Ganz schön bissig ...
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September 2009
Du bist dran!
von Ingo Pietsch

Frank schreckte aus dem Schlaf hoch. Schlaftrunken versuchte er, das alarmierende Geräusch zu orten, das ihn geweckt hatte. Der Blick auf den Wecker verriet ihm, dass er eigentlich noch Zeit hatte, weiterzuschlafen.
Es war halb drei Uhr morgens und noch stockfinster.
Die Lärmquelle befand sich im Nebenzimmer und hieß David.
David war jetzt dreizehn Monate alt und das wahrscheinlich liebste Kind auf der Welt – wenn er schlief.
Frank wollte gerade Ute antippen, als sie etwas murmelte, dass wie „Du bist dran!“ klang.
Darauf folgte wieder ihr Schnarchen.
Ute war wieder im zweiten Monat schwanger. Alles war für sie ja so anstrengend und sie nutzte jede Möglichkeit sich auszuruhen.
Frank konnte sich nicht vorstellen, bei dem Krach schlafen zu können.
Er kletterte mühsam aus dem Bett, schleppte seine fast zwei Meter in den Flur und schaltete das Licht ein, damit der Schein gedämpft ins Kinderzimmer fiel.
Allerdings war diese Aktion völlig sinnlos: David war hellwach. Er hielt sich am Gitter seines Bettchens fest, hüpfte dabei hin und her und sprang demonstrativ mit seinem durch die Windel gepolsterten Hintern auf die Matratze.
Ein beißender Geruch schlug Frank entgegen und machte ihm schlagartig klar, weshalb David nicht mehr schlief.
Das Schreien wandelte sich in ein Glucksen. Das kleine Kind ließ sich vollends auf sein Hinterteil fallen und streckte die Arme aus.
Frank schnappte den Jungen und hievte ihn auf den Wickeltisch.
Mit schnellen geübten Griffen war der Strampelanzug aufgeknöpft und die Windel geöffnet. Jetzt kam der schwierige Teil: mit einer Hand die Beine hochhalten, mit der anderen die Feuchttücher aus der Plastik-Dose herausziehen und dabei noch darauf achten, dass die braun-gelb-schwarze Masse an ihrem Platz blieb.
Statt einem Tuch hatte Davids Vater gleich eine ganze Kette davon nebst Box in der Hand. Während er ein einzelnes davon abzuschütteln versuchte, kämpfte David sich frei und die Windel fiel mit einem lauten Platsch auf Franks Füße.
Zwanzig Minuten und eine ganze Packung Tücher später lag David wieder in seinem Bettchen.
Wieder ermüdet von dem Durcheinander, winkte Frank noch einmal und wollte zurück ins Bett.
Kaum war er aus der Tür hinaus, fing sein Sohn wieder an zu schreien.
Der gestresste Vater setzte sich vor das Bett und redete beruhigend auf David ein. Für weitergehendere Maßnahmen war er zu ausgelaugt.
Irgendwann waren die beiden eingeschlafen: David lag lieb im Bett und Frank lehnte mit dem Kopf gegen die Gitterstäbe.
„Oh, wie süß!“, sagte Ute, als sie die beiden fand.
„Wie spät ist es?“, fragte Frank, der sich aufrichtete und dabei versuchte, die schmerzenden Stellen an seinem Körper zu ignorieren.
„Kurz vor sieben. Und du solltest lieber nicht in den Spiegel sehen!“ Ute machte ein verkniffenes Gesicht.

Frank war spät dran. Er musste um acht im Büro sein. Gezwungenermaßen sah Frank beim Rasieren in den Spiegel. Er erkannte sich selbst nicht wieder: mit roten Äderchen durchzogene Augen, als hätte er die ganze Nacht durchgemacht. Dazu die passenden Ringe und zwei lange Striemen, die parallel auf seiner ganzen rechten Gesichtshälfte von unten nach oben verliefen.

Weitere zehn Minuten später saß Frank in der Küche vor einer heißen Tasse Kaffee. Er zog seine Krawatte fest und beobachte David, wie er in seinem Brei herumstocherte.
Aus dem Badezimmer rief Ute: „Kannst du David noch ein bisschen füttern? Er spielt sonst nur mit seinem Essen herum.“
Dem Vater lief die Zeit davon, er hatte aber keine andere Wahl. Schließlich sollte man einer Schwangeren lieber nicht widersprechen. Utes Hormone spielten dann verrückt und das wollte er lieber nicht riskieren.
Frank nahm den verschmierten Löffeln, tauchte ihn schön tief in den Brei und hielt ihn David vor den Mund.
Anstatt ihn weit aufzumachen, wie es sich gehörte, prustete er mit voller Kraft los.
Zum Glück landete von dem Obstmus nichts auf dem Boden, sondern spritzte nur in Franks Gesicht, auf die Krawatte und das weiße Hemd.
Der starrte an David vorbei und erspähte das Bügeleisen. Das kam ihm jetzt sehr gelegen. Weil Ute den ganzen Tag mit wer-weiß-was beschäftigt war, schaffte sie es nicht mehr, die Hemden zu bügeln.
Ute sah den Vielgeplagten nur noch am Badezimmer vorbeisausen. Dann hörte sie ein entferntes „Tschüss“ und die Haustür knallen.
Als sie in die Küche kam, saß David in seinem Stühlchen und aß brav seinen Brei.

