Der Cousin im Souterrain
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Der nach "Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten" zweite Streich der Dortmunder Autorinnengruppe "Undpunkt".
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Dezember 2009
Valhall - eine Satire
von Hans Dreigestirn

Es knarrte in der großen morbiden Halle der Selbstgefälligkeit. Die Steine, aus denen die Halle errichtet worden war, stammten vom Mond. Man konnte erahnen, dass sie mit der Kraft ihrer Gedanken sich unterhielten und über diese ehrwürdigen Räumlichkeiten wachten. Sie plapperten doketisches Zeug dabei, was sie „OT“ nannten, aber ihm einen sehr wichtigen Anschein gaben.
Die Wände hatten Risse, weil durch sie manche Geliebte illustrer Musiker geflogen war. Der Flug direkt ins Grab, des Schostakowitsch, Grieg und Falco. Alle hatten irgendetwas miteinander, zumindest derart, dass sich Obsession als Fremdwort gut anwenden ließ. Einigen waren dabei sogar Pterygia gewachsen.
Vor der großen Halle stand eine alte Thuja, nicht etwa irgendeine aus der Familie der immergrünen Lebensbäume, nein, eine Thuja occidentalis.
Diese zerhackte eine weibliche Gestalt laut schreiend im Schmerz unsäglicher Liebe.
Ja aber findigen Gartenfreunden gelang es, sie in identischem Wuchs nachzuzüchten, dass sie von Stund an von flappenden Engeln umflogen wurde, die Girlanden um sie drapierend schlangen.
In der Halle hatte zum wiederholten Male der fast eingerostete Roboter knarrend einen verwachsenen Frauenleib aus einer Nährlösung gehoben und geflüstert:
„Du siehst aus, wie ein Engel!“
Dann quetschte der, so dem Rost immer mehr zum Opfer fallende Android, sich eine Ölträne aus den Sehschlitzen, wie er es einmal bei „Fackeln im Sturm“, einer touchanten TV-Serie gesehen hatte.
Der Wind strich um die rotten Wände des Hauses, in dem es dunkel wurde, dass man hätte meinen können, schlagartig erblindet zu sein, wenn man das Licht löschte.
Durch die Fenster drang kein Schimmer, sie waren einfach lange nicht geputzt worden.
An der Hauswand erklommen, als Bergsteiger verkleidet, zwei glitschige Nacktschnecken die Wand, hatten sie es versäumt, vor Einbruch der Dunkelheit den Gipfel, das Fensterbrett vor den opaken Scheiben, zu erreichen.
Inzwischen erklang eine Sopranstimme, als würde ihre Besitzerin es den Schnecken gleichtun und ebenfalls eine alpinistische Besteigung begehen. Kein Ton traf in der Leiter des Erklimmens, es war ein Keuchen und Jaulen zum Cerumen produzieren.
Der ölinkontinente Roboter hielt in seinen Bewegungen inne, da einer der Engel sich mit seiner Girlande verhedderte und wie eine Motte gegen die schmutzigen Scheiben flappte.
Aus der Hölle lachten zwei dulliähe Hexen, die einen Vertrag mit Herrn Bohlen unterschrieben hatten. Sie sollten demnächst im Finale von DSDS einen neuen Gruselstil, Emo-Bohlen-Hardcore-Pop begründen. Aber aristophanisch fanden das nur die beiden Hexen, zu zerschlissen der Witz auf Kosten eines Bohlen.
Der Blechmann, mit dem Gemüt einer Rosamunde Pilcher, überlegte, was er als Erstes tun müsse. Es sollten Siedler den Planeten bevölkern, den er selbst mit Verplempern von schwer abbaubaren Mineralölen verseuchte. Das hatte ein Programmierer ihm eingegeben, ohne zu bedenken, dass diese Blechkanne rosten könne. Die Schaufensterpuppe lag in der degoutanten Nährlösung und gurgelte vor sich hin, da in ihre Hohlräume noch Flüssigkeit eindrang.
Um das Haus schlich sich ein Millionär. Er witterte hier und schnupperte dort und hielt letztendlich sein Hinterbein an der Thuja in die Höhe, da er sie als Fälschung erkannt hatte. Seine Hundepipi lief in sattem Strahl in den Boden, welcher die Thuja beheimatete.
Irgendein Tölpel hatte dem Millionärshund die Füße blau angemalt, welche nun durch das seitliche Verspritzen des Harnstoffes abwusch und mit in den Boden einsickerte. Die weiland blauen Füße nahmen die Farbe des restlichen Hundes an.
Eine Frau kam um die Ecke, die ein Schild trug, auf dem stand:
„Anna Politkowskaja starb am Kreuz!“
Diese Demonstrantin trug eine weite schwarze Soutane, welche um ihren massigen fleischigen Körper flatterte. Sonst trug sie nichts weiter. Ihre Mundwinkel wiesen nach unten. Sie stampfte betont mit jedem ihrer Schritte und verschwand, wie sie gekommen war.
Der Roboter, der das observierte, ließ aus seinem Datenspeicher sofort Kindertotenlieder erschallen und begann Öl aus seinen Sehschlitzen in das Becken mit der Nährlösung und dem weißen fasrigen Soma zu spritzen.
Es krachte! Das Metallgebilde, keiner Hydraulik mehr fähig, sank in sich zusammen. Wodurch das Nährlösebecken umgerissen wurde und dessen Inhalt sich im gesamten Umfeld ergoss.
Überall wuchsen schlagartig kleine Frauenbüsten, die wisperten, sie hätten eine angeborene Angst, die sich aus ihren Synapsen in die Hypophyse ergieße. Wodurch sich eine kropfartige Struma bildete, welche quinquilierten wie der Dudelsack des bedeutenden schottischen Musikers McNeal, welcher ein Verhältnis mit der zufällig gleichnamigen noch bedeutenderen Harfenspielerin hatte, heimlich versteht sich.
Die Thuja wurde wegen des Stoffwechselproduktes des Millionärs und der Nährlösung schlagartig braun.
Schuld trugen die kontaminierenden Flüssigkeiten, die nun das Erdreich erreicht hatte, denn die Szissuren hatten genügend Feuchtigkeit durchträufeln lassen.
Wären die hysterischen Bürgerfrauen ihren haushälterischen Aufgaben nachgegangen, wären ihrem Glauben treu ergeben gewesen, so wie ihrem Schicksal als Frauen, wären sie auch nicht obsessiv in Musikergräber enfiliert und hätten nicht derartige Schäden im Mauerwerk aus Mondgestein hinterlassen.
Die flappenden Engel hatten nun auch keine Lust mehr und ritten auf dem Rücken des millionenschweren Hundes in eine bessere, vegane Welt.
,Brrrrr´, was für ein Grusel dachte sich Valhall und stürzte in sich zusammen!

Letzte Aktualisierung: 23.12.2009 - 20.47 Uhr
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