Sexlibris
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Wo ist die Grenze zwischen Pornografie und Erotik? Die 30 scharfen Geschichten in diesem Buch wandeln auf dem schmalen Grat.
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Do it youself | Januar 2010
Do-it-yourself
von Ann Nissuth

Was für ein Tag! Zug verpasst. Chef ausgeflippt. Jede Menge Kundenreklamationen. Mittendrin Computerabsturz. Nach Feierabend das Auto aus der Werkstatt geholt. Schnell noch das Wichtigste für meine Tochter und mich eingekauft. Kaum dem Supermarkt entronnen, der Anruf, dass Tochter das Wochenende nun doch lieber bei ihrem Vater verbringt. Heimgefahren. Tochter vor dem Haus aufgegabelt und zum Bahnhof kutschiert. Beim Nachhausekommen festgestellt, dass der Aufzug streikt. Die Einkäufe drei Treppen hochgeschleift. Alles verstaut. Und nun endlich Feierabend!
Ich schleudere meine Schuhe in die nächste Ecke. Vorbild muss ich ja nun nicht mehr sein. Stelle das Radio an. Allein, allein. Radio wieder aus. Das muss ich mir jetzt nicht geben. Ich werde auf der Stelle etwas für mein strapaziertes Selbst tun!
Kalt ist mir. Mein hochpubertäres Töchterchen hat wohl gedacht, wenn sie fort ist, muss ich Heizkosten sparen. Also drehe ich die Heizung hoch und brühe mir erst einmal einen gepflegten Tee auf. Dann schnappe ich mir meine Flauschedecke, breite sie mitten im Wohnzimmer aus, werfe sämtliche Klamotten von mir und mache meine geliebten Yoga-Übungen. Tut das gut! Wann habe ich mir das zum letzten Mal gegönnt?
Überhaupt sollte ich mich ruhig öfter richtig verwöhnen. Verwöhnen … Ich wechsle in meine Dusche hinüber. Warmes Wasser schwemmt allen Stress hinweg – und lässt Fantasien erblühen. Zauberhafte Fantasien.
Lustvoll kreist mein Becken über dem Wasserstrahl. Ich genieße meinen Körper, tauche ab – und abrupt wieder auf. Jemand klingelt Sturm an meiner Tür. Keine Chance, das zu überhören.
„Herrgott, ich komm ja gleich!“
Schnell wickle ich meine Haare in ein Handtuch und den Rest von mir in meinen alten Bademantel. Gnade Gott dem Störenfried!
Ich reiße die Tür auf. Vor mir steht ein Mann. Ein wildfremder Mann. Ein gut riechender Mann. „Sofort reinlassen!“ signalisiert mein Scanner - und bringt damit mein armes Hirn, noch auf Konflikt programmiert, in Nöte. So stehe ich denn offenen Mundes und mit Kuhaugen da.
„Tut mir leid, dass ich störe“, sagt eine angenehme Stimme und verstärkt meine Gänsehaut.
„Ich hab mich ausgesperrt. Kann ich bitte mal telefonieren?“
Totalblockade meinerseits.
„Handy liegt natürlich in der Wohnung“, ergänzt er.
Nach wie vor bin ich zu keiner Reaktion fähig.
„Ach so: Senft, Stefan Senft. Ich wohn seit heute nebenan.“
„Kerstin Behlau“, sage ich automatisch und im selben Moment fällt mir ein, dass mein Name schon immer groß auf meiner Klingel geprangt hat. Das geht ja wohl nicht an. Pubertäres Verhalten ist Sache meiner Tochter.
„Du holst dir meinetwegen noch den Tod“, stellt die Stimme fest.
„Na, wenn wir schon beim du sind: Telefon ist in der Küche, hier rechts. Tee ist im Regal überm Wasserkocher. Ich zieh mir grad mal schnell was über.“
Gottlob, ich habe mich wieder gefunden!
Und weil ich spüre, wie ich seinem Lachen entgegenfalle, ziehe ich mich fluchtartig zurück.
Wenig später duftet es in meiner Wohnung verführerisch – nach Kaffee.
„Sorry, grüner Tee ist nicht mein Ding“, sagt er und reicht mir auch eine Tasse.
Ja hoppla!
„Und mit Schlüsseldienst war leider nix“, fährt er fort, „ Dein Akku ist leer.“
„Schlüsseldienst?“ Ich ziehe gekonnt die Brauen hoch, während ich insgeheim beschließe meiner Tochter die Leviten zu lesen. „Ich leih dir gerne meinen TFG.“
„Deinen was?“
„TFG - Türfallengleiter“, erläutere ich gönnerhaft. „Ist damit ganz einfach: Türblatt eindrücken, das Ding in den Falz rein und bis über die Schlossfalle ziehen. Bleibt deine Tür auch heil.“
„Ah ja“, meint er.
Um mein innerliches Grinsen zu verbergen, gehe ich den TFG holen.
„Hier. Wenn du Hilfe brauchst: Ich bin durchaus handwerklich begabt“.
„Das dürfte ja wohl kein Akt sein“, erwidert er und schaut mich forschend an.
„Naja, wenn der Dichtgummi das Teil bremst, musst du es mit Gleitspray besprühen“, merke ich bemüht cool an.
Seine Mundwinkel zucken leicht.
„Hast du eigentlich dein Teeregal selbst gemacht?“
Die Frage kommt nun etwas überraschend.
„Selbst gekauft“, gestehe ich „und selbst montiert. Tja, selbst ist die Frau.“
Wieder dieses unwiderstehliche Lachen.
„Ich geh mir die Haare trocknen“, verkünde ich. „Viel Erfolg.“
I feel good singe ich lauthals gegen meinen Föhn an.
Frisch gestylt luge ich sodann neugierig aus meiner Wohnung. Kein Mann weit und breit. Neben meiner Fußmatte liegt der Falzgleiter auf einem Bogen Papier. Darauf lese ich:
Sag mal: Kannst du auch mit einem Pinsel umgehen?
Do-it-yourself? Zu zweien?
Klar kann ich. Und Sekt ist auch noch im Kühlschrank.

Letzte Aktualisierung: 27.01.2010 - 18.46 Uhr
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