Futter für die Bestie
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Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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April 2009
Nur einer noch
von Patricia Radda

Ich sehe Miriams Stirn an, klebe ein Pflaster über den Schnitt. „Der Rock war zu lang. Und da bin ich gestolpert“, sagt sie. Ich nicke. Klar.
„Ich werde mit deinem Vater reden.“ Sie sieht erschrocken auf.
„Äh, ja. Bestimmt kauft er mir dann einen Rock, der mir besser passt.“ Ich nicke wieder. Ganz bestimmt. Die Schule ist aus. Miriam läuft nicht nach draußen. Sie läuft nie. Sie ist immer die Letzte. Sie ist immer vorsichtig.
„Herr Hagenrat?“. Maßanzug, polierte Schuhe. Das Haar hat er über die beginnende Glatze frisiert. Er dreht sich zu mir um. Schmale Augenbrauen, kein Bart, kalte Augen. „Ich bin Miriams Lehrerin.“ Er runzelt die Stirn.
„Was hat sie angestellt?“ Meine Hände liegen beschützend auf Miriams Schultern, und doch scheint sie kleiner zu werden.
„Ich wollte nur mit Ihnen reden.“ Ich klinge so unschuldig. Wir geben uns die Hand. Goldene Ringe, eine Armbanduhr. Fester Händedruck. Und er starrt auf meine Brüste, der Bastard.

Das Handy schreit geradezu. Ja, ich bin wach. Als ich es aufklappe, erwische ich den falschen Knopf. Nach einer Minute piept es wieder. Diesmal öffne ich die Augen, bevor ich irgendetwas drücke. Na also. Ich tappe barfuß über den glatten Parkettboden, dann ins Badezimmer und springe unter die Dusche.
Als ich wieder auf die kalten Fließen steige, rieche ich etwas. Ich wickle mich sorgfältig in ein Handtuch und drehe mich langsam zum Waschbecken. Sein Geruch hängt in der Luft. Warum habe ich ihn nicht gehört? Er ist ja sonst so ein Trampeltier. Wann ist er zurückgekommen? Ich ziehe mich an, als hätte ich nichts bemerkt, und gehe in die Küche. Frühstück. Er hat wie immer nur Kaffee gemacht. Kann man davon leben? Plötzlich steht er vor mir.
„Morgen!“, ruft er und kommt auf mich zu, um mich zu umarmen. „Wie war deine Nacht? Gut geschlafen?“, fragt er. Fangfrage? Ich nicke.
„Hab dich vermisst“, bekomme ich heraus. Merkt er die Lüge, hört er sie? Er grinst mich an. Warum ist er nur so fröhlich? Was hat er heute Nacht gemacht?
„War ganz okay bei mir, weißt du, hab mich ganz gut mit meiner Frau verstanden. Wir gehen heute Abend essen, zusammen mit Miriam.“ Gut verstanden?
„Klar, ist ja auch ihr Geburtstag.“
Er lässt mich los, und trinkt seinen Kaffee. „Ich vergesse immer, was du alles weißt.“ Ja. Immer. „Bleib heute Nacht hier, ja? Ich will dich hier haben, wenn ich zurückkomme.“
Ich zwinge mich zu einem Antwortlächeln. Ich sehe mich im Spiegel hinter ihm, es sieht echt aus. Er küsst mich gierig.
„Ich wünsch dir einen schönen Tag“, sagt er. Übertrieben. Immer so übertrieben.
„Dir auch.“ Ich hoffe, es klingt enthusiastisch genug, aber er ist sowieso schon zur Tür raus.
Ich gehe zur Arbeit. Miriam sieht schrecklich aus. Sie bleibt in meiner Nähe. Ich hoffe, ich kann dir helfen, Kleines.
Ich gehe in seine Wohnung, die er sich zu diesem Zweck vor Jahren angeschafft hat. Wie viele Freundinnen hat er wohl hierhergebracht? Aber ich werde die letzte sein. Versprochen. Ich korrigiere Hefte, surfe im Internet nach Themen für die nächste Woche. Wie schaffen das die perfekten Lehrerinnen immer ein passendes Thema für alles zu haben? Vatertag ist das nächste, was kommt. Soll ich das Miriam antun?
Ich esse etwas, sehe fern. Und dann gehe ich schlafen, weil er nicht auftaucht. Worauf soll ich noch warten? Ich habe genug Beweise gegen ihn. Morgen werde ich ihn anzeigen. Miriams Verletzungen sind noch frisch. Worauf warte ich?
Ich werde geweckt, als die Eingangstüre viel zu laut ins Schloss fällt. Und es geht wieder los. Er stampft, stolpert ein paar Schritte auf mich zu. Er sagt etwas, aber wieso sollte ich mir die Mühe machen, das Gelallte zu entschlüsseln? Ich rieche den Alkohol. Was habe ich erwartet? Dass es heute anders ist als die letzten drei Monate?
Er legt sich, so wie er ist, zu mir ins Bett und beginnt mit seinen Händen an meinem Körper herumzufahren. „Hör auf!“, bitte ich ihn. Er ist gut drauf. Er wird mir nicht wehtun. „Lass mich los, du bist betrunken.“ Ach, echt?
„Mmhhm …“ Ich verstehe ihn nicht. Wahrscheinlich wollte er mir gar nichts sagen. Er schiebt meine Pyjamahose hinunter.
Ich schüttle den Kopf und halte seine Hände fest. „Na los.“ Plötzlich ist seine Stimme wieder klar. Ganz klar. Nüchtern? Wütend. Ich kämpfe. Wieso? Seine Frau schaffte es ja auch nicht, von ihm loszukommen. Sie ist ausgetauscht worden. Gegen mich.
Er schüttelt meine Hände ab. Ich drehe seinen Kopf von mir weg. Er packt mich und irgendwie - ich weiß es nicht genau - knallt mein Kopf gegen die Wand. Aua. Er bemerkt es nicht. Worauf warte ich noch?
Er schläft. Bad. Wasser. Eine Beule. Nur eine Beule. Kein Blut, gar nichts. Gut. Dann nehme ich das Fleischmesser aus der Küche. Ich schneide ihm die Pulsadern auf. Aber er wacht davon auf. Schade. Ich steche weiter auf ihn ein und er bewegt sich nicht mehr.
„Man soll seine Frauen und Kinder nicht schlagen“, sage ich zu ihm und suche nach meinem Handy.
„Hallo. Du brauchst die Papiere nicht mehr vorzubereiten. Es gab Probleme.“ Ich lege auf, sehe mir die nächste Akte an.

Letzte Aktualisierung: 27.04.2009 - 16.12 Uhr
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