Der himmelblaue Schmengeling
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März 2009
Aus dem Leben gegriffen …
von Barbara Hennermann

Diebstahl also diesmal das Thema.
Was fällt mir dazu ein?
Die Autorin seufzt.
Nichts Sinnvolles im Grunde:
Die Panzerknacker - ewige Loser in Dagoberts Goldtresor.
Ede, der Schränker - was war gleich noch mal mit dem?
Momo und die Zeitdiebe - ein sehr schönes Buch.
Der Raub der Sabinerinnen - Antike, sicher nicht uninteressant.
Ein uralter, blöder Witz - „Anzeige einer polnischen Reiseagentur: Besuchen Sie unser schönes Land! Ihr Auto ist schon da.“ Haha.
Der große Eisenbahnraub - wurde bereits verfilmt.
Der gestohlene Van Gogh - müsste man erst bei Wikipedia auffrischen.

Plagiate.
Invasionen.
Annektierung. Missmanagement. Bankenkrise. Aktienschwindel. Börsenkrach. Steuerflucht.
Heiratsschwindler. Hundefänger.
Mehrwertssteuer …
Alles Diebstahl, oder?

Mannomann.
Diebstahl ist so alt wie die Menschheit! Alles schon mal da gewesen.
Wie soll man noch etwas Originäres zu Papier bringen?
Die Autorin seufzt wieder, abgrundtief.
Und sie beschließt, diesmal eine Geschichte aus dem Leben zu erzählen …


Verloren

Kinder sind der Spiegel des pulsierenden Lebens, der Spiegel der Gesellschaft.
Kinder sind heute anders als früher - reifer, selbstbewusster, wissender.
Kinder kriegen alles mit, was um sie herum vorgeht.
Fernsehen, Computer, Printmedien - all das schlägt sich in ihrem Leben nieder. Und sie bauen es nach ihren Möglichkeiten ein.
Wenn Sechsjährige in die Schule kommen, sind sie bereits geprägt von dieser Umwelt.
Ältliche Pädagoginnen können da durchaus noch etwas dazu lernen. Sie haben nämlich ein völlig anderes Erfahrungsspektrum.
Denken wir nur einmal an die Nachmittags- und Vorabendsendungen. Selbstverständlich sieht, nach Aussage der Eltern, so gut wie kein Kind derartige Sendungen. Offenbar gelangen sie dennoch himmlischen Botschaften gleich in den kindlichen Erfahrungsschatz.
>>Marienhof, GZSZ (es dauerte Monate, bis die Lehrerin kapierte, dass dies die Abkürzung für „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ ist und nicht „gern zählt Sonja Ziegen“ oder so etwas bedeutet), verbotene Liebe sowie diverse Richter - Soundso - Sendungen, Talkshows aller Couleur und und und ... <<
Erzählkreise sind deshalb eine beliebte Einrichtung des pädagogischen Personals zur diesbezüglichen persönlichen Weiterbildung, ohne die Zeit mit dem tatsächlichen Verbringen vor dem Fernsehgerät vergeuden zu müssen. Es ist nämlich nicht gut, wenn die Kinder gebildeter sind als die Lehrkraft!

Der kleine Jens-Martin fällt seit einigen Tagen im Unterricht auf. Er ist unaufmerksam, spielt mit seinen Sachen herum, weiß nicht, was besprochen wird. Er streitet neuerdings sogar ständig mit seinem Banknachbarn herum, der bislang sein bester Freund war. Man müsste ihn versetzen, aber es ist nur noch ein Platz in der Klasse frei - neben einem Mädchen, Sarah. Erfahrungsgemäß sitzen Jungs dieser Altersstufe aber höchst ungern neben Mädchen, weil die „doof“ sind. Was also tun?
Der mütterliche Anteil des Pädagoginnenherzens beginnt, sich Sorgen zu machen. Was hat der Junge plötzlich? Ist bei ihm zu Hause etwas nicht in Ordnung? Sie beschließt, die Mutter anzurufen. Einen Tag will sie noch abwarten, um die Pferde nicht unnötig scheu zu machen, aber dann …
Nach Schulschluss nimmt sie den Kleinen erst einmal bei Seite. „Jens-Martin, ist alles in Ordnung bei dir? Hast du einen Kummer?“ Dem Knaben schießt das Blut in die Wangen, er druckst herum. „Nö, alles gut. Gibt nix.“ Und er entwindet sich dem mütterlichen Lehrerinnengriff. Schon ist er weg.
Die Lehrerin runzelt die Stirn. Warum nur ist das Kind so seltsam? Wird es am Ende gemobbt, und sie hat es nicht mitbekommen? Man hört das ja allenthalben, aber doch nicht hier, nicht bei ihren Kindern …!
Langsam geht sie aus dem Klassenzimmer. Liebe Güte, da liegt schon wieder ein Papierknödel am Boden! Wie oft schon hat sie den Kindern gesagt …
Sie beugt ächzend das Kreuz, hebt das Papier auf, streicht es automatisch glatt. Auch das noch! Ganz offensichtlich ein Blatt aus dem Schreibheft heraus gerissen! Zorn steigt in ihr auf. Wartet nur, wenn ich den Übeltäter erwische!
Sie stutzt. Na, das ist ja komisch. Der Rand wurde sorgfältig, wenn auch etwas zackig, gerade geschnitten. Ihre Neugier ist geweckt. Sie sieht auf das knittrige Blatt.

libe Sara
du has mia main hertz geschdolen
dain Jens-Matin

Und darunter ist ein schiefes, rotes Herz gemalt.

Eine stille Träne rinnt aus dem Lehrerinnenauge. Ach Gott.
O nein, nicht wie SIE denken! Es ist nicht das Leid im Angesicht ihrer offensichtlich missglückten Bemühungen um eine gute Rechtschreibung!
Es ist die blanke Rührung.

Kinder sind heute anders als früher? Mitnichten. Es ist nur das Umfeld.
Kinder sind, auch heute noch, wie Kinder immer waren - warmherzig, offen, gefühlvoll, spontan, liebenswert.
Wenn man ihnen die Kindheit nicht stiehlt …

Letzte Aktualisierung: 04.03.2009 - 20.38 Uhr
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