Mainhattan Moments
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Susanne Ruitenberg und Julia Breitenöder haben Geschichten geschrieben, die alle etwas mit Frankfurt zu tun haben.
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Juni 2009
Zebrastreifen
von Angelika Gerber

Eine leichte Brise wehte sanft über die rote, staubige Erde, streichelte kurz über die ausgedörrten Grashalme und ließ die Beeren, die unter einem Myrrhenstrauch lagen, munter durcheinander wirbeln. Sie flogen auf und nieder, als würde der Wind mit ihnen spielen, bis sie leblos auf die Erde plumpsten, die Luft wieder still stand, die Hitze unerträglich wurde.

Jabari wollte nicht mehr still liegen, seine Geschwister dösten auf dem nackten, kühlen Boden in der engen Lehmhütte. Es war ungewohnt ruhig. Die Stille war bedrückend. Das einzige Geräusch, ein lautes Surren, verursachten die vielen Mücken, die ruhelos um ihre Köpfe schwirrten, um sich dann auf den Gesichtern der Kinder nieder zu lassen. Niemand störte sich daran, sie gehörten zu ihrem Leben dazu, wie die Hitze in der Masai Mara. Mit beidem musste man sich abfinden.
Jabari hielt es drinnen nicht mehr aus. Leise schlich er auf seinen nackten, ledergleichen Sohlen hinaus ins Freie. Er wurde geblendet von dem strahlenden Sonnenlicht, sah nur noch leuchtende Punkte, bis sich seine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten. Unbemerkt von seiner Mutter, die sich mit den anderen Frauen im Schatten eine Pause gönnte, verließ er das Dorf. Seine dünnen, dennoch kraftvollen Beine begannen wie von selbst zu laufen, sein junges Herz klopfte lebendig in der ausgemergelten Brust. Er freute sich über das Gefühl, frei zu sein. Das Ziel war der Mara River. Dort wollte er seine neuen Freunde wieder treffen.

