Futter für die Bestie
Futter für die Bestie
Gruselig geht's in unserer Horror-Geschichten-
Anthologie zu. Auf Gewalt- und Blutorgien haben wir allerdings verzichtet. Manche Geschichten sind sogar witzig.
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Do it youself | Januar 2010
Wie es dazu kam …
von Barbara Hennermann

Eine kleine, entwicklungsgeschichtliche Abhandlung

Es spazierten einst zwei Gestalten unterschiedlichen Äußerens, jedoch gleicher vollkommener Unschuld durch einen wunderbaren, riesigen Garten. Und wie sie so lustwandelten, unterschritten sie die Krone eines mächtigen Baumes. Da stieß plötzlich ein breiter, flacher Kopf aus derselben hervor und zischte: „Apfel gefällig?“ Überrascht blickten die beiden empor und lächelnd erwiderte die kleinere: „Gerne. Gibst du mir einen?“ Aber die Schlange – denn zu ihr gehörte der Kopf – lispelte zischend zurück: „Mach´ssss sssselber!“ und verdrehte dabei besserwisserisch ihre gelben Augen.
Da streckte die Frau – denn ihr gehörte die kleinere Gestalt – ihre Hand aus, pflückte eine knackige, rote Frucht und biss herzhaft hinein. Mmmmm! Der süße Saft rann ihr über´s Kinn und sie wandte sich dem zweiten zu, mit ihm die Frucht zu teilen. Doch die Hand stockte ihr in der Bewegung, denn wie Schuppen fiel es ihr von den Augen. Zum ersten Mal nahm sie die breiten Schultern, sehnigen Arme, den flachen Bauch und Po, die glatten, kräftigen Oberschenkel und - - überhaupt seine Gestalt wahr. Sie sah in sein Gesicht, seine unwissenden blauen Augen, über denen sich blonde Locken kräuselten und ein Schauder fuhr durch sie hindurch. „Iss!“, hauchte sie und hielt ihm den Apfel hin. So nahm der Mann – denn er war die größere Gestalt - die Frucht aus ihrer Hand und biss ebenfalls hinein. Ihre Süße rann durch seine Adern, sein Blick hob sich … Glänzende lange Haare umhüllten wie ein Mantel die zarten Rundungen ihrer Schultern, ließen die knackigen Brüste und den festen Bauch durchschimmern, die weißen, festen Schenkel - - und überhaupt … Ihm stockte der Atem.
Bevor aber er oder sie sich wieder gefangen hatten, wirbelte eine große weiße Wolke heran und eine tiefe Stimme tönte zornig aus ihr: „Hatte ich euch nicht verboten, von den Premiumäpfeln zu essen?“ Es war der Herr des Gartens, der so zürnte. Mit einem Ruck zerrte er die verblüffte Schlange aus der Baumkrone, wickelte sie um Mann und Frau und trieb die so aneinander Gefesselten zum Tor hinaus, das krachend und unwiederbringlich hinter ihnen ins Schloss fiel.
Da standen sie nun in ihrer Blöße, den angebissenen Apfel noch in der Hand, schlotternd vor Kälte, denn die Schlange konnte, naturgegeben, keine Wärme an sie abgeben. Er sah in ihre Augen. „Eva!“ Und sie blickte zurück: „Adam!“ Und beide sanken sich in die Arme und wärmten sich mit ihren Körpern.
Das war´s dann.


Das war´s dann? Mitnichten!
Der Apfel hatte ihre Sinne weitreichender geschärft …

Adam entdeckte eine Höhle, in der sie Schutz fanden. Eva entdeckte Beeren, Wurzeln und Samen, aus denen sie schmackhafte Gerichte zubereitete. Adam entdeckte des Weiteren spitze Hölzer, mit denen er Jagd auf kleine Tiere machen konnte. Eva wiederum entdeckte nach und nach Material, das sie zusammenheftete und zu Kleidung verarbeitete. Mit einem Wort - sie entdeckten all das, was zum Überleben notwendig war. Sogar sich selbst. Das war eindeutig das Beste von allem und führte dazu, dass Eva zwei Söhne gebar. Die menschliche Rasse war gegründet. Und stolz sahen sie sich allabendlich in die Augen. Alles, was sie besaßen, was sie hatten, was sie waren – alles hatten sie selbst entdeckt, erfunden, gemacht.

Allerdings fiel ihnen nicht auf, dass häufig eine große weiße Wolke über ihnen am Himmel schwebte …

Nun hätte das eigentlich in alle Ewigkeit so weitergehen können. Doch der Erstgeborene, Kain, war als Säugling von der Schlange in die Ferse gebissen worden.
Ach ja, die Schlange! Sie war nämlich als Haustier bei Adam und Eva verblieben, da sie fand, dass die ihr etwas schuldig wären. Schließlich hatte sie einst den Anstoß gegeben, dass sie sich so großartig selbst verwirklichen konnten!
In Kains Adern floss nun also auch etwas von ihrem Gift. So entwickelte der Knabe einige unerfreuliche Charaktereigenschaften wie beispielsweise Neid, Missgunst und Habgier. Diese trieben ihn dazu, seinen Bruder Abel umzubringen, der liebenswert und friedlich war. Somit kam das Böse in die Welt.

Irgendwie gelang es der menschlichen Rasse, eines späteren Tages den gesamten Erdball zu überschwemmen. Sie schleppte die guten ebenso wie die schlechten Eigenschaften in ihren Genen mit sich und gab sie an Kinder und Kindeskinder weiter. Der Drang, etwas selbst machen zu wollen, zeigte sich vor allem bei den Kleinkindern, denen dies aber aus Gründen der Rentabilität meist rasch abgewöhnt wurde.
Es entstanden schließlich zwei Gruppen von Menschen.
Die einen waren nach wie vor beflügelt von dem Wunsch, etwas zu entdecken, zu erfinden, gestalten zu wollen. Die anderen aber lehnten sich zurück und warteten ab, was die Entdecker, Erfinder und Gestalter denn so zu Stande brächten.
Dies führte schließlich dazu, dass sich Hierarchien entwickelten. Unterschiedlicher Couleur zwar, aber immer mit der gleichen Intention: Wer oben steht, schafft an! Denn leider Gottes gelang es denen der zweiten Gruppe auf unerfindliche Weise fast immer, sich an der Spitze der Hierarchien zu platzieren. Es waren jene, die sich „ins rechte Licht“ setzen konnten, selbstzufrieden die Ergebnisse der ersten Gruppe nutzten, benutzten und für sich umsetzten. Mehr brauchte es nicht. Ihre hervorragendste Begabung war die des Delegierens. Da nämlich die Forscher und Erfinder in ihrem Drang, immer wieder Neues zu entdecken und zu tun, dafür weder Zeit noch Interesse aufbrachten, funktionierte das System so bestens.

Bis zum heutigen Tag …

Nun ja, gerechterweise muss man wohl noch eine dritte Gruppe aufmachen. Das ist jene, deren Mitglieder weder entdecken noch delegieren wollen. Die sind es zufrieden, wenn sie gesagt bekommen, was sie tun sollen. Sie haben sich ihre paradiesische Unschuld bewahrt!

Letzte Aktualisierung: 24.01.2010 - 01.57 Uhr
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