Uhr
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