Das alte Buch Mamsell
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Peggy Wehmeier zeigt in diesem Buch, dass Märchen für kleine und große Leute interessant sein können - und dass sich auch schwere Inhalte wie der Tod für Kinder verstehbar machen lassen.
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November 2009
Blauer Engel
von Marika Bergmann

George fixierte ihre straffen Oberschenkel, während Lena mit der Glasschüssel kämpfte und schon begonnen hatte, mit dem Kochlöffel das Ding in ihre Richtung zu manövrieren. Sie trug nichts als sein Hemd locker auf ihrer zarten Haut. Es gefiel ihm, wenn Lena es ihm abends mit ihren langen, gepflegten Fingernägeln aufknöpfte und sich überstreifte.
„Hey! Das ist nicht fair. Hilf mir mal! Warum müsst ihr Männer die Sachen immer so hochstellen?“
Sie stand auf Zehenspitzen und winkelte jetzt ein Bein an. Es erregte George. Es hatte schon etwas von der Haltung, die er aus den alten Filmen kannte, wenn die Unerreichbaren von einst mit den Männern kokettierten. Sie glich einer Diva, die von ihrem Podest heruntersteigt und er brauchte nur die Hand nach ihr auszustrecken.
„Wenn ich mir was wünschen dürfte ...“, hauchte sie und blickte zu ihm hinüber.
Sie sah ihn mit diesem grandiosen Blick an, drehte das Kinn in seine Richtung und ihr Mund formte ein O. Er mochte ihre Wandelungsfähigkeit. Jetzt war sie die reinste Herausforderung. Sie zog ihn mit ihrem Augenaufschlag zu sich heran.
„Mein süßer Engel – ich liebe es, wenn du dich ärgerst“, säuselte George, als er beide Hände zärtlich um ihre Taille legte, seine Lippen an ihren Hals saugte und begann ihren Duft tief einzuatmen. Er hob Lena in Richtung Regal. Plötzlich ließ er sie los.
„Aua, Georgy!“ Lena war fest mit den Füßen auf dem Boden gelandet und leicht in sich zusammengesunken. Er wandte sich von ihr ab und zerrte sie am weiten Ärmel des großen Herrenhemdes zu sich. Sie schwankte und ihre Knöchel schmerzten.
„Du hast mir wehgetan, Georgy!“
„Nenn mich nicht Georgy. Was ist das nur für ein Parfüm? Es ist nicht das von mir! Von wem hast du's?“
Lena stand erschrocken vor ihm. Ihre Zehen berührten sich und auf ihrer Stirn bildete sich eine tiefe Furche.
„Na und, was ist denn da so schlimm daran? Wollte mal was anderes ausprobieren und morgen geh' ich zum Friseur und werd‘ wieder ich selbst. Dein dämliches Blond bin ich leid.“
„Das wirst du nicht tun!“ George bäumte sich vor ihr auf.
Lena zitterte. „Starr mich nicht so an! – Das macht mir Angst!“
Er umfasste ihr Handgelenk und holte sie mit einem Ruck an seinen nackten Oberkörper.
„Du gehörst mir! Und ich will, dass du zu mir passt – wie SIE!“
„Wie SIE? – Wusste ich es doch! Du willst mich zu einem Abziehbild machen. Aber nicht mit mir! Den Termin beim Gesichtschirurgen werde ich auch absagen.“
„Da steckt doch ein anderer Kerl dahinter, gib es zu!“
„Und wenn es so wäre? – Bist du etwa eifersüchtig?“
„Du gehörst mir!“
„Nein! Ich gehör' mir selbst! – An meinem Gesicht lasse ich niemanden rumhantieren.“
George wollte das nicht hören. Er hatte sie lange überredet, die Wangen etwas hervorheben zu lassen. Es hätte ihrem Gesicht noch mehr die Form verliehen, die er so liebte. Er hatte ihr damals eine silberne Zigarettenspitze geschenkt. Wenn sie damit den Qualm einsog und ein wenig in ihrem Mund jonglierte, war sie so nah an dem "Vamp". Sie wäre die Verführung in Person und ihr Gesicht bekäme noch dämonischere Züge. Seine Hand schnellte jetzt an ihren Hals.
„Warum willst du es nicht? Es ist mein Wunsch!“
Lena versuchte, sich loszureißen, wand ihren Körper in einer heftigen Bewegung herum.
George griff noch einmal nach. Lena wollte noch schreien. Ihre langen Fingernägel bohrten sich in seinen Unterarm, als sie verzweifelt nach Luft rang. Sie bebte, während George seine Macht genoss. Er war der Stärkere. Sie sollte nicht weiterreden, seine Träume unvollfüllbar machen und alles zerstören. Sie war doch so dicht dran. George spürte keinen Widerstand mehr. Sie lehnte an seiner Brust und bewegte sich nicht. Lena sank zu Boden und zog George mit hinunter. Er schüttelte Lena, versuchte, ihr Halt zu geben. Stützte ihren Leib mit seinen Unterarmen ab, indem er sich mit aller Kraft aufrichtete. Er legte ihren Arm um seine Schulter und zog sie mit sich. Presste ihren Körper gegen den Türrahmen, um sich Lena in die Arme zu legen. Er schaffte es. Ließ sie jetzt behutsam auf das Bett hinuntergleiten.
„Du bist nur müde, meine kleine Göttin – morgen ist alles wieder gut!“
George strich über ihre Fußgelenke und stellte einen Fuß leicht auf, sodass die Wade sich von der Bettdecke erhob. Er hob ihren Oberkörper zu sich und streifte das offene Hemd über ihre Arme. Griff zum Parfümflakon auf dem Nachttisch. Drückte den Zerstäuber, bis der vertraute Duft den fremden überlagerte. Er bettete sie in einer verführerischen Pose. Dann zupfte er die blonden Locken ihres Pagenkopfs in Form. Die Innenfläche ihrer Hand wies auffordernd nach oben. George tastete über ihre Fingerspitzen, hob unterwürfig die geöffnete Frauenhand an sein Gesicht und kniete so eine Weile neben ihr. Er beschloss, zum Schminktisch zu gehen und nach ihrem roten Lippenstift zu suchen. George musste daran denken, wie er ihr sonst beim Schminken zugesehen hatte – die verschiedenen Pasten und Puder sich zum Bild des so angebeteten Gesichts zusammengefügt hatten. Ein Gefühl der Zufriedenheit ging mit der Wandlung einher wie der Zauber einer anderen Welt. Als er mit dem Nachziehen ihrer Lippenkontur fertig war, strich er behutsam die weit aufgerissenen Augenlider nach unten und ging ins Bad. Er verteilte den Schaum gleichmäßig auf seinem Kinn. Das Rasiermesser glitt langsam über die entspannte Haut. Auf den Zehenspitzen schritt er ins Schlafzimmer zurück, am Bett vorbei, kurz auf Lenas starren Körper blickend und sich sofort wieder von ihr abwendend. George stand wieder am Ort der Wandlung. Er sah in den Spiegel, zog die goldene Hülle vom Stift, drehte die rote Masse nach oben und begann zu singen: „Ich bin von Kopf bis Fuß auf Liebe eingestellt ...“ Jetzt färbten sich seine Lippen im vertrauten Rot.
„Siehst du, es ist alles wieder in Ordnung, Marlene – an dich kommt keine ran!“

Letzte Aktualisierung: 22.11.2009 - 22.43 Uhr
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