Burgturm im Nebel
Burgturm im Nebel
"Was mögen sich im Laufe der Jahrhunderte hier schon für Geschichten abgespielt haben?" Nun, wir beantworten Ihnen diese Frage. In diesem Buch.
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Oktober 2009
Sternenstaub
von Barbara Hennermann

Sie sahen fast aus wie zwei Posaunenengel. Marie kannte solche, vom Weihnachtsbaum und von der Kirche. Pralle Backen, die von großen runden Augen dominiert wurden. Diese leuchteten sogar abwechselnd rot und blau und dazu nickten zwei Antennen auf den kahlen runden Köpfen lustig im Takt. Die Mainzelmännchen im Fernsehen sahen so ähnlich aus, nur waren die nicht so grün wie diese hier hinter der Glasscheibe.
Marie drückte sich die Nase an der Schaufensterscheibe des Reisebüros platt. Eine Riesenlandschaft war da aufgebaut, karg und düster anmutend, mit Kratern und Bergen, alles grau in grau. Oben drüber wackelte ein blinkendes Ding, anzusehen wie ein runder Wohnwagen mit vier Stelzen, auf dem die Leuchtschrift etwas anzeigte. Marie schüttelte die Hand der Mutter. „Mama, was steht denn da?“ Die las lachend vor: „Gönnen Sie sich ein außerirdisches Erlebnis“. Die Kleine zog fragend die Augenbrauen nach oben. „Ja weißt du, Marie, hier kann man sich eine Reise kaufen. So eine ganz tolle, als würde man zum Planeten Mars fliegen, versprechen die Leute. Alles nur Werbung, Süße.“ Sie zog das Kind mit sich weiter. Marie verrenkte sich den Hals, bis sie am Auto ankamen und die Mutter ihr die Autotür öffnete.

Sie kamen plötzlich und unerwartet. Erst der Knall, dann ein Reigen goldener und silberner Sterne, der auf Marie herab regnete. Im Sternennebel zeichneten sich die Konturen eines Fahrzeugs ab. Sie staunte. Das war doch das Ding aus dem Schaufenster? Schon setzte es brummend zur Landung an. Die Sterne stoben in die Höhe, kitzelten Marie an der Nase. Das Ding landete auf den Stelzen. Dann schob sich eine Tür in die Höhe, eine Treppe senkte sich langsam zu Boden und … Das Kind klatschte entzückt in die Hände. Tatsächlich! Die beiden grünen Männchen stiegen die Stufen herunter! Suchend sah Marie sich um. Wo war Mama geblieben? Aber da sprach sie schon das eine Männchen mit seltsam knarrender Stimme an: „Hallo Marie, ich bin Bix. Und das ist Bax, mein Bruder. Du musst dich nicht vor uns fürchten!“ Und beide blinkten freundlich rot und blau mit den Augen, während die Antennen auf ihren Köpfen tanzten. Marie wischte sich die Sterne aus den Augen, die immer weiter vom Himmel fielen und ihr die Sicht versperrten. Nein, sie fürchtete sich nicht! Nur schade, dass Mama nicht da war und sie ihr die Männchen nicht vorstellen konnte. Bax nahm sie bei der Hand. „Komm mit, Marie, wir wollen dir so gern unseren Planeten zeigen!“ Er zog sie zu dem komischen Gefährt. „Das ist übrigens ein Raumschiff. Es kann ganz weit durch die Galaxien fliegen.“ Marie hatte keine Ahnung, was das sein sollte. Aber nun nahm Bix ihre andere Hand und beide blinkerten so lustig mit den Augen, dass sie sich freudig mitziehen ließ.

Die Menschen auf der Straße hielten abrupt inne, als der Knall in ihr Bewusstsein drang. Was war da geschehen? In diesem Teil der Stadt ereignete sich selten etwas Ungewöhnliches. Sie liefen zusammen, um der Ursache auf den Grund zu gehen. Im Nu hatte sich eine Menschentraube angesammelt. Neugierige, fassungslose, entsetzte Gesichter. Blinkende rote und blaue Lichter malten bald bunte Ornamente hinein. Personen hasteten hin und her. Eile war angesagt. Der Kreis der Gaffer öffnete und schloss sich wieder. Man wollte nichts versäumen …

