Sexlibris
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Wo ist die Grenze zwischen Pornografie und Erotik? Die 30 scharfen Geschichten in diesem Buch wandeln auf dem schmalen Grat.
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Do it youself | Januar 2010
Stapellauf
von Marie Brand

„Mann, Walter“, klopfte ihm Herbert auf die Schulter. „Da hast du dich aber selbst übertroffen. Das Boot ist der Wahnsinn! Eigentlich ist es ja schon ein richtiges Segelschiff, du hast ganz schön untertrieben all die Zeit.“
Auch die anderen waren voll des Lobes, und Walter wuchs ein paar Zentimeter. Aber bescheiden meinte er: „Na ja, nach der Rente musste ich irgendwas mit meiner Zeit anfangen. Und da folgte ich dem Ruf. Ich meine, dem Ruf, auf meine alten Tage noch Seemann zu werden.“
„Wo willst du das Schiff denn zu Wasser lassen? Der Transport von hier wird nicht einfach“, unkte Reinhard und zeigte auf die Hügel, die die Senke umschlossen.
„Ach, das kommt schon noch“, zuckte Walter mit den Schultern. „Erst einmal wollen wir heute feiern.“
Damit hoben die Erwachsenen ihre Gläser. „Auf Walter!“
Die Kinder tobten über das Deck. Nur Lilith, die Kleinste, zupfte Elli ungeduldig am Hosenbein. „Was ist denn unten? Können wir da runter?“
Elli stupste ihren Walter in die Seite. „Willst du ihnen nicht die Kajüten zeigen?“
„Kommt alle mit! Es gibt noch mehr zu sehen. Und ihr müsst doch wissen, wo ihr heute Nacht schlafen werdet.“
„Ja, besser, wir sehen uns das jetzt an, vielleicht finden wir dann nach ein paar Gläsern immer noch die Koje“, scherzte Reinhard.
„Nicht vor den Kindern!“, wies ihn seine Frau Sabine zurecht.
Aber die Kinderschar polterte schon längst die schmale, steile Stiege herunter. Die Erwachsenen tasteten sich vorsichtig am Geländer entlang. Unten bestaunten sie einen Raum nach dem anderen. Jeder suchte sich eine Koje aus, die Kinder beschlagnahmten ihre eigene Kajüte.
„Tatsächlich kommen wir alle unter“, staunte Sabine, „ich hatte schon gedacht, ein paar von uns müssten vor dem Schiff zelten.“
Herbert wedelte mit ein paar Büchern. „Seht mal, Walter hat sogar an eine Bibliothek wie für eine Weltumsegelung gedacht.“
Reinhard schnappte sich eins. „Nach Weltumsegelung sieht das aber nicht aus. 'Ackerbau und Viehzucht'!“
„Und hier: 'Wie behandele ich Kinderkrankheiten'.“
„Auf See kann einem schon mal langweilig werden!“. Walter sammelte die Bücher rasch wieder ein.
„Wie wäre es mit ein paar Häppchen? Gurkensandwich am Abend ist erfrischend und labend!“ Elli schob ihre fünfzehn Mann starke Besatzung Richtung Kombüse.
Lilith maulte zwar noch: „Hier riecht es aber komisch.“
„Schatz, hier ist alles neu, das ist bestimmt die Farbe oder was ähnliches.“
„Wie bei Toms Kaninchen“, ließ Lilith noch nicht locker.
Doch angesichts des üppigen Büffets dachten alle nur ans Essen.
So verging die Zeit wie im Fluge, den Kindern fielen langsam die Augen zu. Elli bereitete ihnen noch ein Glas warme Milch, damit sie besser schliefen, und brachte sie ins Bett. Lilith bekam ihren Oma-Gutenachtkuss, dann waren die Kinder versorgt.
Bei den Erwachsenen ging die Party weiter. Immer wieder gab es einen Toast auf den Schiffsbauer. Auf Elli. Und auf das Schiff.
„Wie soll's denn eigentlich heißen?“, rief Reinhard. „Gibt es nicht was zu taufen?“
„Ja, taufen. Ich bin Prinzessin und werfe die Flasche!“, rief Sabine.
Einige erhoben sich bereits.
„Das können wir doch morgen früh machen“, wand sich Walter.
„Wenn die Kinder wieder wach sind“, argumentierte Elli.
„Sie hat recht, wir sollten schlafen gehen. Morgen ist Zeit genug. Ich möchte so langsam auch die Matratze testen“, warf Sabine ein.
Elli hatte auch für jeden Erwachsenen einen Schlummertrunk, dann verließen sie nach und nach die Kombüse, und füllten die Kajüten. Nur Elli und Walter klapperten leise mit dem Geschirr.
„Du hast das wunderbar gemacht.“ Damit küsste er Elli auf die Wange.
„Komm, sehen wir nach den Tieren.“ Sie fasste ihn an der Hand und zog ihn an den Kajüten vorbei zum hinteren Schiffsteil. In den Ställen lagen die Tiere im Stroh und atmeten ruhig ein und aus.
„Es ist alles in Ordnung. Alle haben die richtige Dosis bekommen.“ Walter drückte Elli an sich. „Ich werde dich immer lieben.“
„Wollen wir auch einen Trunk nehmen?“
Elli hatte die Flasche mitgenommen.
„Lass uns wachbleiben“, meinte Walter.
Gemeinsam gingen sie an Deck. Beim Blick auf die Taue fiel Walter ein:: „Wir müssen die Leinen los machen!“
Schweigend arbeiteten sie daran.
Dann blieb nichts mehr zu tun übrig. Sie standen einfach nur an der Reling und schauten in den sternenlosen Himmel hinauf. Walter strich mit den Fingern über den glatten Lack, mit dem er das Holz überzogen hatte.
„Es ist geschafft. Zwei Jahre Arbeit sind zu Ende.“
Elli drückte seine Hand. „Es kommt etwas Neues. Etwas Großes.“
„Ich weiß.“
„Alle, die wir lieben, sind da. Ich habe keine Angst“, versicherte Elli.
Die ersten Tropfen Regen tanzten auf ihrer Haut. Ein Blitz tauchte das Deck in helles Licht. Walter blickte auf sein Werk, fing befreit an zu lachen und schlitterte übermütig über die nassen Bohlen. Als das Schiff allmählich Wasser unter den Kiel bekam und sanft schwankte, bückte sich Elli nach der Flasche. Gemeinsam schmetterten sie sie vor die Reling. Aus den Wolken grummelte es.
Walter lachte laut, hielt Elli im Arm und rief: „Wir taufen dich – Arche!“

Letzte Aktualisierung: 28.01.2010 - 12.05 Uhr
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