Ganz schön bissig ...
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März 2009
Warte!
von Marika Bergmann

Warum lasse ich mich immer wieder auf Dinge ein, die ich nicht mag, denke ich, während ich wie ein Anhängsel hinter ihm her laufe. „Komm schon, die haben nicht allzu viele davon!“ Frank packt mich am Handgelenk und zieht mich hinter sich her.

Schlussverkauf! Ich hasse diese Schnäppchenjagd! Die bei uns eintrudelnden Prospekte der Autohäuser oder Motorradshops lasse ich schon immer unauffällig verschwinden. Ab in die Tonne damit. Was mich schon manchmal in Verlegenheit bringt, zum Beispiel wenn wir auf Thomas vom Autohaus an der B 54 treffen, der es schade findet, Frank und mich am letzten Sonntag nicht beim Brunch getroffen zu haben. Eine Probefahrt mit dem neuen BMW aus der 7er Reihe sollte doch Grund genug sein mal rein zu sehen. Die hatten ja schließlich diese tolle Einladung an uns geschickt. Frank sah mich an. Ich zog ahnungslos die Schultern hoch und schob leicht schmollend die Unterlippe ein wenig vor. Das wirkte immer, da kann keiner mehr böse sein und weitere Fragen erübrigen sich ganz von allein. Schön blond. Aber es funktioniert auch bei dunkelhaarigen, wie mir. Das Top-Angebot an Outdoor Jacken im Peek&Cloppenburg-Prospekt hat er Heute früh in der Zeitung gefunden. Super! Da war ich wohl ein wenig zu spät dran. Das Tagesprogramm stand nach dem Frühstück damit fest: Stadtbummel mit Jackenkauf und anschließendem Besuch unseres Lieblings-Italieners in der City. Einmal im Monat zieht es uns an den Ort unseres ersten Dates und jetzt war ja der Januar schon fast vorbei, ohne dass wir dort gegessen hatten.

„OK!“ – ins »Rigoletto« zum Essen, war ja für diesen Monat eh noch fällig. Hatte dann meinen Entschluss bei Franks Jackenanprobe schon fast wieder bereut. Sein Motto: Die wollen mir ja schließlich was verkaufen. Also stellt er sich in den Laden und führt sich auf wie gerade vom Thron herab gestiegen. Der Kunde ist ja schließlich König! Und so lässt er sich die gleiche Jacke in verschiedenen Farben bringen, noch einen Pullover zum Drunter- ziehen, denn sie soll ja noch bequem sein, wenn man darunter wie ein Michelinmännchen eingepackt ist. Die Jacke dann noch mal etwas größer, etwas länger und schließlich doch besser mit kariertem Futter und Wasser abweisend. Die Blaue hatte am Ende doch so merkwürdige rote Streifen im Futter und die Braune so schreckliche grüne. Die Schwarze war fast in Ordnung, vom Druck des Futters wenigstens. Es war die einzige mit der er auch gut aussah. Er sieht mich jetzt fragend an. Ich lächele schnell. Nun kommt der Verkäufer ins Spiel, Frank hält ihm strategisch das Preisschild in den Blickwinkel. „Da geht doch noch was.“ Das heißt jetzt, dass er sich entschieden hat und die Verhandlungen beginnen. Für mich das Zeichen für meinen Rückzug und den Satz. „Schatz, wir treffen uns im Cafe der Meyerschen, bis gleich.“

Während ich meine Latte macchiato genieße und der Duft von Vanillearoma mich an den
neuen Raumduft meiner Freundin Vera erinnert, schiebt sich Frank nervös durch die Tischreihen in meine Richtung. Er trägt die neue Jacke und hat sich die alte einpacken lassen. „Komm, trink aus, ich habe Hunger, los rüber ins »Rigoletto«. Lass uns unterwegs die Tüte ins Auto legen.“ Die neue Jacke passt sehr gut zu seinem schulterlangen schwarzen Haar und seinen markanten Gesichtszügen. Während er mich entspannt ansieht, flüstert er mir ins Ohr: „Du wärst lieber mit Vera und ihrem Hund durch den Fredenbaum Park gelaufen und hättest dich anschließend bei ihr mit einem Kaffee verwöhnen lassen, als mit mir auf Schnäppchentour zu gehen.“ Wo er Recht hat, hat er Recht, aber das liebe ich auch an ihm.

Im »Rigoletto« angekommen gehen wir zielstrebig auf Tisch 13 zu, das ist unser Tisch. Frank ist galanter als damals bei unserer ersten Verabredung. Er nimmt mir den Mantel ab, schiebt mir den Stuhl zu recht und bringt alles zur Garderobe um die Ecke. Tisch 13 mit Blick auf den Brunnen ist der beste Platz des Lokals und wenn wir einen kleinen Abstecher ins »Rigoletto« planen, reservieren wir vorher. Wir bestellen Muscheln in Weinsause und noch eine Portion überbackene Artischocken. Übrigens! Muscheln schmecken hier am besten – zumindest in Dortmund. Das knusprige Brot aus dem Holzofen ist auch unübertroffen, wir genießen es jedes Mal in das krosse Brot zu beißen und uns mit einem: „Hmmmmmmmmnen lecker!“ anzugrinsen. Es ist wie bei unserer ersten Verabredung – „Du musst ihn warten lassen!“, hatte meine beste Freundin Vera gesagt. Hab es aber nur auf 12 Minuten gebracht und nur weil ich die Bahn um 7:38 Uhr verpasst hatte. Vera war fest der Meinung, es wäre besser mit der Bahn dort hin zu fahren, dann würde er mich nach Hause bringen und alles würde ganz von allein seinen Weg nehmen.

