Der Tod aus der Teekiste
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August 2009
Sommerfreuden
von Angelika Gerber

Sommer! Wie sehr ich ihn liebe. Er ist mein Freund. Wenn er da ist, bin ich glücklich, wenn er sich wieder verabschiedet, beginnt das sehnsüchtige Warten auf den nächsten.

Sommer, das bedeutet Ferien, Schweiß am ganzen Körper, Creme im Gesicht, braune Haut, Mückenstiche, Baggersee, ein Fetzen um Hüften und Busen genügt als Kleidung.
Die langen hellen Nächte gepaart mit Tagen voller Lebensfreude und Licht. Im Sommer bin ich ein anderer Mensch. Ich hüpfe durch die Straßen, mein Rock wippt ausgelassen. Ich hole mir ein Eis an der Diele, schlecke Stracciatella, Erdbeere, Zitrone und fühle mich selbst wie eine kleine, süße, knackfrische Aprikose.

Diesen Sommer habe ich ein ganz besonderes Ziel: MALTE. Er ist der Beste. Er ist einzigartig, er ist so süß wie Zuckerwatte Nein süßer! Wenn ich ihn nur sehe, fange ich an zu zittern.
Malte ist mein Nachbar! Seine Eltern sind vor einigen Monaten nebenan hinzugezogen.
Als ich ihn das erste Mal sah, stand ich gerade im Garten und begann mich auszuziehen.
Zum Bräunen, versteht sich. Er streckte seinen Kopf über unsere Hecke und rief: “Juhu ein Striptease.“ Vor Schreck verhedderte ich mich in meinem Kleid und fiel hin.
Er sprang in unseren Garten, half mir galant wieder auf die Beine und ich zog eilig den Stoff wieder hinunter. Nackt gebe ich leider kein besonders gutes Bild ab. Die Winterschokolade ist noch nicht wieder geschmolzen. Als ich unserem Nachbarn in die Augen sah, flog eine Armee Schmetterlinge in meinem Bauch umher. Seither wohnen die dort.

Auch bei unserer zweiten Begegnung konnte ich Malte nicht wirklich beeindrucken:
Seit August habe ich einen anstrengenden Studentenjob. Nach Feierabend bin ich so müde, dass ich es nur noch bis nach Hause schaffe und erstmal eine Runde schlafen muss. Manchmal wache ich erst morgens wieder auf.
Ich arbeite ganztags in einer Zoohandlung. Mein Aufgabengebiet betrifft die Sauberhaltung der Käfige von diversen Kleintieren: Hamstern, Wüstenrennmäusen, Hasen und niedlichen Meerschweinchen. Und dann die komplette Vogelfraktion: Papageien, Wellensittiche, Kanarienvögel und Beos. Es gibt einen Papagei dort, der nervt ziemlich. Immerzu ruft er: “Schneller, schneller!“, oder „Machst schon wieder Pause?“ Irgendein Spaßvogel muss ihm das beigebracht haben. Von mir lernt er gerade etwas Neues: Scheißladen.
An meinem dritten Arbeitstag war ich gerade damit beschäftigt, die Wüstenrennmäuse kurzzeitig umzuquartieren. Da hörte ich ein: “Oh, Hallo Conny“, und fing an zu zittern, da ich augenblicklich Maltes Stimme erkannte. Beim Zittern entwischte mir eine der Rennmäuse. Sie stob den Gang hinunter und traf dort unglücklicherweise auf eine Kundin. Die ältere Dame schrie los wie eine Sirene, sodass es sogar der Chef in seinem Büro hörte und zur Hilfe eilte. Vermutlich wurde er aus dem Schlaf gerissen.
Die Frau kletterte in ihrer Panik auf einen Stapel mit Hundefutterpaketen hinauf. Dieser stürzte umgehend in sich zusammen und sie landete unsanft auf ihrem breiten Hintern.
Unsere Wüstenrennmaus hingegen kehrte zitternd um, da der Chef von der anderen Richtung den Flur hinauf polterte. Er wiegt fast drei Zentner, ist knappe zwei Meter groß und hat einen bösen Blick drauf, da stellt es einem alle Haare auf.
Ja wirklich alle!
Die Rennmaus, mit gesträubtem Fell, kletterte in ihrer Verzweiflung auf die am Boden liegende Frau und versteckte sich in ihren grauen Haaren. Ich versuchte die Situation zu retten, griff beherzt mit beiden Händen in die Lockenpracht der alten Dame und erwischte die Maus … zusätzlich leider noch die Perücke der Kundin. Der entsetzte Schrei erschreckte mich, sodass ich die Maus wieder fallen ließ.
Malte hatte das Szenario mit großen Augen verfolgt, half der alten Dame und mir beim Aufstehen und brachte vor lauter Lachen kein Wort mehr heraus.

Heute soll nun der heißeste Tag des Jahres werden. Wir schreiben den 20. August und es werden fünfunddreißig Grad gemeldet. Irre! Danach angeblich drei Wochen lang nur noch Regen. Die neu gezüchteten, genmanipulierten Wetterfrösche irren sich nie, heißt es.
Mir fällt siedend heiß ein, dass ich noch nicht ein einziges Mal baden war. Klar mein Fehler, aber es hat sich nicht ergeben.
Der Juli war völlig ungeeignet für den Badegenuss, denn es gab nach sechs Minuten Sonne meistens neun Minuten Regen, dann wieder sieben Minuten Sonne und schon wieder ein Guss, der es in sich hatte.

