Hätte er sich das Kleingedruckte durchlesen sollen? Jetzt lag er auf dem Rücken, um ihn herum rumorte und grollte es gewaltig. Und wie sollte er all das Elvira erklären? Auf den grinsenden Typ neben ihm konnte er bei diesem Problem nicht zählen.
Bis vorgestern keine besonderen Vorkommnisse. Ottmar Petersen schlurfte morgens die Straße entlang zum Bäcker. Seine Frau bestand auf frischen Körnerbrötchen, obwohl sie anschließend ins Bad und die Zähne rausnehmen musste, um sich die Mohnkrümel von den Felgen zu wischen. Doch er hatte über die Jahre gelernt, Elvira nur bei mindestens siebzigprozentiger Wahrscheinlichkeit auf Erfolg zu widersprechen. Dafür schüttelte sie zwar den Kopf, sagte aber nichts, wenn er, wie immer nackt, selbst bei Minusgraden, vor dem offenen Fenster seine Morgengymnastik machte und danach einen Cognac auf nüchternen Magen zum Aufwärmen nahm. An jenem Morgen konnte sie sich einen Kommentar dennoch nicht verkneifen: „Ich bin gespannt, was Doktor Wiedener zu deiner Fahne sagen wird.“
„Nix. Erstens trink ich doch nie mehr als das eine Konjäckchen am Tag und der Arzt weiß, dass es wärmt. Zweitens: Was wären meine Leberwerte irritiert, wenn bis acht Uhr früh keine Lieferung käm?“
Im Wartezimmer war er alleine. Seltsam für neun Uhr. Neben den Zeitschriften lag ein kleiner Stapel mit quietschgrünen Zetteln. Der schwarze Aufdruck verkündete: 'Schwerelose Seniorinnen und Senioren gesucht'. Das Blatt bot die Teilnahme an einem Forschungsprojekt mit dem vielsagenden Titel ETWA an. Der Veranstalter, offenbar um Seriosität bemüht, gab an, er kooperiere mit ESA und NASA. Zielgruppe seien rüstige Menschen jenseits der Achtzig, die Lust auf einen ungewöhnlichen Ausflug hätten. Ottmar lachte laut auf, als sein Name durch den Lautsprecher krächzte. Er faltete den Zettel und steckte ihn in die Hosentasche.
„Herr Petersen, erstaunlich guter Leberwert diesmal. Haben Sie Ihren täglichen Trunk drangegeben?“
Noch bevor ...
Liebe Leserin, lieber Leser,
diese Geschichte gehört zu den Siegergeschichten und erscheint in unserer Literaturzeitschrift Schreib-Lust Print. Wir bitten Sie um Verständnis, dass wir uns nicht selbst Konkurrenz machen möchten, indem wir die Geschichte ebenfalls hier komplett veröffentlichen.
Vielen Dank!
Andreas Schröter
Letzte Aktualisierung: 01.11.2009 - 14.03 Uhr Dieser Text enthält 9987 Zeichen.