Der himmelblaue Schmengeling
Der himmelblaue Schmengeling
Glück ist für jeden etwas anderes. Unter der Herausgeberschaft von Katharina Joanowitsch versuchen unsere Autoren 33 Annäherungen an diesen schwierigen Begriff.
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Juni 2009
Die Zeitungsente
von Petra Schulte

Ach du lieber Himmel, da kam sein Nachbar Roggenkamp, nichts wie weg.
Zu spät.!
„So warten sie doch Herr Kornstdt, ich habe Neuigkeiten! Sie, als Fachmann, haben es sicher schon gehört. Man hat auf den Salomonen einen Einsiedler entdeckt“.
„Auf den Salomonen?“ Jetzt konnte er sich den ganzen Sermon anhören.
„Ja, in den Regenwäldern. Vermutlich der letzte Angehörige eines ausgestorbenen Volksstammes.“
„Machen sie sich doch nicht lächerlich, Herr Roggenkamp. In der heutigen Zeit? Da findet man doch keinen neuen, bzw. alten Volksstamm mehr.“ Du lieber Himmel, hätte er doch bloß weggeguckt.
„Na ja, ich habe mich auch gewundert. Die Experten streiten sich noch. Gestern stand es in der Zeitung. Sagen sie bloß, sie haben das nicht gelesen.“
„Nein, das ist mir wohl entgangen. Da darf man ja auf Weiteres gespannt sein.“
Natürlich hatte er es gesehen, aber seit wann las er so einen Blödsinn? Diesen Roggenkamp konnte man doch noch nie ernst nehmen.
„Der Mensch soll völlig heruntergekommen sein. Er war von Kopf bis Fuß mit Schlamm eingeschmiert. Wahrscheinlich wegen der fürchterlichen Moskitos. Als man versuchte Kontakt mit ihm aufzunehmen, wehrte er sich mit Händen und Füßen. Schließlich musste man ihn überwältigen. Ach ja, noch etwas. Er kann vermutlich nicht richtig sprechen. Er sagt immer nur ein Wort: ‘Damamunga’.“ Jetzt rächte es sich, dass er nur die Überschrift gelesen hatte. Er musste nun fragen.
„Weiß man schon, was das bedeuten soll?“
„Nein, nicht, dass ich wüsste.“
„Alles klar, die Experten streiten sich noch.“ Mein Gott, dieser Mensch glaubte auch wirklich alles.
„Sie haben gut lachen. In deren Haut möchte ich jetzt nicht stecken“ Ich in ihrer auch nicht.

Als die Herren sich schließlich trennten, hatte Roggenkamp das Gespräch bald vergessen.
Nicht so, Kornstedt. Das brachte sein Beruf so mit sich. Immer noch war er lebhaft an allem interessiert, was sich in den Printmedien tat. Da konnte auch der verdiente Ruhestand nichts dran ändern. Umso mehr ärgerte er sich, wenn ihm eine Meldung unseriös erschien. Wenn sie ihm dann auch noch von diesem hirnrissigen Idioten präsentiert wurde …

Den ganzen Nachmittag lief er rum wie Falschgeld und grübelte. Was, zum Teufel, war bloß los mit ihm? Je länger Kornstedt über die Nachricht nachdachte, desto mehr hatte er das Gefühl, das Wort schon mal irgendwo gehört zu haben. Es musste eine Weile her sein, soviel war klar. Aber er kam einfach nicht drauf, und so versuchte er sich abzulenken. Mit Gewalt war da nichts zu machen.
Abends ging er früh ins Bett und fiel alsbald in einen leichten Schlaf. Er träumte von blauem Himmel, hohen Palmen am Meer, kreischenden Vögeln … Plötzlich durchfuhr Kornstedt ein Ruck. Abrupt verließ er sein paradiesisches Traumland. Er setzte sich auf ─ und plötzlich wusste er wieder, wo er diesem merkwürdigen Wort begegnet war. Es war nicht das erste Mal, dass er bohrende Fragen des Alltags in seinen Träumen beantwortet fand! Darum wunderte er sich nicht, sondern ergriff energisch seinen Wecker. Was er dort sah, konnte ihn heute nicht erfreuen. Es war erst halb vier.
Stöhnend warf sich Kornstedt zurück in die Kissen. Stunde um Stunde wälzte er sich von einer Seite auf die andere, ohne Ruhe zu finden.
Um sechs Uhr hielt es ihn nicht länger im Bett. Behände sprang er auf und verrichtete all die lästigen Dinge, die ein älterer Herr, der diesen „Titel“ verdienen will, hinter sich bringen muss. Er war nun mal vom alten Schlag, und bis jetzt hatte das Alter es nicht vermocht, aus ihm einen ungepflegten alten Trottel im Trainingsanzug zu machen. Dafür war ihm die Damenwelt auch längst noch nicht unwichtig genug.
Nach dem schnell herunter geschlungenen Frühstück stürmte er los zur „Neuen Post“.
Im Verlagshaus angekommen, ließ er den Fahrstuhl links liegen und stürmte die Treppen hinab ins Archiv.
Herr Wittig guckte erstaunt.
„Nanu, so früh schon auf den Beinen, Herr Kornstedt, was soll` s denn diesmal sein?“
„Ich brauche alle Unterlagen der letzten drei Jahre, Wittig. Ich bin einer tollen Sache auf der Spur.“
„Wie immer?“
„Nein, mein Lieber. Diesmal ist es ein Knüller!“
Wittig lächelte verständnisvoll und setzte alle Hebel in Bewegung.

Kornstedt nickte zufrieden und strahlte.
Da stand es, schwarz auf weiß:
Der Millionärssohn und Erbe eines riesigen Imperiums war auf einer Weltumseglung verschollen. Zuletzt wurde er in der Südsee gesichtet. Dort soll er beim Landgang unter einer Palme eingeschlafen sein. Als er nicht zum Abendessen erschien, und der Maat ihn suchte, entdeckte er den Vermissten unter besagter Palme mit einer dicken Beule am Kopf.
Er wirkte verwirrt, murmelte unentwegt das Wort „Damamunga“ vor sich hin, und gebärdete sich so wild, dass der Seemann Hilfe herbei holen musste. Als der Mann mit Verstärkung zurückeilte, war der Verletzte verschwunden. Man sandte Suchtrupps aus, aber der Sohn blieb unauffindbar. Er ward nie mehr gesehen.

Kornstedt schlug sich vor Freude auf die Schenkel.
„Wittig“, schrie er, „ich brauche ein Ferngespräch!“

Letzte Aktualisierung: 10.06.2009 - 22.06 Uhr
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