Gegen Mittag erhielt Frank einen Anruf im Büro. Nachdem ihm seine Frau die Liste mit den Einkäufen des Tages durchgegeben hatte, sagte sie: „David hat heute sein erstes Wort gesagt! Und rate mal welches!“
Ute konnte ihn am Telefon förmlich strahlen sehen. Und sie wusste auch, dass er stolz darauf sein würde.

Frank konnte es kaum erwarten, nach Hause zu kommen. Mit dicken Plastiktüten kämpfte er sich das Treppenhaus hoch.
Er schloss die Tür auf und wollte seitwärts in die Wohnung gehen. Dabei holte er sich einen blauen Fleck an der Schulter, weil der Sicherheitsbügel David daran hinderte, die Wohnung zu verlassen, falls Ute ihn mal aus den Augen ließ. Als wenn das Abschließen nicht reichen würde. Und so gut konnte der Kleine noch nicht laufen.
Wehmütig erinnerte sich Frank daran, als er eines Nachmittags das untere Drittel seiner DVD-Sammlung auf dem Boden verteilt vorfand. Die Silberlinge lagen rund um den Kleinen verteilt, die Papphüllen der Sammlereditionen zum Teil aufgerissen. David rieb die Scheiben mit der glitzernden Seite immer wieder über den Parkett-Boden, dass es schöne kratzende Geräusche gab, die in Franks Ohren nicht wie Musik klangen. Ein ähnliches Schicksal ereilte auch die technischen Geräte, die jetzt nur noch die Hälfte ihrer Schaltknöpfe besaßen.
Ute hatte währenddessen nur mal „kurz“ telefoniert und nicht aufgepasst. Seit diesem Tag, war alles einen Meter höher geräumt.
Frank stellte den Einkauf in der Küche ab und fand Ute und David im Schlafzimmer. Sie schlummerten vor sich hin.
Leise wollte er wieder hinausschleichen, doch da wachte David auf. Er lächelte so, dass sein Vater dahinschmolz.
Dann fing er an zu brabbeln und sagte laut und verständlich: „P-P-Mama!“
Ute, die inzwischen auch wieder wach war, hatte noch nie so einen entsetzten Gesichtsausdruck gesehen.
Frank verschwand in der Küche, verstaute die Einkäufe und machte sich über den gigantischen Abwasch her. Merkwürdigerweise verbrauchten die beiden immer die Hälfte des Geschirrs und schafften es außerdem noch, dass für ihn nichts zu essen übrig blieb.
Der Papa packt den Vielfraß und setzte ihn in den vollen Wäschekorb. Ute konnte in Ruhe duschen und Frank ging in den Keller Wäsche waschen.
Anschließend spielten Vater und Sohn noch im Sandkasten, bis es dämmerte. Frank bekam dabei mehrmals Schaufel-Ladungen Sand auf den Kopf. Aber statt zu schimpfen, revanchierte er sich, wenngleich auch nur halbvollen Kinderschaufel Sand und David begann so fürchterlich zu schreien, dass die Nachbarn ihre Fenster öffneten, nur um zu sehen, wer das Kind so misshandelte.
Natürlich täuschte der Vater Unfähigkeit zur weiteren Verteidigung vor und David war wieder ruhig.
Nachbarskatze lief in einem riesengroßen Bogen um den Sandkasten herum. Sie hatte schmerzliche Erinnerungen daran, wie nett ein Kind doch sein kann.
Bei ihrer ersten Begegnung hatte David sie gestreichelt und am Schwanz gepackt. Als sie dann zu fauchen begann, steckte er ihr seinen Finger ins Auge, dass sie mit einem Satz auf und davon war. Seitdem hielt sie einen Sicherheitsabstand zu allen Kindern.
Frank hatte dieselbe Erfahrung mit der Augenattacke gemacht, als er mal auf dem Sofa eingeschlafen war.
Dann kannte der Kleine noch den Essensreste-Angriff. Der Vater hatte sich deshalb angewöhnt, mit dem Rücken zur Bettkante zu schlafen, damit keine ungebetenen Dinge den Weg in seinen Mund fanden.
Nach dem Spielen fuhr Frank mit David noch eine Runde im Kinderwagen um den Block. Das war das allabendliche Ritual, welches Vater und Sohn verband.
Auf dem Rückweg schlief der Junge meistens ein und ließ sich dann bestens ins Bett bringen.
Je später das war, desto früher stand er auf. Wenn Frank erst später im Büro sein musste und ausschlafen konnte, stand David besonders früh auf, als wenn er das irgendwie ahnen würde.
Heute Abend kam der Kleine schnell ins Bett und Frank kümmerte sich noch um ein paar Kleinigkeiten. Zum Schluss ging er zu seiner Frau ins Bett, die noch eine ausgiebige Fußmassage benötigte und anderweitig verwöhnt werden wollte.
Nachdem Ute ihm noch mehrmals die Hand ins Gesicht geschlagen hatte, weil sie sich ständig drehte und ihr Schnarchen nur noch wie aus weiter Ferne klang, schlief auch er ein.
Die Schlacht war für diesen Tag geschlagen und Frank träumte davon, wie es wohl mit zwei Kindern sein würde …

Letzte Aktualisierung: 07.09.2009 - 11.44 Uhr
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