Auf dem langen Weg begegnete ihm eine große Zebraherde, genau in dem Moment, als seine Schritte sich verkürzten, die Füße müde wurden. Mit ihren kurzen Beinen galoppierten die Tiere gemütlich ihres Weges.
„Jambo“, grüßte Jabari freundlich, „kann mich vielleicht jemand mitnehmen zum Mara River?“ Die Zebras stemmten erschrocken die Hufe in den Boden und verursachten damit eine riesige Staubwolke. Jabari rieb sich den Sand aus den Augen, tränenblind rief er in den roten Nebel hinein:
“Was ist denn? Habt ihr noch nie mit einem Menschen gesprochen?“
Alle schüttelten fassungslos die schwarz-weißen, anmutigen Köpfe und scharrten nervös mit den Hufen.
„Wer bist du? Wieso können wir dich verstehen?“, fragte der Leithengst.
„Ich bin Jabari. Ihr könnt mich hören, weil ich mir das gewünscht habe“, lachte er fröhlich und seine weißen Zähne blitzten aus dem rotsandigen Kindergesicht.
“Ich hab es eilig. Was ist jetzt, nehmt ihr mich mit!?“
Kurz darauf saß er entspannt auf dem Rücken eines Zebras und genoss den ruhigen Ritt zum Fluss. Nun gut, die Freude über sein kostenloses Taxi hielt sich in Grenzen, denn das Zebra roch ein bisschen streng, um nicht zu sagen, es stank ganz fürchterlich. Jabari hielt sich mit einer Hand die Nase zu, mit der anderen krallte er sich an der stacheligen schwarz-weißen Mähne fest. Insgeheim fragte er sich: Waren Zebras vielleicht Stinktiere in Groß?
Ein Bad würde dem Tier nicht schaden, aber er wagte nicht es darauf hinzuweisen. Vielleicht ein anderes Mal, wenn sie sich besser kannten.
Die Zebras wieherten unentwegt wild durcheinander, sie waren sehr aufgebracht, so etwas hatten sie wirklich noch nie erlebt. Was ging hier nur vor sich?
“Du Zebra“ rief Jabari plötzlich ganz laut und das Tier unter ihm erschrak so sehr, dass es buckelte. Sein ungeübter Reiter verlor den Halt, wurde hart auf den Boden geschleudert. Man hörte kilometerweit in der Steppe sein lautes “Ahahahahauaaaaaaaa“.
Wütend sprang der Kleine wieder auf die Füße, klopfte sich den Staub von seiner löchrigen Hose, baute sich vor dem Trampel zu voller Größe auf und funkelte böse mit seinen schwarzen Kulleraugen.
„Mensch, kannst du nicht aufpassen!“
„Nenn mich nicht Mensch“, entgegnete das Zebra würdevoll und verzog die Nüstern angewidert.
„Ja, Mensch, äh Tier, tut mir leid, aber das tat verflucht weh“, jammerte Jabari und rieb sich den Kopf.
„Kommt nicht wieder vor. Du kannst mich gerne Thato nennen. Merk´ es dir, nicht Zebra, nicht Tier, erst recht nicht Mensch!“, sprach es.
Er nickte fügsam, stieg vorsichtig wieder auf, hielt sich sicherheitshalber mit beiden Händen fest und atmete durch den Mund, um seine Nase zu schonen.
Am Mara River angekommen, glitt der Junge blitzschnell vom Rücken herunter, bedankte sich artig und bemerkte augenblicklich den bestialischen Geruch, den er von Thato geerbt hatte.
„Sollen wir noch schnell zusammen baden gehen?“, fragte er ganz harmlos, was ein Prustkonzert der Zebras auslöste:
„Baden? Willst du uns umbringen?“ Jabari bemerkte, wie unangebracht seine Frage doch war. Im Fluss tummelten sich Massen von hungrigen Krokodilen, auch die Löwen lauerten dort oft auf durstige, leicht zu erbeutende Opfer.
Jabari fiel sofort eine Lösung ein, denn er war ein Kämpfer in jeder Hinsicht.
„Ich könnte mit ihnen reden, vielleicht machen sie eine Ausnahme und wir können uns alle abkühlen!“ Thato und seine Herde schüttelten sich nun vor Lachen. Jabari hingegen suchte den Fluss mit den Augen ab, um seine Freunde ausfindig zu machen.
“He Dama;….hallooooo Munga;. Seid ihr hier irgendwo?“, schrie er so laut er konnte, flitzte dabei aufgeregt am Ufer entlang.
Ganz unerwartet sah man eine Luftblase an der Oberfläche auftauchen, gefolgt von einem riesigen Schädel mit winzigen, grauen Ohren und weit hervor stehenden Augen. Das Maul des Tieres erschien riesengroß, mit gelben, beängstigenden Zähnen. Jabari strahlte: “Munga, da bist du ja. Schau mal ich hab neue Freunde mitgebracht!“ Munga musterte die leicht zitternden Zebras desinteressiert.
„Jambo, Jabari! Schön dich zu sehen! Gerochen haben wir euch schon länger! Dama meinte zuerst, die Hyänen hätten wieder ihre Warzenschweinreste ins Wasser geschmissen. Riecht so ähnlich.
„Wirklich lieb von dir sie mitzubringen, mein Junge, aber wir fressen keine Zebras. Sind doch Vegetarier“, brummte er, bevor sein wuchtiger Körper wieder unter Wasser verschwand.
Auf der anderen Seite tauchte Dama auf, grüßte ihren kleinen Freund, rümpfte die Nasenlöcher wegen des Gestanks, tauchte ab und ließ sicherheitshalber nur die Ohren und Augen über der Wasseroberfläche. Der Junge sprang mutig ins Wasser, kletterte auf das Nilpferd und flüsterte ihm seinen großen Plan ins kleine, aufmerksame Ohr. Die beiden Nilpferde liebten den Jungen, natürlich erfüllten sie ihm diesen außergewöhnlichen Wunsch.