Durch die viele Arbeit war eine Badeaktion auch im August unmöglich. Außerdem wohnte, zusammen mit den Schmetterlingen, eine Angst im Bauch Malte zufällig am See zu treffen. Nur angezogen konnte ich ihn beeindrucken! Doch heute gibt’s keine Ausreden! Den letzten heißesten Tag des Jahres kann ich mir nicht ohne Bad entgehen lassen, ich bin Sommerfan!

Gleich nach dem Aufstehen, so gegen ein Uhr, packe ich meine Strandtasche, hole das angestaubte Fahrrad aus der Garage und radle pfeifend an den See. Schon von Weitem höre ich Kindergeschrei, laute Musik und Gejohle. Mist, ich wollte eigentlich Ruhe. Bisschen schlafen und entspannen. Eine einsame Bucht mit Gebüsch drum herum, schwebte mir vor.
Doch Pustekuchen!
Wie die Sardinen liegen die Menschen nebeneinander. Jeder will den letzten Badetag noch genießen. Ich suche eine halbe Stunde nach einem freien, einsamen Platz, doch der Erfolg will sich nicht einstellen.
„He Conny“, ruft mich da eine tiefe Stimme aus dem Wasser. Mich überfällt das Zittern! Neptun? Aber nein, es ist natürlich Malte. Oh jemine.
„Willst du dich nicht zu uns legen?“, grinst er mich an. Jedes Honigkuchenpferd wäre neidisch auf mein Strahlen, das ich ihm kostenlos zur Verfügung stelle.
Krampfhaft überlege ich, wie ich aus der Nummer wieder rauskomme. Da liegt die halbe Abi-Klasse vor mir und ich soll mich hier fast nackt hinlegen? Mittenrein quasi? Meine Speckröllchen sind nicht für die Allgemeinheit bestimmt. Die wollte ich eher für mich behalten. Um eine Ausrede verlegen, schaue ich in die Runde.
Alle rufen: „Au ja, Conny leg dich doch zu uns“. Seufzend ergebe ich mich meinem Schicksal.
Nun gut, man muss ja nicht gleich alles ausziehen. Mutig entledige ich mich meiner Shorts und behalte mein schwarzes T-Shirt erstmal an. In wenigen Sekunden beginnt mir der Schweiß aus allen Poren zu strömen. Mein Gesicht wird knallrot, ich brauche dringend ein Bad. Sehnsüchtig schaue ich Richtung See, das Wasser sieht so verlockend aus.
Um mich herum liegen unsere Klassenmodels mit perfekter Bikinifigur. Tina liegt sogar oben ohne neben den anderen. Unbeeindruckt von den Blicken der Jungs, die sie verschlingen.
Malte setzt sich so dicht neben mich, dass seine Badehose quasi an meinem Schenkel klebt. Mir wird doppelt so heiß. Ich verbrenne!
„Conny, magst du nicht mal ins Wasser? Ich glaub du bekommst bald einen Sonnenstich“, sagt er besorgt und deutet auf meinen Kopf.
„Ne du, mir ist gar nicht so heiß“, lüge ich und wische mir heimlich die Sturzbäche unter den Kniekehlen weg.
Malte nickt nur und bleibt sitzen. Wir reden eine Weile, ab und an verschwindet er im Wasser, fragt jedes Mal, ob ich nicht mit will, aber ich verneine dankend und lese mein Buch.
Jemand reicht mir ein Bier. Ich kippe es hinunter und bemerke nach ein paar Minuten, wie sich mein Schwitzen verstärkt. Es bildet sich ein weißer glibberiger See um meinen Hintern herum.
Es hilft alles nichts, ich muss ins Wasser. Wenn Malte meinen Schwabbelbauch im hellen Sonnenlicht sieht, dann ist vermutlich meine letzte Chance dahin, ihn noch für mich zu gewinnen. Aber wenn ich nicht sofort eine Abkühlung bekomme, muss ich sterben, dann hätte ich die Chance auch vertan.
Das T-Shirt anlassen im Wasser? Nein, zu lächerlich. Mit einem Ruck zerre ich das Shirt über den Kopf, denke an die Rennmaus, halte die Luft an und sprinte schnell ins Wasser. Ungeachtet der Kälte werfe ich mich in die Fluten, paddle wie eine Irre hinaus, tauche immer wieder unter, nur weg von den Blicken der anderen.
Angesichts meiner Eile bemerke ich das Ruderboot nicht das auf mich zu steuert.
Erst als mir das Ruder mit voller Breitseite auf den Kopf knallt und mir schwarz wird vor Augen, registriere ich das etwas falsch läuft.
Als ich wieder zu mir komme, liege ich am Rande des Sees, über mir sehe ich unzählige Gesichter, mittendrin kniet Malte mit hochrotem Kopf.
„Ey Conny, alles okay?“
Klar Malte, mir geht’s prima. Ist doch super, wenn man hier gemütlich liegt und alle starren einen an. Peinlicher geht es nicht. Mir wird schlecht.
Mit den Händen bedecke ich sofort unauffällig meinen Bauch. Doch zu spät. „Bin ich ertrunken?“, frage ich beiläufig und hoffe, er sagt ja.
Malte lächelt wieder: „Du hast uns einen ganz schönen Schrecken eingejagt!“ Dann beugt er sich zu mir und flüstert in mein Ohr: „Und mach ´die Hände da weg, du hast so einen süßen Knuddelbauch, den kann man doch zeigen.“
Ey Leute, ich liebe den Sommer!

Letzte Aktualisierung: 28.08.2009 - 08.40 Uhr
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