Ganz schön bissig ...
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September 2009
Ich lach mich tot!
von Karl-Otto Kaminski

Saul schüttelte unzufrieden den Kopf. Sein militärischer Chefberater Abner und mit ihm die gesamte israelitische Streitmacht hatten offenbar die Hosen voll. Sie machten bedenkliche Gesichter und zitterten vor Furcht. Die Schlacht gegen die Philister war zwar bisher nicht über den Austausch gegenseitiger Schmähungen hinausgegangen, aber es sah nicht gut aus für den ersten König von Israel. Es waren einfach zu viele auf der gegnerischen Seite. Die Übermacht schien erdrückend.
Und dann hatten die jetzt auch noch ihre Superwaffe aufgefahren, diesen Goliath. Der bärtige „Unbesiegbare“, ein wahrer Doppelmeter, stand unter den schattigen Ästen eines mächtigen uralten Feigenbaumes, rammte sein riesiges Schwert mit einem Hieb zwei Handbreit tief in den trockenen, harten Boden, kreuzte seine muskulösen Arme vor der breiten gepanzerten Brust und grölte mit Donnerstimme böse Schimpfworte hinüber zu den schlotternden Kriegern der Israeliten.
Der dürre junge Spund, der sich ihm gegenüber gerade respektlos aufgebaut hatte, bildete dazu einen äußerst grotesken Kontrast. David stand, nur etwa dreißig Meter entfernt, braungebrannt und sehnig, lediglich mit einem derben Tuch um die Hüften bekleidet, schutzlos in der heißen Vormittagssonne und warf seinem Gegner ebenfalls bissige Ausdrücke zu.
Man bedenke: Ein Jüngling, der bisher nur Ziegen und Schafe gehütet hatte, dem mit Mühe die Andeutung eines Oberlippenbartes wuchs, griff hier einfach in das Kriegshandwerk ein, in einen Kampf, vor dem es selbst altgedienten, graubärtigen Haudegen grauste. Vergeblich hatte die Wache Sauls ihn davon abhalten wollen. Er war ihnen entwischt.
Seine einzige Waffe, eine einfache Steinschleuder, trug er lässig in der rechten Hand. Die Munition, ein Dutzend runder Steine, baumelte in einem Ledersäckchen, gehalten von einer ledernen Schnur, an der linken Hüfte des jungen Mannes. Der hatte den Stimmbruch noch nicht sehr lange hinter sich. Das konnte man hören, wenn er versuchte, einem boshaften Wort eine besondere Schärfe zu geben. Seine Stimme kickste dann schon mal leicht nach oben weg.
Aber aufs Maul gefallen war der Junge wirklich nicht. Er war dem Muskelberg in seiner ehernen Rüstung unter dem schweren eisernen Helm rhetorisch sogar überlegen.
Natürlich fürchtete er sich vor diesem Kampf, auch wenn er das um keinen Preis zeigen durfte. Wer hätte in seiner Lage wohl keine Angst gehabt, wo doch schon keiner der kühnen Elitesoldaten des Königs sich traute, gegen Goliath anzutreten? Aber der Gedanke an Michal, Sauls zweite Tochter, machte David tollkühn. Die erste, die schöne Merab, hatte der König bedauerlicherweise schon anderweitig verheiratet. Nun, dann wollte er eben Michal haben, auch wenn die vielleicht nicht ganz so hübsch war wie ihre ältere Schwester. Altersmäßig passte sie ja sogar noch besser zu ihm. Aber vor allem war sie die einzige unverheiratete Königstochter in Israel. Und deswegen musste David dem Saul jetzt unbedingt beweisen, was für ein Teufelskerl er war, ein wirklicher Held, nicht nur ein magerer Ziegenhirte, der nichts anderes konnte, als die Herden seiner Familie zu versorgen.
Um überhaupt eine Chance gegen den gefürchteten Rambo der Philister zu haben, das wusste David, musste er ihn zu unüberlegten Handlungen reizen; denn Wut macht blind. Gegen brutale Kraft hilft nur Chuzpe. Dabei stellte er sich gleichzeitig aber auch auf eine rasche Flucht ein. Sollte intelligente Frechheit nichts nützen, sollte der massige Hüne im Ernst auf ihn losgehen mit seiner rohen Kraft und dem riesigen Schwert, dann würde er flitzen, wie eine Wüstenspringmaus und sich aus dem Staub machen, so rasch es ging.
Was er aber tun würde, wenn sein Gegner sich von ihm provozieren ließ, wusste er zurzeit auch noch nicht genau. Im passenden Moment würde er wohl seine Steinschleuder einsetzen müssen, dem Gegner ein Auge ausschießen oder besser noch beide. Anschließend rasch das riesige Schwert aus dem Boden zerren und … Aber zuvor musste er ihn unbedingt reizen, ihn blindwütig und unvorsichtig machen.
„Du aufgeblasener, hirnloser Fettwanst!“, rief er dem Koloss zu.
„Du dürrer Stecken?“, konterte der Philister dröhnend.
„Geistlose Kampfmaschine!“
„Trockener Spargel!“
„Großmäuliger Ochsenfrosch!“
„Schwindsüchtiger Wurm!“
„Trostloser Muskelberg!“
„Magere Wüstenmaus!“
„Ekliger Plumpskuchen!“
„Kraftloser Weiberfurz!“
So ging das eine gute Viertelstunde, ohne dass der Philister in Rage geriet.
