Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Mai 2009
Ohnmacht
von Sabine Barnickel

Da saß Julia, die er so sehr verehrt hatte. Sie hatte ihn abblitzen lassen, das Flittchen. Dort die graue Maus Hannah. Sie hatte ihm einmal einen Liebesbrief geschrieben, eigentlich ganz süß, wenn man auf so etwas stand. Er hatte sich vor der ganzen Klasse lustig über sie gemacht. Wer wollte denn schon mit so einer zusammen sein?
Am Fenster in der letzten Reihe seine LAN-Clique: Steffen, der ihn immer überredet hatte mit auf die LAN-Partys zu gehen, gegen „echte“ Gegner zu spielen, und dann hatte er doch tatsächlich zu ihm gesagt: „Tobi, meinst du nicht, dass du das jetzt übertreibst? Du hängst ja nur noch vor der Scheißkiste ‘rum. Mann, Alter, lass‘ uns doch ‘mal wieder um die Häuser ziehen.“ Und natürlich Sven und Philipp, die Terroristen. Steffen und er waren immer die Guten gewesen, die beiden anderen die Bösen. Sie waren Freunde – gewesen. Sie befanden sich jetzt auf der anderen Seite. Er gegen den Rest der Welt.
Dort drüben, die Streberfraktion, die immer gelästert hatten: „Ihr Loser könnt nichts anderes als vor euren Kisten hocken und ballern. Freaks …“
Ja, vor seinem Computer sitzen und ballern, das konnte er gut, so gut, dass es schon langweilig wurde. Trotzdem konnte er nicht aufhören, er musste immer weiter machen.
Er hielt sie mit beiden Händen fest. Schwer und warm lag sie in ihnen, schmiegte sich an ihn als wäre sie lebendig. Ich bin bei dir, Tobi. Du bist nicht allein.
Julia, umringt von ihrer Girlie Gang. Diese Hühner hatten nur Luft in ihren Köpfen. Immer nur gackern, Jungs verarschen, auf anderen herum hacken. Für die waren nur Klamotten, Fingernägel und Haare wichtig. Jetzt war ihnen ihr Kichern im Hals stecken geblieben.
Der Mathelehrer, der ihn immer nur schikaniert hatte, kniete vor ihm. Er stank nach Schweiß.
Die Waffe pulsierte in seinen Händen.
Wie gelähmt saßen seine Mitschüler da, die Augen geweitet. Irgendjemand sagte etwas, das er nicht verstehen konnte. Es klang wie eine Bitte. Es war nicht wichtig. Er konnte ihre Furcht riechen, selbst Sven und Philipp stand die Angst in die Gesichter geschrieben. Doch das Tier in seinen Klauen gab ihm Sicherheit – und Macht. Ja, er hatte Macht über sie. Er spürte wie sich seine Miene in eine grinsende Fratze verwandelte.
Wieder sah er in die Runde: Ja, respektieren sollten sie ihn. Er badete in ihrer Angst.
Wo war Steffen geblieben? Sein Verschwinden irritierte Tobi einen Augenblick lang.
Dann blieb sein Blick an Hannahs Gesichtsausdruck hängen. Da war plötzlich nichts mehr von der grauen Maus zu sehen, nur noch ein Vorwurf, als wolle sie sagen: „Tobi, du Taugenichts, was stellst du jetzt schon wieder an?“ Wie seine Mutter, damals, als er noch jünger war.
Dann lachte Julia laut los: „Ha,ha, ha. Du Penner traust dich doch sowieso nicht. Warmduscher!“ Sie wagte es tatsächlich, ihm die Zunge herauszustrecken. Und die Streberfraktion stimmte einen Chor an: „Loser, Loser, Loser …“
Das Tier in seinen Händen stürmte los, riss ihn fast von den Füßen, drückte ihn rückwärts gegen die Tafel. Er wollte, dass es aufhörte. Doch es hörte nicht auf …

Schweißgebadet wachte Tobi auf. Drei Uhr Siebzehn. Gestern hatte er den Unterricht geschwänzt, wie so oft in letzter Zeit. Seine Klassenkameraden nervten ihn, Julia und ihre Gang machten sich ständig lustig über ihn, die Lehrer kotzten ihn an. Seit Steffen von der Schule geflogen war, wollten selbst Sven und Philipp nichts mehr mit ihm zu tun haben, wollten nicht zu den Verlierern zählen.
Gestern war Steffen noch einmal in der Schule gewesen. Er hat es getan.
Hannah, Julia, Sven, der fiese Mathelehrer … Steffen.
Tobi verstand nicht, wollte nicht verstehen.
Er stand auf, setzte sich an seinen Schreibtisch, vor seinen Computer und spielte.

Letzte Aktualisierung: 13.05.2009 - 19.44 Uhr
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