Frank hält meine Hand und alles ist fast wie vor sechs Jahren. Er drückt meine Hand nun immer fester. „Hey, was ist los mit dir?“, will ich gerade amüsiert sagen und sehe zu ihm auf.
Er springt auf, mit dem Blick eines Besessenen. „Da, der Typ da, der marschiert da mit meiner Jacke raus. Unfassbar! Das ist doch meine neue Jacke, den pack ich mir.“ Ich will Frank noch zurückhalten, aber er geht entschlossen in Richtung Tür.
„Warte!“ rufend renne ich ihm nach. „Nein, Oh Gott!.“ Als ich die Tür endlich von innen aufstoße, packt Frank den Mann gerade am Jackenkragen. Es geht jetzt alles sehr schnell. „Hey, Mann!“, schreit Frank ihn an. „Wo willst du mit meiner Jacke hin?“ Die Situation ist eindeutig für Frank. Der Dieb trägt die Beute ja noch am Leib und es gibt für ihn keinen Zweifel. „Los, ausziehen! Zieh meine Jacke aus.“, schreit Frank den mittlerweile mit beiden Armen nach Luft ringenden Mann an. Im gleichen Moment zieht Salvatore Frank zurück. „Amico! Frank, was ist in dich gefahren, Dio mio? Lass meinen Bruder Frederico los! Hast wohl Frederico verwechselt mit altro Persone!“ Frank wurde bleich. „Scusi!“ stammelnd – eines der wenigen italienischen Worte aus Franks Wortschatz – lässt er jetzt den fremden Kragen los. Fassungslos steht er da, als ich mit dem Autoschlüssel klimpere, den ich gerade aus der Jackentasche ziehe und ihm samt Jacke unter die Nase halte. „Hing noch brav an der Garderobe direkt neben meinem Mantel.“

Wenn ich jetzt, ein Jahr später neben Frank in unserem gebrauchten Volvo sitze, muss ich immer noch daran zurück denken. Den BMW-Schlüssel spüre ich dann wieder in meiner Hand. Wir blieben an dem Abend noch sehr lange und tranken viel Wein und luden Salvatore und seinen Bruder als kleine „Wiedergutmachung“ für die Eskapade noch auf den besten Wein, den er im Keller hatte ein. Als es nachher um die Bezahlung ging, waren wir auf einmal die Diebe – Zechpreller, die ihre Rechnung nicht bezahlen können. Da lachten wir noch gemeinsam darüber. Frank hatte beim Jackentausch nur den Autoschlüssel mitgenommen und die Brieftasche mit seinen Papieren und dem Geld in der alten Jacke im Auto gelassen. Der Inhalt meines Portmonees war das Wechselgeld von der Latte macchiato – sieben Euro und ein par Cent. Das reichte ganz und gar nicht. Allein die Flasche Wein kostete schon 360 Euro und wir leerten zwei davon. Als Frank das Geld aus der Jacke im Auto holen wollte, war der BMW nicht mehr da.

Diese Nacht sollte uns unvergessen bleiben, wir saßen eng aneinander gerückt auf der harten Holzbank des Polizeipräsidiums Dortmund Mitte, es war jetzt 2:03 Uhr, und als der Beamte uns mit eiserner Miene mitteilte, dass nicht nur unser Wagen gestohlenen, sondern auch noch in unser Haus eingebrochen wurde, konnte ich nur noch weinen. Frank nahm mich in den Arm und tupfte mir die Tränen mit einer Serviette aus dem »Rigoletto« von der Wange. Die Presse sprach anschließend von der „Italienischen Nacht“, der Nacht, in der in der Innenstadt wohl an die dreißig Sportwagen, meist BMW oder Mercedes, spurlos verschwanden – weil Franks Jacke noch im Wagen lag, hat wohl ein kleinerer Handlanger, der bei dem Diebstahl nur zugearbeitet hatte seine große Chance darin gesehen, einfach mal mit unserem Haustürschlüssel, der in Franks alter Jacke auf dem Rücksitz unseres BMWs war. In unser Haus zu gehen und sich umzusehen, der Schmuck, den er mitnahm, war nur der kleinere Verlust, Frank war am Vorabend noch bei der Bank und hatte 65.000 Euro für unseren geplanten Neuwagen, den BMW aus der 7er Reihe, abgeholt. Frank bezahlt manche Dinge am liebsten in bar. Es sei so ein tolles Gefühl, nacheinander die Scheine auf den Tisch zu legen. Frank sagte damals, dass er diesen Tag im »Rigoletto« im Leben nicht vergessen wird – und das lag nicht nur an der verwechselten Jacke, nein, wir sahen noch sehr viele dieser Jacken und sie sahen sich alle zum Verwechseln ähnlich nur so „teuer“, war wohl keine.

Letzte Aktualisierung: 26.03.2009 - 09.57 Uhr
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