Der Tod aus der Teekiste
Der Tod aus der Teekiste
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Do it youself | Januar 2010
Geschichte, selbstgemacht
von Helga Rougui

Plötzlich war es totenstill im Kirchenschiff.

Sie schrak zusammen, schaute auf.

Alsbald erhob sich ein Raunen, wurde stärker, und sie unterschied im unterdrückten Gemurmel der Menge Worte:
"Unglaublich, er hat es getan, unfaßbar, - er hat es selbst getan…"
- und tatsächlich, da prangte sie auf seinem Haupt, goldene Lorbeerblätter ineinander verflochten, den Kränzen antiker Feldherren gleich, sichtbares Zeichen der Herrschaft über das Land und, wer weiß, demnächst über die Welt.

Der kleine, jähzornige Mann, wie sie ihn für sich halb aus Furcht, halb aus Herablassung nannte, trat vor bis an den Rand der obersten Altarstufe, während derjenige, dem die Durchführung des gerade stattgefundenen Sakraments ureigentlich gebührt hätte, unbewegten Gesichtes hinter ihm saß, zwei Finger zum Segen erhoben.

Der kleine Mann, ihr seit Mitternacht nun auch kirchlich angetraut, gab fast unmerklich das Zeichen – sie erhob sich und ging auf ihn zu, sehr schmal, sehr jugendlich in ihrem weißen, zartfließenden Seidenkleid, die Schleppe des Krönungsmantels hinter sich herziehend.

Wollte er also zum zweiten Mal das heilige, althergebrachte Gesetz verletzen?

Sie kniete auf dem vorbereiteten Polster nieder, senkte den dunklen Scheitel mit dem glitzernden Diadem und legte die Hände wie zum Gebet zusammen, und im nächsten Moment spürte sie bereits das Gewicht der Krone, erst kurz nur und dann, wie sie endgültig ihre Stirn beschwerte.

Sie dachte, so ist es also wahr. Er hat sich gekrönt, er hat mich gekrönt.
Wie war sie weit entfernt, die Zeit ihrer ersten Zuneigung, die Spielereien zwischen Katz und Maus, der Flirt zwischen der Salondame und dem Soldaten, der, geblendet von ihrer Erscheinung, ihr Tausende von glühenden Liebesbriefen schrieb, die Zeit, als er sie abgöttisch liebte und sie ihn nicht. Und dann, später, wie sie nach und nach ihre Liebe zu ihm, dem strahlenden Helden und Sieger, entdeckte und er sich, stets beansprucht und mehr und mehr ernüchtert, auf die Staatsgeschäfte zurückzog. Obwohl er wußte – und sie wußte es auch -, da war ein gemeinsames Gefühl, mehr als Liebe, das nur ihnen allein gehörte und das sie immer zusammenschmieden würde.
Und nun standen sie hier, vor Gott und allen Menschen, und sie waren dahin gelangt, wo niemand sonst das Recht hatte zu sein.
Sie wußte nicht, ob sie standhalten würde, aber sie wußte, er würde es.

Das Orgelspiel setzte wieder ein, mächtig und dröhnend.

Er reichte ihr die Hand, half ihr, sich zu erheben, und sie drehte sich, mühsam die Schleppe um sich windend, zwei Stufen unter ihm stehend, zum Volk, das in frenetische Ovationen ausbrach.
Das kannte sie, ihre Schönheit hatte schon immer am rechten Ort zur rechten Zeit gewirkt.
Aber sie wußte auch, letztlich ging es nicht um sie.

Frankreich jubelte seinem Herrscher zu, dem Kaiser, der nicht gewillt war, seine Macht zu teilen, sondern die Absicht hatte, sie zu stärken und zu festigen bis in alle Ewigkeit.

Die Dynastie war gegründet, nun würden Garantien folgen müssen.

Sie senkte den Kopf, schlug die Augen nieder und wußte, sie würde diese Garantien nicht geben können. Dafür hatten die Engelmacherinnen gesorgt.

Er wird es merken, sehr bald.

Und er wird handeln, wie immer, ohne Rücksicht, zu seinem Ziel und Zweck.

Letzte Aktualisierung: 09.01.2010 - 14.57 Uhr
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