„Du widerliche Kreuzung aus Nilpferd und Heuschrecke!“, rief David jetzt.
Goliath stutze. Offenbar hatte er diese Anspielung nicht verstanden.
Sein Gegner half ihm auf die Sprünge: „Zwar ist dein Panzer hart und starr wie der einer Heuschrecke. Dein Gesicht aber ist das eines Nilpferdes, breit und blöd. Und dahinter gibt’s leider keinen Verstand. Wie willst du nur mit solch einem Kopf gegen mich kämpfen“
Als der Riese die Beleidigung endlich kapierte, wurde er ernsthaft zornig.
„Du aufgestellter Mausdreck!“, schrie er ärgerlich. „Du willst wirklich gegen mich antreten? Womit denn wohl, du trauriger Ziegenbart? Etwa mit deinen bloßen, zarten Händchen?“
„Ich kämpfe mit Jahwes Hilfe und dieser Steinschleuder hier, du peinliche Fehlgeburt einer unvorsichtigen Philisterin“, kam die stolze Antwort.
„Mit deiner Steinschleuder? Mit diesem Spielzeug?“, höhnte Goliath. „Dass ich nicht lache. Damit kannst du ja höchstens einer Fliege Angst machen, oder einem Mistkäfer.“
„Mag sein“, schrie David. „Aber du bist ja auch ein Mistkäfer. Und zwar der armseligste von allen.“ Seine Stimme schlug zu seinem Ärger wieder mal ins Falsett. Das war ihm sehr peinlich. Er wollte doch erwachsen und männlich wirken, König Saul und Prinzessin Michal unbedingt imponieren. Darum setzte er zornig noch einen drauf: „Ja, du bist wirklich der erbärmlichste unter allen Mistkäfern. Denn du hinkst ja nur auf zwei Beinen. Aber selbst, wenn du deren sechs hättest, wie ein richtiger Skarabäus, nicht einmal dann wärst du flink und stark genug, um mich zu besiegen. Ich bin viel schneller und stärker als du!“
Die Szene hatte tatsächlich etwas Bizarres. Da warf sich dieser israelitische Dreikäsehoch tollkühn in die Brust vor der gefürchteten Kampfmaschine der Philister. Es wirkte fast ein wenig lächerlich. So als kläffte ein Zwergpinscher einen Pit Bull an.
Goliath stutzte. Man sah, dass er etwas Zeit brauchte, um den Vergleich zu verstehen. Als er schließlich mit Denken fertig war, schlug er sich mit seinen riesigen Pfoten klatschend auf die massigen Schenkel und röhrte dröhnend vor Lachen.
„Das ist gut!“, brüllte er. „Das ist prima! Ich lach mich tot! Du kleine Schmeißfliege, du lästige Pferdebremse willst schneller und stärker sein als ich? Aber warte nur, ich zeig’s dir schon! Gleich werde ich dich mit diesen zwei Beinen in den Staub treten wie einen wirklichen Mistkäfer. Es wird mir ein Vergnügen sein, wenn deine Glieder unter meinen Füßen zerbröckeln wie ein lästiges Insekt.“ Darauf brach er wieder in wieherndes Lachen aus, riss sein gewaltiges Schwert aus dem Boden und machte in hämischer Vorfreude auf seinen sicheren Sieg einen übermütigen Luftsprung.
Sein Kopf war zwar durch den schweren eisernen Helm geschützt, aber es gab ein hässlich knirschendes Geräusch, als Goliath damit gegen den dicken Ast über ihm knallte. Das Brechen seiner Nackenwirbel war ganz deutlich zu hören, sowohl in den Reihen der Kämpfer Sauls als auch bei den Philistern. David erschrak und riss reflexartig seine Schleuder hoch. Der Stein traf den Hünen, schon im Fallen, dicht über der Nasenwurzel.
Ungläubiges Staunen war das letzte Zeichen bewussten Lebens auf dem bärbeißigen Gesicht des „Unbesiegbaren“, bevor der mächtige Körper krachend langsam vornüber auf den staubigen Boden schlug. Die Soldaten der Philister heulten entsetzt auf. Goliath, der stärkste Kämpfer unter ihnen, der Schrecken all ihrer Feinde, lag tot am Boden! Sie ignorierten alle Befehle ihrer Truppenführer, die sie wütend zum Dableiben und zum Kampf aufriefen, wandten sich zu panischer Flucht, verfolgt vom Hohngeschrei ihrer Gegner, die sich sofort begeistert an die Verfolgung der Fliehenden machten.
David war sich durchaus darüber klar, dass der Treffer mit dem Stein wahrscheinlich nicht tödlich gewesen wäre, hätte er den Riesen noch lebend erwischt. Aber das spielte jetzt keine Rolle mehr. Er war eindeutig der Sieger. Ob der Koloss sich nun tot gelacht hatte, ob er durch Genickbruch oder einen Stein getötet wurde, war letztlich völlig egal. Das würden Sauls Geschichtsschreiber für die Chronik schon passend formulieren, dachte er, als er des Königs Gesicht sah, der ihm jetzt huldvoll zulächelte. Nun konnte Saul ja wohl nicht anders. Er musste dem schmächtigen Helden zur Belohnung die Prinzessin Michal zur Frau geben.

Letzte Aktualisierung: 05.09.2009 - 23.43 Uhr
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