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Oktober 2009
Der Traum
von Fred Türck

Elisabeth war zwölf Jahre alt, als sie den Traum zum ersten Mal hatte. Sie wachte morgens auf und war schweißnass. Was sie geträumt hatte, konnte sie damals noch nicht sagen. Erst Jahre später war sie in der Lage über ihren Traum zu sprechen.
Heute wusste sie auch warum: Selbstschutz! Mit zwölf Jahren wäre sie verrückt geworden, wenn sie nur annähernd das gewusst hätte, was sie heute wusste.
Nach jahrelangen Gesprächen mit ihrem Therapeuten konnte sie endlich mit ihrem Traum umgehen. Es war immer der gleiche Traum, Sie war in einer Ihr unbekannten Umgebung, oder sollte man lieber sagen: "Unbekannten Welt"? Das Besondere daran war, dass sie nicht etwa einen Traum immer wieder hatte. Nein, der Traum begann immer an der Stelle, an der er vorher unterbrochen wurde.
In den letzten Monaten wurde es immer Schlimmer. Sie konnte nicht mehr unterscheiden, was sie geträumt hatte und was nicht. Im letzten Gespräch hatte ihr Psychiater angedeutet, dass er sie einweisen müsste, wenn sich der Zustand weiter verschlechtern würde. Sie hatte Angst, wie sollte es weitergehen? Wann würde sie eine Entscheidung treffen, die von ihrem Traum beeinflusst war? Oder geschah das nicht schon die ganzen Jahre?
Am Anfang konnte sie nicht über ihre Erinnerungen reden. Sie ging nicht mehr aus dem Haus und wollte niemanden mehr sehen. Gute Freunde haben sie dann dazu gebracht, einen Psychiater aufzusuchen. Seit dieser Zeit war sie jede Woche zweimal in Therapie.
Heute hatte sie vor, mit Ihren Freunden über ihren Traum zu reden. Ihre Freundinnen Clara, Brigitte und Petra waren mit ihren Freunden zum Kaffee eingeladen.
Jetzt musste sie nur noch den Tisch decken, der Kaffee war schon aufgegossen und der Kuchen stand in der Küche.
Sie öffnete die Terrassentür um frische Luft in die Wohnung zu lassen, ging in die Küche und öffnetet die Schranktür. Keine Tasse war im Schrank, der Schrank war nicht an seinem Platz, die Küche war nicht mehr da!

"Kera"......"Kera" langsam schlug sie die Augen auf. Wo war sie? Ach ja, da war wieder der Traum, seit sie in der Geschichtssimulation eingeschlafen war, kam er immer wieder.
"Mensch Kera" sagte Ihr Gegenüber "Du machst mir richtig Angst."
Was sollte sie sagen? Dass sie wieder diesen Traum hatte? Ihr Gegenüber, das war Gijo, ihr Lehrpartner. Wenn die Regierung der Ansicht war, dass man die erforderliche Reife hatte und jetzt der Gesellschaft dienen konnte, bekam man einen Lehrpartner. Dieser stammte aus einer anderen Wohneinheit. So war sichergestellt, dass man sich nicht kannte.
Jede private Beziehung war verboten. Kinder konnten nur privilegiertere Familien bekommen. So war das seit ewigen Zeiten und private Kontakte waren strengstens verboten.
Gijo war ihr sehr ähnlich und er hatte sie noch nie verraten. Seit er aber wusste, dass sie im Geschichtssimulator eingeschlafen war, wurde er zurückhaltender.
Darauf angesprochen sagte er:"Du weißt doch, dass man nicht zulange in diesen Simulatoren bleiben darf! Das ist gefährlich!"
Doch damit wollte sich Kera nicht zufrieden geben. Am nächsten Tag stieg sie wieder in den Simulator und wählte 1998, das war 2500 Jahre vor Ihrer Zeit. Kaum war das Programm angelaufen, da merkte sie, dass etwas nicht stimmte.
Sie war IM Programm und erlebte alles wirklich. Sie konnte die Handlungen beeinflussen und konnte sich an alles erinnern was mit ihrem Leben zu tun hatte. Sie hatte ein Gedächtnis. Das konnte doch nicht sein, oder?
Sie würde schon noch dahinter kommen, was hier so ablief. Sie musste nur aufpassen, denn wenn die Regierung dahinter kam, würde sie verschwinden.
Schon oft waren Bekannte verschwunden und wenn man nachfragte, bekam man immer die gleiche Antwort:" Umerziehung! Das geschieht, wenn man sich den Anordnungen widersetzt!"
Nur wiedergesehen hat man noch keinen. Was geschah wirklich mit den Leuten? Es war unheimlich in Ihrer Welt.
Seit der zweiten Geschichtssimulation rutschte sie immer wieder in Ihren Traum, auch ohne Simulator. Das durfte aber niemand wissen, eine Umerziehung wollte sie nicht riskieren.
Gijo schaute sie seltsam an:"Warst du wieder in deinem Traum?" fragte er.
"Ja!" antwortete Kera "Und es wird immer klarer, ich weiß nicht mehr, was Wirklichkeit ist und was ich träume." "Du musst aufpassen Kera." sagte Gijo, "Gestern waren Aufpasser in der Schule und haben sich nach dir erkundigt."
Da war wieder dieses Angstgefühl, wussten sie schon Bescheid oder war es nur eine Routineüberprüfung? Was sollte sie nur tun?

Klatsch! Klatsch! Etwas schlug Ihr ins Gesicht. Beim Öffnen der Augen sah sie Petra und Brigitte, beiden konnte man die Sorge um Elisabeth ansehen.
"Was war denn mit Dir los?" fragt Petra, "Du stehst mitten in der Küche, starrst in den Schrank und bewegst dich nicht."
Was sollte sie darauf antworten? Wenn sie die Wahrheit sagen würde, dann wäre sie innerhalb der nächsten Stunden in einer Psychiatrie. Seit ihrer Behandlung versteht sie ihren Traum, auch wenn sie es ihrem Psychiater nicht erzählt. Das kann außer Ihr niemand verstehen. Seit fast fünfzehn Jahren pendelte sie zwischen diesen Welten. Immer öfter wechselte sie die Realitäten. Sie wusste jetzt, was in Kirota passierte, so hieß die Stadt in der anderen Realität. Wenn sie dort war, konnte sie sich an alle Einzelheiten dieser Realität erinnern. So ging das seit Ihrem zwölften Geburtstag. Nur konnte sie sich am Anfang nicht richtig erinnern. Jetzt wurde es von Tag zu Tag schlimmer, jederzeit konnte sie in die andere Realität rutschen. Was sollte sie ihren Freunden sagen?
"Hört mal alle zu, ich lebe zwei Leben. Eines hier mit Euch und eines im Jahr 4498. Da bin ich gerade in der Ausbildung und dort gibt es nichts, was das Leben schön macht!"
Lieber nicht, denn ein paar Freunde wollte sie schon behalten.
Schlimm war nur die Erkenntnis, dass sowohl diese als auch die andere Realität das wahre Leben sein konnte.
Was war besser?
Hier langsam verrückt zu werden und irgendwann in einer Anstalt am Bett gefesselt die Augen aufschlagen oder dort zur Umerziehung gebracht zu werden?
Vielleicht wurden die Leute ja auch in eine andere Stadt gebracht? Wer konnte das schon sagen?


"Kera, schnell wach auf, sie stehen vor der Tür!"

Letzte Aktualisierung: 23.10.2009 - 12.24 Uhr
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