Es war ein riesiges Wasch-Spektakel. Alle Zebras waren im Wasser, tauchten bis auf den Kopf alles ins kühle Nass, genossen, wie das Wasser das Fell kühlte, schwammen ein wenig hin und her, alle sahen glücklich aus. Nashörner, Gnus, Antilopen, Elefanten, Giraffen, Paviane und Warzenschweine waren zum Zuschauen gekommen, standen wie aneinandergereiht auf einer Anhöhe und staunten.
Jabari schwamm um seine Freunde herum, spritzte ihnen Wasser auf den Kopf, jauchzte vor Vergnügen, war begeistert von dem Abenteuer.
Dama, Munga und unzählige Verwandte schirmten derweil, wie besprochen, die Gruppe vor Feinden ab. Alle Krokodile, Löwen, Hyänen und anderen gefährlichen Raubtiere waren gewarnt worden, dass sie von den Nilpferden sofort zerfleischt würden, Vegetarier hin oder her, wenn sie sich auch nur den Zebras näherten.
Alles ging gut aus. Kein einziger Feind trübte die unverhoffte Badefreude. Die Zebras aalten sich stundenlang im Wasser, wussten, sie würden diesen Tag nie vergessen. Sie stiegen erst bei Sonnenuntergang aus dem Mara River, schüttelten kurz das tropfnasse Fell, stolzierten die Böschung hinauf, die weißen Streifen ihres Fells glänzten wie gewachst und ein angenehmer Duft umhüllte sie.
Jabari machte sich auf den Heimweg. Er dankte Dama und Munga sowie allen Verwandten ganz herzlich, setzte sich auf Thatos Rücken, kuschelte sich an das frisch gewaschene Fell, fühlte sich müde, aber sehr zufrieden.

Ein Löwe strich unbemerkt am Ufer entlang, hob die Nase in die Luft, prüfte den Geruch der Herde und das Wasser lief ihm im Mund zusammen. Endlich waren Zebras wieder auf der Speisekarte.

Leuchtende Fackeln in der Ferne ließen Jabaris Augen schnell wach werden. Er hörte einen verzerrten Ruf seines Namens, spürte seine schmerzenden Füße ganz deutlich, stand wieder mit beiden Beinen fest auf dem Boden und bemerkte, dass er viel zu lange weg gewesen war. Als er eilig auf die Gruppe zurannte, fiel ihm auf, wie abgekämpft sein Vater aussah. Zerknirscht erklärte er alles, erzählte von seinen Abenteuern und strahlte, weil er dachte, dass er alle beeindruckt hatte. Sein Vater schüttelte nur den Kopf.
„Junge, was sollen wir nur mit dir machen? Hör endlich auf zu träumen! Du glaubst doch nicht wirklich, was du uns erzählst! Stinkende Zebras baden im Fluss? Und Nilpferde können vermutlich fliegen?“
„Vom Fliegen war nie die Rede, sie haben keine Flügel, Vater“, stellte Jabari richtig.
Bevor sein Vater ihn am Genick packen konnte, befahl er seinen Beinen ganz schnell in die Hütte zu rennen.
Jabari ließ sich nicht beirren. Noch hielten sie ihn für einen Träumer, doch er würde bald beweisen, dass er wirklich mit den wilden Tieren reden konnte. Sein Plan war genial!
Morgen musste er mit Dama und Munga alles besprechen.
Mit einem glücklichen Lächeln im Gesicht legte er sich schlafen, gleich darauf war ein gleichmäßiges, schwaches Schnarchen zu hören.

Draußen in der Steppe erwachte derweil das Leben. Eine wahre Sternenflut leuchtete am Himmel, der Mond warf sein silbernes Licht auf ein Löwenfell, dass sich in Bewegung setzte, um Zebrastreifen zu suchen.

Letzte Aktualisierung: 17.06.2009 - 19.48 Uhr
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