Das Innere des Raumschiffs sah ein bisschen so aus wie bei Mamas Zahnarzt. Ein bequemer Liegesessel vor einem Pult mit vielen Armaturen. Bax setzte sich hinein. „Halt dich fest, kleine Lady, es geht gleich los!“, rief er mit seiner knarrenden Stimme. Und Bix drückte Marie in einen zweiten Sessel und schnallte sie gut fest. „Damit du uns im Universum nicht verloren gehst“, grinste er. Schon hob das Gefährt pfeifend vom Boden ab. Vor den Fenstern wirbelte der Sternenstaub auf. Pfeilschnell durchschnitt das Raumschiff die ewige Nacht des Weltraums. Marie fühlte die Schwerelosigkeit des Universums und versank in dessen Tiefe. Da rüttelte sie Bix am Arm. „He, kleine Maus, einschlafen gilt nicht! Wir sind gleich am Ziel!“ Das Gefährt verlor an Geschwindigkeit, senkte sich zu Boden. Lautlos schwang die Tür auf. Das Kind rieb sich den Schlaf aus den Augen, ließ sich von Bax und Bix an die Rampe schieben. Staunend sah es auf die unbekannte Welt. Riesige Krater taten sich auf, Berge wölbten im Kontrast dazu ihren schweren Rücken – und alles war in ein diffuses Grau getaucht. Das Bild, das sie im Schaufenster gesehen hatte, spiegelte sich originalgetreu wieder! Marie seufzte. Ach, wenn Mama das nur auch sehen könnte! Alles das gab es doch „in echt“ … Bax` knarrende Stimme unterbrach ihre Gedanken. „Träum nicht, Marie, sonst fällst du womöglich die Stufen hinunter! Es gibt noch viel zu entdecken.“ Und er deutete mit seinem Finger in die Ferne, wo seltsame Gestalten in weißen Mänteln geschäftig hin und her eilten.

Ein Raunen lief durch die angesammelte Menschenmasse. „Mein Gott, der Kerl sieht ja ganz grün im Gesicht aus!“ „Wo kam der eigentlich her?“ „So ein süßes Mädel, o Gott, o Gott!“ „Das ist doch keine Hauptverkehrsstraße.“ „Ob der überhaupt eine Fahrerlaubnis hat?“
Ein Polizist drängte die Gaffer auseinander. „Gehen Sie doch weiter, bitte! Sie behindern uns nur!“ Doch die Menge blieb stur stehen. Wohlige Betroffenheit machte sich breit. Womöglich eine Katastrophe, gewiss. Aber schließlich konnte man so etwas nicht alle Tage sehen …

Marie streckte sich. Sie fühlte sich ganz steif. Das war doch eine weite Reise gewesen – war ihr eigentlich gar nicht so vorgekommen! Das Grau der Umgebung stülpte sich über sie wie eine Haube aus Plastik. Bix und Bax waren wirklich sehr nett. Aber ihr reichte der Ausflug jetzt, sie wollte zurück zu ihrer Mama! „Bitte, können wir wieder zurück fliegen? Ich bin müde und will nach Hause.“ Enttäuschung malte sich auf den runden Gesichtern, die Augen blinkerten heftig – blau und rot, blau und rot … „Ach Marie, wir hätten dir noch so viel zeigen wollen. Und wir dachten, du bleibst vielleicht bei uns? Hier ist es oft so langweilig.“ Aber Marie schüttelte entschieden die blonden Haare. Die Marsmännchen nickten traurig. Vielleicht hatten sie ja schon etwas dergleichen befürchtet? Marie beobachtete, wie ihr Grün blasser wurde, sich mit dem Grau um sie herum vermengte. Sie würden doch nicht einfach verschwinden, Marie hier alleine lassen? Nun erfasste sie doch die Angst …

„Mama! Mama!“
Da war die Mutter ja plötzlich wieder. Warum sie wohl weinte? Und woher kamen all die Menschen? Die großen Autos mit den bunten Lichtern – blau und rot und blau und rot? Die Männer mit den grünen und weißen Anzügen?
Marie hatte keine Lust mehr auf Weltraumabenteuer. Sie wollte ´runter von diesem komischen Bett, auf dem man sie festgeschnallt hatte, weg von den vielen Leuten, die sie umringten und anstarrten – Marie wollte heim! „Ich will heim, Mama!“ Da klatschten die Leute, die herumstanden, plötzlich alle Beifall. Marie verstand es nicht, genauso wenig wie das Aufschluchzen der Mutter. Aber als diese sie heftig an sich drückte und auf den Arm nahm, wusste sie, dass sie in Sicherheit war. Sie kuschelte ihren schmerzenden Kopf fest in die Halsbeuge ihrer Mutter und ließ sich davon tragen. Den Rest würden die Großen schon klären …

Letzte Aktualisierung: 22.10.2009 - 09.33 Uhr
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