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Mai 2009
Erinnerungen an die Schulzeit
von Petra Schulte

Ich sitze in einer mit Tintenklecksen und zahlreichen Botschaften übersäten Holzbank eingeklemmt, die schon vor mir unzählige Kinder beherbergt hat. Ich weiß genau welche, der zum Teil mutwillig hinterlassenen Spuren, die ohne weiteres als Vorläufer von Graffiti gelten könnten, von mir stammen. Während ich hier sitze, holt mich eine Vergangenheit ein, die ich schon verloren glaubte. Diese Bank, die mich nicht nur durch ihre Enge gefangen hält, spricht mit ihren Wunden, die mit den eigenen so eng verwoben sind, eine leise, aber deutliche Sprache von einer als beklemmend empfundene Zeit, in der ich mich ausgeliefert fühlte, in der ich lernen musste, wie Ungerechtigkeiten schmecken, das das Böse nicht immer gleich bestraft wird und Lehrer nur Menschen sind, unvollkommen sogar!
Und nun fällt mir Lehrer Böhme ein. Ich darf ihn so beim Namen nennen, denn er weilt schon längst nicht mehr unter uns. Diese Gewissheit ruft Gefühle hervor, die auch die eigene Vergänglichkeit berühren und eine Melancholie auslösen, die nicht nur dem ungeliebten Lehrer gilt, der ein Schläger war. Die rostroten Sprenkel auf der linken Seite, wo Wolfgang einst neben mir saß, sind ein bleibender Beweis, der auch jetzt noch deutlich zu erkennen ist. Ihr Anblick ist mir vertraut. Da war genug Zeit, sich daran zu gewöhnen und die Blutflecke stammen ja von einem guten Freund. Fast hatte ich es damals wie eine Art Blutsbrüderschaft empfunden!

Wolfgang war ein wendiger kleiner Junge, dem schon einmal ein unbedachtes Wort schneller aus dem Mund entkam, als seine Hand ihn, erschreckt von der ungewollten Kühnheit, verschließen konnte. Ach, wie klein war im Grunde sein Vergehen. Ein größeres, weicheres Herz hätte sein heimliches Vergnügen daran haben können.
Ich kann mich nicht mehr an die Worte erinnern, die zu diesem unrühmlichen Ereignis führten, weiß nur, dass Wolfgang niemals absichtlich frech war, eher ein wenig ahnungslos.
Kaum waren sie heraus, da tauchte sogleich ein riesig erscheinender Schatten über uns auf, wie ein Adler über einem leichtsinnigen Kaninchen. Eine harte Hand zerrte meinen Freund grob aus der Bank, da half kein Flehen und kein Festkrallen an dem stabilen Pult, das sonst immer einen, wenn auch geringen, Sicherheitsabstand zu diesem blindwütigen Manne herstellte, dem man uns leichtfertig anvertraut hatte.

Dieses Mal schlug Herr Böhme ohne Erbarmen und völlig unkontrolliert seine Faust in das kleine, vor Angst verzerrte Gesicht. Sofort sprang eine hellrote Fontäne aus Wolfgangs Nase auf, ergoss sich über Hemd und Hose und von da aus auf den Fußboden. Außer sich vor Schmerzen und Entsetzen, stieß er schrille, spitze Schreie aus. Das brachte unseren Lehrer nicht etwa zur Besinnung, sondern nur noch mehr auf. Erst, als unter uns Kindern, ganz ungewohnt, ein empörter Tumult entstand, besann er sich und drückte, nun ängstlich und kleinlaut geworden, Wolfgang ein Taschentuch auf die heftig blutende Nase. Als der stete Strom endlich versiegte, und Wolfgang nur noch kleine wimmernde Laute aus seinem immer noch blutverschmierten Munde entließ, da fiel mein Blick auf die Bank. Da ich den Lehrer inzwischen jeder Tat für fähig hielt, beeilte ich mich den „Schaden“ so schnell wie möglich zu beheben, bevor sein Zorn sich erneut entzünden konnte. Mit einem Löschblatt wischte ich das Blut auf. Für kleine Sprenkel und einige Spritzer auf der Bank, war es jedoch schon zu spät. Dort wo der Lack fehlte, war es von dem Holz aufgesogen worden, hatte sich mit ihm verbunden und führte darum noch immer, ein makaberes Dasein.

Was ist wohl aus Wolfgang geworden… und all den anderen? Die Erinnerungen haben mich müde und dumpf gemacht. Ich winde mich mühsam aus der zu engen Bank und bin erleichtert, den Raum verlassen zu können … ohne Erlaubnis, ein Pausenzeichen oder sonst irgendeine Voraussetzung. Erlöst schreite ich, alles hinter mir lassend, davon.

Letzte Aktualisierung: 20.05.2009 - 15.29 Uhr
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