Madrigal für einen Mörder
Madrigal für einen Mörder
Ein Krimi muss nicht immer mit Erscheinen des Kommissars am Tatort beginnen. Dass es auch anders geht beweisen die Autoren mit ihren Kurzkrimis in diesem Buch.
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November 2009
Jetzt oder nie
von Karl-Heinz Manier

Heute Abend ist es so weit.
Cornelius Breitenhuber erfährt es über eine Notiz, flüchtig hingeworfen auf einen kleinen Zettel. Hingelegt auf die Arbeitsplatte, direkt neben den leeren Kühlschrank. Er wird die große Liebe seines Sohnes kennenlernen - bei sich zu Hause.
Und das bei diesem Sauwetter. Er schüttelt den Nieselregen von seiner Schulter, bevor er die Metzgerei betritt.
Was, um alles in der Welt, stellt er ihr auf den Tisch?
Einen Döner vom Griechen?
Eine Pizza vom Türken?
Quiche Lorraine vom Italiener?
Selbst kochen?
Seine Gedanken verlieren sich in einer unendlichen Schleife, wie bei einem Computer, der nicht in die Gänge kommen will.
Und warum in drei Teufels Namen starrt ihn die Verkäuferin so an?
„Was darf es sein?“
Genau. Was darf es sein!
„Einen Haufen was zu essen!“
„Haben Sie an etwas Bestimmtes gedacht?“, sagt sie und lächelt ihm zu.
Seine miese Laune kann der Ausstrahlung dieser Frau nicht standhalten. Wie um sich seiner Patzigkeit wegen zu entschuldigen sagt er: „Was würden Sie einer unbekannten jungen Frau vorsetzen, die sie nicht kennen, geschweige denn deren Vorlieben?“
Aus dem Lächeln wird ein Grinsen, was ihn sehr fasziniert.
„Mit einem Rollbraten machen Sie nichts verkehrt.“
„In Ordnung. Packen Sie mir bitte drei von den Dingern ein; drei Kartoffeln und drei Päckchen Soße. Das mit dem Kochen erledige ich zu Hause.“
„Wie bitte?“
„Soll ich vier nehmen?“
Die junge Frau hinter der Theke prustet los, und auch er kann sich ein Lächeln nicht verkneifen.
Cornelius schaut auf die Uhr: Zeit sich von einer verrückten Idee überrumpeln zu lassen. Dessen ist er sich aber durchaus nicht bewusst. Er fragt: „Wann haben Sie Feierabend?“
„Haben wir im Moment nicht vorrätig, wollen Sie nicht doch lieber Rollbraten?“
„Ich möchte Sie zu einer Tasse Kaffee oder Tee, oder was immer Sie trinken mögen, einladen. Ich brauche Ihre Intuition, Ihren Rat! Sehen Sie denn nicht wie hilflos ich bin?“
„Das ginge nur nach Feierabend.“
„Das ist doch prima!“
„Aber bis dahin haben alle Geschäfte geschlossen.“
„Sie könnten mir das Zeugs, das man so für einen gemütlichen Abend zu dritt braucht, mitbringen. Ich gebe Ihnen einen Braunen, was davon übrig bleibt können Sie für Ihre Mühe behalten.“
„Und wenn ich das Geld einstecke und mich davonmache?“
„Dann soll es mir eine Lehre sein, nie wieder gutaussehenden jungen Frauen mein sauer ersessenes Geld anzuvertrauen.“
„In einer dreiviertel Stunde im Café am Bahnhof?“

Cornelius findet sich für sein Alter recht gut erhalten. Sein Haar ist zwar an den Schläfen leicht ergraut, aber voll, und so kurz geschnitten, dass es gerade noch anliegt. Seine Figur kann durchaus als sportlich durchgehen. Es zwickt und zwackt an einigen Stellen, aber das sieht niemand, und seinen Wohlstandsbauch zeigt er auch nicht jedem.
Seitdem seiner Frau bewusst wurde, dass sie ihn nicht mehr liebt und zu einem zehn Jahre Jüngeren zog, hat er sich etwas hängen lassen.

Ein warmer Schauer durchläuft seine Eingeweide, als sie eine Einkaufstüte neben ihn auf den Stuhl stellt und sich zu ihm an den Tisch setzt. Sie greift in die Jackentasche, legt eine Handvoll Scheine und Münzen auf den Tisch, schiebt den Haufen zu ihm rüber.
„Ihr Wechselgeld.“
„Behalten Sie‘s.“
„Das ist zu viel, eine Tasse Kaffee tut‘s auch.“
Cornelius bestellt bei dem jungen Mann mit der Vollbartbaustelle, dem dünnen langen Haar und dem weißen Schürzchen zwei Kaffee.
„Sie Sind aber nicht aus dieser Gegend?“
Sie schaut ihn an, und dann an ihm vorbei zur Eingangstüre.
„Wir sind uns schon öfter über den Weg gelaufen.“
„Sie bringen mich in Verlegenheit!“
„Herr …“
„Breitenhuber.“
„Ich weiß wie Sie heißen. Ich bin im Norden der Republik zu Hause, aber ich studiere hier an der Uni. Nebenbei helfe ich meinem Onkel im Laden.“
„Sie sind die Nichte vom Waselmayr?“
„Seit meiner Geburt.“
Donnerwetter, dann ist sie noch jünger als er schon befürchtet hat! Egal. Er sollte sie trotzdem zum Essen einladen, dann wären sie zu viert und er nicht das dritte Glas in der Brille. Jetzt oder nie. „Sie hätten keine Lust, mir beim Zubereiten des Essens zu helfen?“
Die junge Frau hat ihre langen, blonden Haare zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden und sieht einfach nur lieb aus. So wie jemand, den man gerne in die Arme nehmen und nie wieder loslassen würde.
Sie scheint ernsthaft über seinen Vorschlag nachzudenken. Und auch Cornelius macht sich so seine Gedanken. Zum Beispiel ob er nicht doch etwas zu schnell vorgeprescht ist. Er zieht in Erwägung sich bei ihr zu entschuldigen und es als einen misslungenen Spaß abzutun, als sie sagt: „Wieso eigentlich nicht!“
Wäre nicht jetzt der Zeitpunkt die Zeche zu begleichen, heim und an die Arbeit zu gehen? Stattdessen hört er sich sagen: „Was studieren Sie?“
„Biologie.“
„Da kenne ich noch jemanden …“
„Ich weiß.“
„Woher zum Teufel wissen Sie das alles?“
Die Frau sieht ihn an und wieder an ihm vorbei. Ihre Gesichtszüge lockern sich. Sie sagt: „Mein Freund kann Ihnen das alles viel besser erklären.“
„Ihr Freund?“
Cornelius wendet sich in ihre Blickrichtung. Die Frau steht auf, lässt sich von einem jungen Mann in die Arme nehmen.
„Hallo!“, sagt der: „Seit wann treibst du dich in Cafés rum, Papa?“ Und: „Du brauchst doch das Auto heute Abend nicht? Wir haben eine Protestveranstaltung gegen die Studiengebühr auf die Beine gestellt …“

Karl-Heinz_Manier@web.de

Letzte Aktualisierung: 22.11.2009 - 20.07 Uhr
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