Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
Dingerchen und andere bittere Köstlichkeiten
In diesem Buch präsentiert sich die erfahrene Dortmunder Autorinnengruppe Undpunkt mit kleinen gemeinen und bitterbösen Geschichten.
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Do it youself | Januar 2010
Wenn der Postmann zwei-, drei-, viermal klingelt …
von Lars Blumenroth

»Selbstgemacht«, sagte Kalle stolz und tätschelte die Minibar auf Rollen, dass die Flaschen darin verlockend klirrten. »’n Schnäpschen?«
»Sicher!« Männi nickte anerkennend. »Bis’ ja nu richtig unter die Bastler gegangen, wat?«
Kalle strahlte. »Krieg ma ’n Arsch hoch, has’ du doch gesagt.«
»Wurd’ aber auch Zeit!«
Kalle reichte das Gläschen, stieß mit Männi an. »Nich’ lang kacken, Kopp im Nacken!« Dann kippten sie den Schnaps, ließen gleichsam ein wohliges ›Brrrrr‹ hören, lachten und tätschelten sich die Arme.
»Wenn et Ursel dat noch seh’n könnt’!«, murmelte Kalle und schüttelte den Kopf. »Die wär’ ausgerastet vor Freude!«
Männi schwieg betreten und nahm sich noch einen Schnaps.
»Wie ’ne Furie is die doch immer hinter mir her ›mach dies, mach das‹. Un’ jetz’?« Kalle lachte und schloss mit einer ausladenden Geste all seine Basteleien ein. »Guck hier! Un’ da!« Sein dicklicher Zeigefinger stach zur Terasse. »’n Vogelhaus wollt’ et ja immer! Da steht et nu!«
Männi räusperte sich. »Jup, aus dir is’n richter Do-it-yourself-Mann geworden, wat?«
»Jawohl!«, stimmte Kalle zu und seine Augen leuchteten. »Darauf könn’n wir uns noch ’n Kleinen picheln, oder?«
»Immer«, nickte Männi, froh, dass die Wolken weitergezogen waren.

Eine halbe Stunde später klingelte es. Der Postmann.
»Nur einmal«, zwinkerte Kalle.
»Ja, hör mal!«, rief Männi. »Du bis’ doch jetz’ nich’ auf’e Männer von ’ne Post umgestiegen?«
Kalle lachte und riss die Eingangstür auf.
»Eine Lieferung für …«
»… mich!« Kalle riss dem jungen Mann das kleine Paket aus der Hand. »Und der Rest?«
Der Zusteller rollte mit den Augen. »Ich hab’ noch drei im Wagen.«
»Ja, wat wird getrödelt? Jetz’ aber hopp!« Aufgeregt lief er wieder ins Haus und stellte das Paket auf die Minibar. »Wohin denkst du! Postmänner!«, sagte er zu Männi.
»Na, wer weiß«, sagte Männi, »der Hilde ihr Mann hat sich ja auch …«
»Der Hilde ihr Mann ist ’n verdammtes Glücksschwein, dass der die Hilde los ist!«
Männi spuckte sich ein bisschen Schnaps aufs Hemd und hustete.
»Hier hin?«, schnaufte der Zusteller hinter ihnen und lehnte ein großes, flaches Paket gegen die Wand.
»Is’ gut«, sagte Kalle, stocherte seine Unterschrift auf die dösige Unterschriftenmaschine und reichte dem Mann drei ordentliche Scheine.
»Was …« Überrascht nahm der Zusteller die Hände hoch.
»Nu’ nimm schon!«, grantelte Kalle. »Ich hab’ nich’ den ganzen Tag Zeit mit Scheinen rumzuwedeln!«
Unsicher nahm der Mann das Geld und ließ sich von Kalle recht rasant aus dem Haus schieben.
»Na hallo!«, sagte Männi. »Wenn ich et nich’ besser wüsste …«
»Ich schwör’ dir!«, fuhr Kalle dazwischen. »Wenn ich wählen müsst’ zwischen et Hilde und ’nem Postmann, dann müsst’ ich nich’ lang überlegen, wem ich meine Klingel überlass’!« Kalle lachte. »Aber ich hab’ da eben nur wat wieder gut gemacht. Nix von wegen Schweinkram!«
»Kalle …« Männi versuchte das Lachen zu unterdrücken, konnte aber auch die Sorge nicht verhindern. »Kalle, du has’ dem Jung’ da locker drei Hunnis gegeben!«
»Ich weiß.« Kalle zwinkerte. »Is’ schon richtig so, der hat nämlich morgen ’nen Spezialauftrag. Davon weiß der nur noch nix … Un’ jetz’ gehs’ du ma’ schön woanders saufen, du Schluckspecht!«
Männi stutzte kurz, dann grinste er breit. »Wills’ du nich’ mitkommen?«
»Ich hab’ zu tun«, sagte Kalle ungeduldig. »Dat baut sich nich’ von allein auf!«
»Vielleicht morgen?«, fragte Männi. »Die Jungs un’ ich – also, ohne dich is’ et nich’ mehr …«
Plötzlich verdüsterte sich Kalles Gesicht. »Mal seh’n«, sagte er nur knapp. »Un’ jetz’ lass ma’ die Socken qualmen, bevor ich dir noch ’n Deckel schreib, du Schnapsdrossel!«
Männi gab nach. »Ein echter Do-it-yourself-Mann, wat?«
»Ganz genau!« Kalle ließ die Minibar zuschnappen. »’n Arsch hochkriegen, wie du gesagt has’ …« Dann schob er auch seinen ältesten Freund zur Tür raus.

