Der Tod aus der Teekiste
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"Viele Autoren können schreiben, aber nur wenige können originell schreiben. Wir präsentieren Ihnen die Stecknadeln aus dem Heuhaufen."
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März 2009
Kleinkram
von Ann Nissuth

„Dreisiebzig, bitte.“
Die Frau an der Kasse sieht unendlich müde aus. Vermutlich hält nur die kalte Zugluft sie noch wach. Ich reiche ihr fünf Euro rüber und bin sehr in Versuchung zu sagen „Der Rest ist für Sie.“ Da werde ich unsanft angerempelt. Zwei Jungen drängen an mir vorbei zum Ausgang.
„Geht’s noch?“
Der Hintere dreht sich kurz um und murmelt eine Entschuldigung.
„Halten Sie ihn fest!“ schreit es da in meinem Rücken.
Was ist denn nun los? Drehen die hier einen Krimi oder was? Die Kassiererin ist mit einem Mal hellwach. Blitzschnell greift sie über das Band nach dem Arm des Jungen.
„O Scheiße!“
Sein Kumpel ist an der Tür von dem dicken Geschäftsführer geschnappt worden. Heftig tritt er um sich – umsonst. Das Menschlein vor mir dagegen steht still und starrt die Frau an, die sich in seinen Arm gegraben hat.
„Das tut weh“, sagt er leise.
Sie lacht nur höhnisch auf: „Das soll es auch.“
„Allerdings!“
Mittlerweile ist der Schreihals bei mir angekommen. Typ teurer Anzug. Einer von der Sorte Ich-geniere-mich-doch-nicht-billig-zu-kaufen. Mit einer Traube Gaffer im Schlepptau. Weg, ich will hier weg. Ich drücke mich an der Kasse vorbei.
„Sie werden wohl noch als Zeugin gebraucht, junge Frau.“ Der Anzug.
Die Kassiererin übergibt den Jungen an einen Mann im Kittel. Mir gibt sie routiniert mein Rückgeld: „Einsdreißig.“
„Gehen wir“, sagt der Geschäftsführer.
„Wie heißt du?“ frage ich in das blasse Gesicht des Jungen und natürlich kriege ich keine Antwort.
Er ist etwa dreizehn, so alt wie mein Sohn. Vielleicht ist es doch gut, wenn ich bleibe.
Sein Freund tobt immer noch.
„Fass mich nicht an! Und du darfst mich überhaupt nicht durchsuchen, das weißt du ganz genau.“
„Komm runter, Basti!“ Eine tiefe Männerstimme vom Eingang her.
Basti hält inne – und fängt an zu strahlen.
„Kommissar Reiners! Schön, dass Sie da sind.“
Kurz darauf stehe ich zusammen mit dem Anzug im Lagerraum des Supermarkts zwischen Erbsendosen und Schokolade. Kalt und trostlos ist es hier. Die Jungen werden im sogenannten Aufenthaltsraum nebenan verhört.
„Hilmar Winkel.“
„Eva Grüber.“ Ich weiß ja, was sich gehört.
„Möchte mal wissen, wo das hinführen soll. Die haben doch überhaupt keinen Begriff mehr von Mein und Dein heutzutage.“
„Es ist eine schwierige Gesellschaft“, entgegne ich vorsichtig.
Der Winkel-Zwirn schnaubt.
„Wir haben es früher auch nicht leicht gehabt. Haben wir deswegen vielleicht gestohlen?!“
Ich denke daran, dass mein Sohn auf mich wartet. Dass er schon den ganzen Tag alleine zu Hause sitzt, weil mal wieder alle Lehrer krank sind und ich so kurzfristig keinen Urlaub nehmen konnte. Natürlich funktioniert mein Handy nicht von hier aus.
„… meinen Sie nicht?“ Der Anzug hat mich offensichtlich etwas gefragt.
„Herr Winkel?“
Glück gehabt. Eine Angestellte erlöst mich. Herr Winkel muss leider gehen – ein wichtiger Termin - und selbstverständlich wird er seine Aussage später machen.
„Die haben einfach keinen Halt mehr und keine Vorbilder“, meint die Frau. „Haben Sie Kinder?“
Ich nicke.
„Basti klaut ständig“, erzählt sie. „ Dabei hat er das gar nicht nötig. Seine Eltern arbeiten beide auf der Bank.“
„Und der Andere?“
„Andy? Anständige Familie, arm aber anständig. Was den geritten hat, weiß ich nicht.“ Sie zuckt die Achseln. „Kann sein, dass das so eine Art Mutprobe für ihn war.“
„Und was passiert mit den Jungs jetzt?“
„Der Andy muss das Zeug bezahlen und wahrscheinlich im Altenheim aushelfen oder so was. Und Basti ist ja ein alter Bekannter. Der wird wohl diesmal nicht so leicht davonkommen - auch wenn er nur geholfen hat.“
„Was hat Andy denn geklaut?“
„Erdnüsse“, sagt sie. „Der ganze Ärger wegen einer Dose Erdnüsse.“

Letzte Aktualisierung: 21.03.2009 - 19.44 Uhr
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