Sofort riss Kalle die Pakete auf.
»Anleitung«, las er. Dann auf der ersten Seite gleich: »Warnung! Für Schäden aufgrund unsachgemäßem Aufbau kann keine Haftung übernommen werden. Folgen Sie unbedingt dieser Bauanleitung und beachten Sie die Hinweise!«
Kalle runzelte die Stirn. »Unsachgemäßer Aufbau«, murrte er. »Hinweise beachten!« Die Bilder sprachen doch eine eindeutige Sprache. Nicht schwieriger, als eine Minibar! Ein paar Bretter ineinander stecken, Schrauben, Scharniere, kein Problem. Ein Set für absolute Do-it-yourself-Anfänger. Todsicher!
Auf den nächsten Seiten wurde die Bedienleiste beschrieben. »Jetz’ geht’s los«, sagte Kalle und sah sich die Anleitung genauer an. »Is’ aber auch zu schaff’n.« Und dann kam der wichtgste Teil, der Überbau. »Achten Sie auf eine geeignete Höhe! Garantieansprüche können nur bei einer Aufbauhöhe ab 2,8 m geltend gemacht werden.« Kalle nickte. Daher die verstellbaren Metallfüße. »Hinweis: Anbringung der Halterung nur in tragende Balken oder festes Mauerwerk.« Kalle überflog die Hinweise zu den Aushärtungszeiten bei verschiedenen Befestigungsmethoden mit Dübeln und Zement. Glücklicherweise hatte sein Haus eine ordentliche Holzkonstruktion. Keine Wartezeiten. Kalle konnte mit dem Verschrauben sofort loslegen. Und das tat er auch, mit breitem Grinsen im Gesicht.

Zwei Stunden später war der Paketinhalt sorgfältig nach Anleitung aufgebaut. Vor Kalle stand die gezimmerte Kiste auf ihren verstellbaren Stangen. Weitere Stangen hielten dünne Holzstufen. Kalle testete die erste davon an. Es knackte. Ein wenig verzog er den Mund. Bis 150 kg hatte in der Anleitung gestanden, das musste reichen. Trotzdem knackte es wieder gehörig, als Kalle die zweite Stufe betrat – und noch mehr bei der dritten. Die Kiste testete er wieder vorsichtig an. Aber die schien stabiler zu sein. Als Kalle endlich unter der Decke stand, verschwand seine Unsicherheit. Das Ding würde schon halten. Hoffentlich auch, was es versprach. Mit einem Blick nach oben kontrollierte er noch mal die Aufhängung, die seitlich in einen stabilen Deckenbalken gebohrt worden war. »Garantieansprüche«, lachte er und schüttelte den Kopf, bevor er sich die mitgelieferte und nach Anleitung gebundene Schlinge um den Hals legte und stramm zog. Dann fasste seine rechte Hand nach der Metallstange neben seiner Hüfte. Der Auslösemechanismus glich dem einer Pistole. »Ziehen Sie den Hahn, werden die beiden Halterungen der Falltür entriegelt. Um ein gleichzeitiges Entriegeln zu gewährleisten, ist eine sorgfältige Bausweise von großer Bedeutung«, rezitierte Kalle. »Mach’s dir selbst!« Dann lächelte er und zog entschlossen den Hahn. Eine Metallschine rutschte mit einem Klacken unter der Kiste weg und die Tür öffnete sich …

Letzte Aktualisierung: 03.01.2010 - 18.12 Uhr
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